US-Open-Sieger Dominic Thiem
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Tennis

Thiem setzt auf neue Lockerheit

Glücklich, aber völlig erledigt ist Dominic Thiem am Dienstag aus New York nach Österreich zurückgekehrt. Bevor er sich ein paar Tage wohlverdiente Ruhe gönnen kann, absolvierte der 27-Jährige noch einen Medientermin. Thiem ließ dabei die vier Wochen in der „Bubble“ sowie das nervenaufreibende Finale Revue passieren und gab auch einen Ausblick auf seine nächsten Ziele. Der Weltranglistendritte hofft dabei, den Rückenwind von seinem ersten Grand-Slam-Titel für Paris nutzen zu können. Die neue Lockerheit soll helfen.

Noch hat Thiem aber nicht realisiert, was ihm in New York gelungen ist. „Ich habe in den letzten 50 Stunden vielleicht zwei geschlafen. Ich bin ziemlich paniert, aber glücklich, wieder in Österreich zu sein“, sagte Thiem, der sich in den nächsten Tagen Erholung gönnen möchte. Ein Essen mit der Familie, Zeit mit dem Hund in der Natur verbringen oder einfach nur auf der Couch abhängen haben vorerst einmal Priorität für den frischgebackenen Grand-Slam-Sieger.

Als Mensch fühlt sich Thiem nach dem zweiten Major-Titel für einen Österreicher nach jenem von Thomas Muster in Paris 1995 genauso wie davor. „Ich habe das ultimative Karriereziel im sportlichen Sinn erreicht. Mein Leben ist aber nicht abhängig von Erfolgen in der Karriere, sonst würde man nicht glücklich werden. Mein Bekanntheitsgrad hat sich natürlich gesteigert, aber dafür bin ich bereit“, sagte der Lichtenwörther.

Thiem zurück in Österreich

Glücklich, aber völlig erledigt ist Dominic Thiem am Dienstag aus New York nach Österreich zurückgekehrt. Bevor er sich ein paar Tage wohlverdiente Ruhe gönnen kann, absolvierte der 27-Jährige noch einen Medientermin.

Dass sich bei ihm nach dem Triumph, auf den er jahrelang mit großem Willen jeden Tag und in jedem Training hingearbeitet hat, eine gewisse Leere breitmacht, erwartet Thiem nicht. „Ich will es jetzt genießen und auch die nächsten Tage über die Reise der letzten vier Wochen nachdenken und sie reflektieren“, erklärte Thiem, der am Wochenende zu trainieren beginnen und dann am Mittwoch nach Paris zu den French Open, die live im ORF zu sehen sein werden, aufbrechen wird.

Neue Lockerheit als Trumpfkarte

Nach einem Grand Slam ist diesmal unmittelbar vor dem nächsten Grand Slam. Körperlich erwartet sich Thiem in Höchstform. Der Oberschenkel („Die Krämpfe waren eher mental bedingt“) und auch die Achillessehne sollten keine Probleme bereiten. Auch dem Umstieg von Hartplatz auf Sand sieht er gelassen entgegen. „Auf dem Belag bin ich groß geworden. Größte Aufgabe wird sein, das Ganze zu verarbeiten, um voll frisch nach Paris zu fliegen.“

Ein Ziel wollte der Niederösterreicher, der sich in den letzten beiden Jahren Rafael Nadal im Finale hatte beugen müssen, nicht ausgeben. Allerdings möchte er die positive Energie aus New York für Paris nützen. „Ich erwarte von mir, dass ich die großen Turniere und die großen Matches in Zukunft mit mehr Lockerheit angehen kann und dann noch besser spielen werde. Den Rückenwind möchte ich für die French Open nützen“, so Thiem. „Ich habe eine unglaubliche Karriere, aber der große Titel hat noch gefehlt. Ich hätte weinend zurückgeblickt, wenn ich es nicht geschafft hätte. Das fällt jetzt weg.“

„Unglaublich nervös“ vor US-Open-Finale

Bei den letzten Grand-Slam-Turnieren hat sich der 27-Jährige selbst viel Druck auferlegt. Einen Druck, den er auch im Finale gegen Zverev gespürt hat. „Ich war unglaublich nervös. Eine Rolle im Hinterkopf, dass ich als Favorit ins Finale gegangen bin. Mein Hirn hat gearbeitet, seit Novak Djokovic (Disqualifikation im Achtelfinale, Anm.) draußen war. Beim Einschlagen habe ich mich noch gut gefühlt, den Ball hatte ich locker am Schläger. Vom ersten Ball hat dann nichts funktioniert. Ich war bleiern, so kannte ich mich nicht.“

Pressekonferenz mit Dominic Thiem in voller Länge

Nach seinem Sieg bei den US Open ist Dominik Thiem aus New York nach Österreich zurückgekehrt und vor die Kameras getreten.

