Team UAE Emirates Fahrer Tadej Pogacar
APA/AFP/Marco Bertorello
Tour de France

„Junge Wilde“ sollen Radsport erneuern

In der Nacht zu seinem 22. Geburtstag hat Tadej Pogacar vom höchsten Gebäude der Welt gegrinst. Ein Sponsor hatte das Konterfei des neuen Radsportsuperstars nach dem Sieg bei der Tour de France an das Burdsch Chalifa in Dubai projizieren lassen. Es soll ein Bild für die Zukunft sein. Denn der Slowene mit dem Babyface und dem Killerinstinkt gilt nach seinem spektakulären Triumph in Frankreich als Galionsfigur der jungen Wilden, die den Radsport prägen und skandalfrei bleiben sollen.

Die französischen Medien, die seit Bernard Hinault 1985 auf einen heimischen Sieger der Frankreich-Rundfahrt warten, gaben sich von Pogacar begeistert. „Tadej Pogacar – blitzartiger Aufstieg. Der junge Slowene, Überraschungssieger der Tour de France, erweist sich als eines der Symbole einer enthemmten neuen Welle“, schrieb „Le Figaro“. „Jung und unbekümmert. Genau wie Laurent Fignon 1983 hat der 21 Jahre alte Tadej Pogacar Geschichte geschrieben, indem er die Tour bei seiner ersten Teilnahme gewann“, hieß es in der „L’Equipe“.

Der Zweifel fährt nach den leidlichen Erfahrungen der Vergangenheit unweigerlich mit. Wobei der Erfolg von Pogacar bei seiner ersten Tour-Teilnahme offenbar erklärbar ist. „Man weiß in der Szene seit zwei, drei Jahren, um welches Talent es sich da handelt. Experten haben sich die Leistungsdaten angeschaut und waren perplex, wie viel Talent in dem jungen Mann steckt“, sagte Bora-Teamchef Ralph Denk: „Wir können nur auf die ganz strikten Kontrollen vertrauen, und das tun wir auch. Ich denke, dass die Leistung ehrlich errungen wurde.“

Selbst Greg LeMond, Doping-Kritiker und Erzfeind von Lance Armstrong, schwärmt von Pogacars Leistung. „Ich hoffe, dass es keine Zweifel gibt. Für mich ist er ein sehr großer Gewinner der Tour“, sagte der 59-Jährige, der selbst dreimal das Gelbe Trikot in Paris erhalten hatte. Vor der dunklen Epo-Ära war es für Hochbegabte nicht ungewöhnlich, schon in jungen Jahren auf das Tour-Podest zu fahren. LeMond gelang es mit 23, Fignon und der Ikone Eddy Merckx mit 22 Jahren.

Keine Verdachtsmomente bei Pogacar

Bisher gibt es bei Pogacar selbst keine Verdachtsmomente. Allerdings ist das Personal seines UAE-Teams ein Abbild der alten Generation. Sein Sportlicher Leiter Andrej Hauptman, der Pogacar vor zehn Jahren bei einem Kinderrennen entdeckte, wurde im Jahr 2000 wegen überhöhter Blutwerte aus der Tour ausgeschlossen. Teamchef Mauro Gianetti und Manager Joxean Matxin zogen einst beim Skandalteam Saunier-Duval die Fäden, beteuerten aber stets ihre Unschuld.

So wird Pogacar, der Wunderknabe aus dem Dorf Komenda, auch künftig von Dopingfragen begleitet werden, weil es en vogue ist. Dabei böte die neue Radsportgeneration genug Stoff für große Geschichten. Denn Pogacar wird die Tour in den kommenden Jahren womöglich nicht dominieren wie einst Armstrong oder Chris Froome. Vorjahressieger Egan Bernal ist erst 23 und wird nach seinem persönlichen Tour-Drama mit dem vorzeitigen Aus reifer und stärker zurückkommen, und andere werden dazukommen.

Team Ineos Fahrer Egan Berna
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Vorjahressieger Egan Bernal war in Grenoble zum Start der 17. Etappe nicht mehr angetreten

Vielversprechende Angriffslust

Der Schweizer Etappensieger Marc Hirschi, nur einen Monat älter als Pogacar, begeisterte mit seiner Angriffslust bereits bei dieser Tour, und aus deutscher Sicht verspricht man sich viel vom 24-jährigen Etappensieger Lennard Kämna. Und dann wäre da noch Remco Evenepoel. Der 20-jährige Belgier kuriert gerade einen Beckenbruch aus und dürfte im kommenden Jahr sein Tour-Debüt geben.

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Most Combative rider of the @letourdefrance 😊

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Bei Evenepoel, dem „neuen Merckx“, ist allerdings ausgerechnet das Original zurückhaltend. „Man sollte bei Remco nicht zu voreilig sein, noch hat er nichts gezeigt. Er redet viel, aber ich warte immer noch“, sagte der 75-Jährige. Eine bessere Motivation, es mit Pogacar im kommenden Jahr aufzunehmen, dürfte es vermutlich nicht geben.