Der ehemalige österreichische Werder Bremen Spieler Andreas Herzog.
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Fußball

Wie ÖFB-Legionäre Deutschland eroberten

Wenn am Freitag die neue Saison der deutschen Bundesliga angepfiffen wird, spielt auch Rot-Weiß-Rot wieder eine gewichtige Rolle. Zum bereits vierten Mal in Folge stellt der Österreichische Fußballbund (ÖFB) im deutschen Oberhaus die meisten Spieler aus dem Ausland. Mit 32 Legionären sind es exakt so viele wie in der vergangenen Saison. Es ist Beleg für die Entwicklung der früheren Ausnahme zur wohl auch zukünftigen Regel.

In der ewigen Rangliste an Legionären in Deutschland hat Brasilien mit 165 Spielern die Nase klar vorn, dahinter kommt Dänemark (133) und dann schon Österreich (125). Vor allem in den vergangenen zehn Jahren hat die Anzahl der heimischen Kicker beim Nachbarn drastisch zugenommen. Waren es zu Beginn des Jahrtausends zwischen vier und acht, sind nun das Vierfache an Legionären am Werk. Das hat Gründe.

Früher war vieles anders, es spielten nur wenige Ausländer bei Clubs. Wilhelm Huberts war der erste ÖFB-Gastarbeiter in der deutschen Bundesliga, deren Debütsaison 1963/64 über die Bühne gegangen war. Der Libero kam für Eintracht Frankfurt bis 1970 auf 213 Einsätze. Noch in den 1960er Jahren folgten weitere Österreicher dem Beispiel des heute 82-Jährigen, unter anderen August Starek (1. FC Nürnberg und Bayern München), der mit dem Club aus Franken zweimal Meister geworden war, Peter Pumm (Bayern) und Franz Hasil (Schalke 04). Schon damals stellte Österreich phasenweise das größte Kontigent an Legionären, es waren aber nie mehr als acht Spieler in einer Saison.

1. FC Köln und Eintracht Frankfurt gegen Eintracht Frankfurt am 18. April 1970. Bild zeigt Köln Spieler Wolfgang Riemann (rechts) im Zweikampf mit Frankfurt Spieler Wilhelm Huberts (links).
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Der erste Legionär im deutschen Bundesliga-Fußball: Wilhelm Huberts (l.) absolvierte in den 1960ern 213 Einsätze für Frankfurt

In den 1970er Jahren gehörten Fußballer aus der Alpenrepublik längst zum fixen Bestandteil, darunter auch die späteren Trainer Kurt Jara (MSV Duisburg und Schalke) und Josef Hickersberger (Kickers Offenbach und Fortuna Düsseldorf). Johann „Buffi“ Ettmayer war vor allem beim VfB Stuttgart nicht nur sprichwörtlich ein Schwergewicht und spielte auch noch für den Hamburger SV. Zu einer Vereinslegende avancierte Bruno Pezzey in Frankfurt. Der 1994 viel zu früh verstorbene Libero absolvierte dort und bei Werder Bremen nicht weniger als 255 Spiele. Seither haben nur drei Österreicher diese Marke überboten.

Gedenkwand ehemaliger Spieler im Stadion von Eintracht Frankfurt.
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Clublegende Pezzey (2. v. l.) ist in den Katakomben der Frankfurter verewigt

Herzog und Polster als weitere Türöffner

Neben dem heutigen Superstar des österreichischen Fußballs, Bayern Münchens David Alaba (266), und Martin Stranzl (258) gelang das auch Andreas Herzog, der für Werder Bremen und Bayern München 264-mal das Trikot übergestreift hatte. Gemeinsam mit Toni Polster, der beim 1. FC Köln zu einem absoluten Publikumsliebling avancierte und später auch bei Borussia Mönchengladbach spielte, drückte er der Liga in den 1990er Jahren auch mit Wiener Schmäh den heimischen Stempel auf.

Herzog holte mit Bremen die Meisterschaft und zweimal den DFB-Pokal, sein Wechsel mit Trainerlegende Otto Rehhagel zu den Bayern war zwar nicht von persönlichem Glück begünstigt, doch es reichte immerhin auch zu einem Europacup-Sieg. 1996 gewann Herzog mit den Münchnern den UEFA-Cup, den Vorgängerbewerb der Europa League.

Toni Polster (1.FC Köln) 1995
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ÖFB-Rekordtorschütze Toni Polster avancierte in den 1990er Jahren in Köln zum absoluten Publikumsliebling

Erfolge und Bosman-Urteil helfen mit

Die internationalen Erfolge von Austria Salzburg und Rapid Wien in den 90er-Jahren – beide Teams standen jeweils in einem Europacup-Finale (und verloren es) – sowie das Bosman-Urteil, das Spielern nach Vertragsende die Möglichkeit gab, ablösefrei zu wechseln, verhalfen vielen weiteren Österreichern den Sprung ins Ausland.

Wolfgang Feiersinger wurde mit Borussia Dortmund 1997 Champions-League-Sieger, sein ehemaliger Salzburg-Kollege Heimo Pfeifenberger spielte für Werder Bremen, der heutige Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer für VfL Wolfsburg. Auch die Erfolge von Sturm Graz in der Champions League rund um die Jahrtausendwende sorgten für Transfers von Spielern in die deutsche Bundesliga. Doch nicht immer gingen diese auch auf: Ivica Vastic, der in Graz Kultstatus genoss und genießt, spielte etwa für MSV Duisburg nur zehn Spiele im Oberhaus.

