Formel 1

Kurioser Heimsieg kostet Hamilton Nerven

Lewis Hamilton hat am Sonntag beim Grand Prix von Großbritannien in Silverstone seinen siebenten Heimsieg gefeiert – und zugleich seinen kuriosesten. Der Weltmeister steuerte seinen ramponierten Mercedes in der letzten Runde noch auf drei Reifen über die Ziellinie. „Ich habe so etwas wie in der letzten Runde noch nie erlebt, mir ist fast das Herz stehen geblieben“, sagte der 35-jährige Brite, der in der WM-Wertung davonzog.

Hamiltons linker Vorderreifen platzte auf der Schlussrunde, sein nächster Triumph vor leeren Rängen schien ihm noch zu entgleiten. Dem sechsfachen Weltmeister gelang es aber, den Wagen auf den letzten Metern zu kontrollieren und fünf Sekunden Vorsprung auf Max Verstappen (Red Bull) ins Ziel zu retten. „Ich habe gemerkt, dass es echt hart wird“, sagte Hamilton: „Zum Glück hat es noch geklappt. Ich dachte, das ist das schlimmste Gefühl, wenn man hört, dass noch jemand kommt und einen vor der Ziellinie überholen kann.“

Teamchef Toto Wolff ergänzte: „Das war alles sehr dramatisch. Wir hatten Glück, dass Red Bull am Ende an die Box gefahren ist“, so der Wiener. „Wenn sie das nicht getan hätten, wären aus einem sicher scheinenden Doppelsieg die Plätze zwei und elf geworden“, sagte Wolff, dessen zweiter Pilot Valtteri Bottas ebenfalls einen Schaden am Reifen davontrug und am Ende als Elfter nicht einmal punkten konnte.

Lewis Hamilton (Mercedes)
GEPA/XPB Images
Mit einem kaputten Vorderreifen überquerte Hamilton zum dritten Mal in dieser Saison die Ziellinie als Erster

Wolff sah daher nicht nur Licht nach dem vierten Sieg im vierten Rennen. „Heute hat sich gezeigt, wie grausam Motorsport sein kann. Deshalb werden wir auch weiterhin skeptisch bleiben. Denn wir wissen zwar, dass wir ein schnelles Auto und einen starken Motor haben, aber wir werden nichts als selbstverständlich betrachten, bis wir an jedem Rennwochenende die Ziellinie überquert haben.“

Besonders bitter war das Finish für Bottas, der ohne Zähler blieb und nun schon 30 WM-Punkte hinter Hamilton liegt. „Es ist ein wirklich enttäuschendes Ergebnis für mich“, stellte der Finne fest. „Gegen Ende haben die Vibrationen am linken Vorderreifen immer stärker zugenommen. Ich konnte keine Trümmerteile sehen und habe begonnen, auf die Reifen zu achten. Aber dann hatte ich plötzlich auf der Start-Ziel-Geraden den Reifenschaden und musste eine komplette Runde zurücklegen, bevor ich an die Box fahren konnte.“

Red Bull trauert Sieg nicht nach

Der am Ende zweitplatzierte Verstappen hätte ohne Boxenstopp im Finish auch gewinnen können, trauerte der verpassten Chance aber nicht nach. „Hätte, wäre, könnte … man kann diese Fragen im Nachhinein immer stellen, aber ich bereue nichts und glaube, wir haben die richtige Entscheidung getroffen, noch einmal für die schnellste Runde an die Box zu fahren“, sagte der Niederländer. „Wir haben das Richtige getan. Wer weiß, ob wir nicht auch einen Schaden bekommen hätten. Man kann diese Dinge einfach nicht vorhersehen, weil das in der heutigen Formel 1 nicht allzu oft passiert.“

Nach dem Bottas-Unglück „gab es keine Garantie, dass Max es bis ans Ende geschafft hätte“, meinte auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner. „Daher war es klug, neue Reifen abzuholen. Ich denke, wir müssen dankbar sein, dass wir von Valtteris Pech profitiert haben, und können mit dem Ergebnis zufrieden sein.“ Nach dem großen Rückstand im Qualifying von über einer Sekunde hätte er nicht daran gedacht, dass Verstappen in der Lage sein würde, die schnellste Runde zu fahren.

Hamilton zieht davon

In der Gesamtwertung baute Hamilton (88 Punkte) seinen Vorsprung nach drei Erfolgen in den ersten vier WM-Läufen auf Teamkollege Bottas (58) weiter aus. Mit nun 87 Grand-Prix-Siegen ist Michael Schumachers Bestmarke von 91 greifbar. Der englische Dauersieger lässt keinen Zweifel daran, dass er am Saisonende mit Rekordchampion Schumacher nach Titelgewinnen gleichziehen will.

Auf dem Kurs in Silverstone geht es bereits am kommenden Sonntag mit dem Grand Prix zum 70-Jahr-Jubiläum weiter. Sieben der nun vergangenen acht Rennen gewannen die Silberpfeile auf ihrer Paradestrecke unweit der Teamfabriken in Brackley und Brixworth.

GP von Großbritannien in Silverstone

Endstand nach 52 Runden (306,198 km):
1. Lewis Hamilton GBR Mercedes 1:29:51,105
2. Max Verstappen NED Red Bull + 5,856
3. Charles Leclerc MON Ferrari 18,474
4. Daniel Ricciardo AUS Renault 19,650
5. Lando Norris GBR McLaren 22,277
6. Esteban Ocon FRA Renault 26,937
7. Pierre Gasly FRA Alpha Tauri 31,188
8. Alexander Albon THA Red Bull 32,670
9. Lance Stroll CAN Racing Point 37,311
10. Sebastian Vettel GER Ferrari 41,857
11. Valtteri Bottas FIN Mercedes 42,167
12. George Russell GBR Williams 52,004
13. Carlos Sainz ESP McLaren 53,370
14. Antonio Giovinazzi ITA Alfa Romeo 54,205
15. Nicholas Latifi CAN Williams 54,549
16. Romain Grosjean FRA Haas 55,050
17. Kimi Räikkönen FIN Alfa Romeo 1 Runde

Out: Magnussen (DEN/Haas), Kwjat (RUS/Alpha Tauri)

Nicht am Start: Hülkenberg (GER/Racing Point)

Schnellste Runde: Verstappen (1:27,097/52.)