Als Grund dafür führte Thiem die Angst vor seiner vierten Niederlage in einem Grand-Slam-Finale an. „Der Gedanke, wieder zu verlieren, war fast durchgehend da. Nach 0:2 und Break hinten wurde das noch stärker. Zum Glück habe ich mich im dritten ein bisschen freigespielt“, bilanzierte der Österreicher. „Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn es nicht geklappt hätte. Vielleicht wäre das ganz schlecht für meine Karriere gewesen, wer weiß das schon.“

Erleichterung pur und Mitgefühl mit Zverev

Als die Rückhand von Zverev im Out gelandet war, verspürte Thiem deshalb Erleichterung pur. „Mir ist überhaupt nichts durch den Kopf gegangen. Nach dem Tiebreak war ich total fertig. Nach Indian Wells oder den Siegen in Österreich (Wien und Kitzbühel 2019, Anm.) hatte ich ein Glücksgefühl, aber nach dem ersten Grand-Slam-Titel war es natürlich größer“, sagte Thiem, der noch ein paar Monate vergehen lassen möchte, bis er sich das Finale in voller Länger noch einmal anschauen wird. „Vielleicht 2021. Da war mir zu viel Drama.“

US-Open-Sieger Dominic Thiem liegt nach dem Matchball am Boden
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Völlig leer und unglaublich erleichtert war Dominic Thiem nach dem US-Open-Finale

Thiem fühlte deshalb auch mit Zverev mit. „Wir haben eine lange Freundschaft und eine lange Rivalität. Obwohl er vier Jahre jünger ist, haben wir gemeinsam auf der Tour 2014 begonnen. Die Siegerehrung war schwer für mich, er war richtig zerstört. Ich wünsche ihm, dass er so bald wie möglich auch so einen Titel gewinnt. Das würde mich auch freuen“, erklärte Thiem, der um vier in der Früh noch einmal eine Gratulation von Zverev bekam. „Das war eine große Geste.“

Die Glückwünsche des 23-jährigen Deutschen waren aber nicht die einzigen. Über Thiem brach eine wahre Flut an Nachrichten herein. „Ich habe mich über jede einzelne gefreut. Am meisten natürlich von der Familie und Freunden. Mit dem Sieg konnte ich ein großes Stück zurückgeben, für das, was alle für mich gegeben haben“, sagte der 17-fache Turniersieger, der aber erst nach den French Open groß feiern möchte. „Darauf freue ich mich. Da werde ich es mit Freunden ein, zwei Tage krachen lassen.“

„Bubble“ als erneute Herausforderung

Zunächst gilt der Fokus aber ganz klar dem nächsten Grand-Slam-Turnier. In Paris erwartet Thiem wieder eine „Bubble“ mit einer Abschottung von der Außenwelt, viel Wachpersonal und CoV-Tests am laufenden Band. „Aber das muss so sein. Es sind viele Leute involviert, da muss man strikt sein. Die US Open sind reibungslos abgelaufen und deshalb ein Vorbild für die anderen Turniere“, so Thiem.

Aufgrund der außergewöhnlichen Situation schätzt Thiem seinen Sieg auch höher ein, als wenn alles normal gewesen wäre. „Es war eine große Belastung in der ‚Bubble‘. Es gab keine Ablenkung. Man konnte nicht bummeln oder essen gehen. Die Gedanken waren immer beim Tennis. Teilweise schon zu viel. Das war eine unglaubliche Herausforderung“, gab Thiem Einblick in die mental anspruchsvollen vier Wochen in New York.

Thiem sieht Nadal als Paris-Favoriten

Dass mit seinem Titel bei den US Open eine Wachablöse eingeläutet wurde, glaubt Thiem indes nicht. „Ich sehe das nicht ganz so. Djokovic und Nadal werden in Paris topfit am Start stehen. Wenn das so ist, sind sie immer die ganz großen Favoriten. Nadal hat auch noch den Vorteil, dass er in Europa auf Sand trainiert hat. Er spielt auch noch davor in Rom und wird Matchpraxis sammeln“, sagte Thiem und sieht den zwölffachen French-Open-Sieger auch in diesem Jahr als ersten Anwärter auf den Titel.

Auch der Sprung an die Spitze der Weltrangliste ist für Thiem daher vorerst kein Thema. „In meinem Kopf sind die French Open nicht die Weltrangliste. Natürlich schwirrt das im Kopf herum, aber nicht in Paris. Das Ranking hat für mich nicht oberste Priorität. Darauf schaue ich erst danach, aber wenn es noch weiter raufgehen sollte, würde ich mich natürlich nicht darüber beschweren“, stellte Thiem klar.

Neben dem ATP-Ranking spielt für den Österreicher auch das hohe Preisgeld bei einem Grand-Slam-Turnier nur eine untergeordnete Rolle. „Ich gehe in ein Turnier immer noch so rein wie früher, als es noch gar kein Geld gegeben hat. Geld hat überhaupt keine Priorität. Schätze mich glücklich, einen Sport auszuüben, in dem viel Geld im Spiel ist. Aber deshalb spiele ich nicht, sondern wegen den Zielen und den Erfolgen“, erklärte Thiem.