ÖFB-Legionäre in Deutschland seit 2000

Saison ÖFB-Legionäre Platzierung *
2020/21 32 1
2019/20 32 1
2018/19 31 1
2017/18 23 1
2016/17 21 2
2015/16 19 2
2014/15 14 3
2013/14 14 2
2012/13 18 2
2011/12 17 2
2010/11 16 2
2009/10 10 7
2008/09 6 13
2007/08 4 21
2006/07 4 25
2005/06 5 15
2004/05 4 20
2003/04 8 8
2002/03 8 9
2001/02 8 7
2000/01 6 10
* nach Anzahl von Spielern pro Land

Auch in den 2000er Jahren ging es in dieser Tonart weiter, Spieler wurden aufgrund ihrer Leistungen in der österreichischen Liga oder im internationalen Vergleich verpflichtet – Eduard Glieder schaffte etwa den Sprung vom FC Pasching zu Schalke 04 und kam auch so auf seine 16 Bundesliga-Spiele. Auch wenn die Europameisterschaft im eigenen Land 2008 mit dem Aus nach der Gruppenphase letztlich sportlich kein Hit war, konnten sich schon auf dem Weg dorthin einige für höhere Aufgaben empfehlen. Sebastian Prödl von Sturm Graz hatte etwa noch vor Beginn des Turniers bei Werder Bremen unterschrieben.

Alaba, Akademien und Ausbildung

Christian Fuchs, 2016 ÖFB-Kapitän der zweiten EM-Auswahl, wechselte auch 2008 von Mattersburg in die deutsche Bundesliga zu VfL Bochum und spielte dann noch für 1. FSV Mainz 05 sowie Schalke 04. 2009 gab es erstmals eine zweistellige Anzahl an österreichischen Spielern in Deutschland (zehn, Anm.), seither ging es steil bergauf. Angeführt vom Aushängeschild Alaba, das mittlerweile mit neun Meisterschaften auch deutscher Rekordmeister ist. Der heute 28-jährige Wiener ist auch insofern ein Vorreiter, als er in Österreich in der Bundesliga nie ein Spiel absolviert hat, lediglich für die Austria Amateure in Liga zwei.

David Alaba (Bayern München) 2010
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David Alaba bei seinem Debüt für den FC Bayern am 10. Februar 2010 im DFB-Pokal – es gelang ihm gleich ein Assist

Die in diesem Jahrtausend etablierten Fußballakademien im ganzen Land sorgten nicht nur für sportliche Erfolge der Nationalteams in diversen Nachwuchsklassen sowie im A-Team (EM-Teilnahme 2016), sondern auch für die gehobene Reputation des österreichischen Fußballers im großen Nachbarland. Der zwischendurch belächelte ÖFB-Legionär ist in Deutschland wieder mehr anerkannt worden.

Grafik über österreichische Fußballspieler in der deutschen Bundesliga
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Nur bei Dortmund und Hertha BSC spielt kein Österreicher

Verändertes Transferverhalten

Das Transferverhalten hat sich über die Jahre geändert: Spieler werden nicht nur geholt, wenn sie in Österreichs Oberhaus aufgeigen, auch, wenn sie dort erst wenige Talentproben abgeliefert haben, oder sie zuvor im Nachwuchs gescoutet wurden. Jüngstes Beispiel dafür ist U19-Teamspieler David Nemeth, der von Mattersburg nach Mainz wechselte und zunächst in der U23 sich entwickeln soll. Christoph Baumgartner, Shootingstar beim ÖFB-Auftakt in die Nations League, kam 2015 überhaupt vom Nachwuchs aus St. Pölten zur TSG 1899 Hoffenheim und wurde dort in der Vorsaison von den Fans als bester Spieler der Saison ausgezeichnet. Teamkollege Stefan Posch kam 2015 aus dem Admira-Nachwuchs nach Baden-Württemberg.

Christoph Baumgartner (Hoffenheim)
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Mit sehr guten Leistungen bei Hoffenheim spielte sich Christoph Baumgartner 2020 ins Nationalteam

Auch hat sich das Standing der Spieler in den vergangenen Jahren verbessert: Mit Christopher Trimmel (Union Berlin) sowie Marcel Sabitzer (RB Leipzig) verfügen zwei der 18 deutschen Clubs über heimische Kapitäne. Die rot-weiß-roten Leistungsträger werden seit geraumer Zeit mehr, 19 der 32 Legionäre in der vergangenen Saison kamen immerhin schon auf 20 oder mehr Einsätze pro Saison, was dem Nationalteam nachhaltig zugutekommen sollte.

Sieben der 32 Spieler haben bei Serienmeister Salzburg gespielt, doch schaffen es auch immer wieder Kicker von kleineren Clubs nach Deutschland, Manuel Prietl (2016 via Mattersburg) und Christian Gebauer (2020 via Altach) etwa sind bei Aufsteiger Arminia Bielefeld gesetzt bzw. engagiert. Der Eindruck täuscht nicht: Deutschland kommt an Österreichs Fußball schon länger nicht mehr vorbei.