Jurij Rodionov
GEPA/Patrick Steiner
French Open

Rodionov wächst bei Debüt über sich hinaus

Jurij Rodionov (ATP-169.) ist bei seinem Grand-Slam-Debüt in der ersten Runde der French Open über sich hinausgewachsen. Der 21-Jährige setzte sich als Qualifikant am Sonntag gegen den um zwölf Jahre älteren Franzosen Jeremy Chardy nach Zweisatzrückstand und 4:42 Stunden noch überraschend mit 3:6 4:6 7:6 (8/6) 6:4 10:8 durch. In Runde zwei trifft Rodionov, der gegen Chardy erst den siebenten Matchball verwertete, am Mittwoch auf Norbert Gombos. Der ungesetzte Slowake bezwang Borna Coric (CRO/24) 6:4 3:6 6:3 6:4.

„Ich glaube, das kann man nicht in Worte fassen. Ich habe die ganzen viereinhalb Stunden Gänsehaut pur gehabt und ich bin megaglücklich, den Sieg nach Hause gebracht zu haben“, sagte Rodionov im ORF-TV-Interview unmittelbar nach dem Spielende.

Über den entscheidenden fünften Satz und seine sechs vergebenen Matchbälle meinte er: „Es ist unglaublich. Ich habe mich gefragt, ob ich nicht ganz bei Trost bin. Alles super bis zum Matchball, und plötzlich weiß ich nicht mehr, wie ich Tennis spielen soll. Ich habe sogar eine Vorhandauflage ins Netz versemmelt. Aber Ende gut, alles gut. Zum Glück.“

Rodionov nach Kampf in zweiter French-Open-Runde

Jurij Rodionov steht in der zweiten Runde der French Open. Nach einem Kampf über 4:42 Stunden setzte sich der Österreicher mit 3:6 4:6 7:6 6:4 10:8 gegen den Franzosen Jeremy Chardy durch.

In Bedrängnis zu Beginn

Rodionov gab sich bei seinem Grand-Slam-Debüt nervenstark. Wiewohl der 21-Jährige, der in der dritten und letzten Qualirunde seinen steirischen Landsmann Sebastian Ofner bezwungen hatte, verhalten gestartet war. Bei Wind, Feuchtigkeit und kühlen Temperaturen um acht Grad lief sein Motor erst später auf Hochtouren. Den ersten Breakball gleich im ersten Servicegame wehrte er aber mit einem gefühlvollen Stoppball ab, den zweiten mit einem Ass. Das Game holte sich Rodionov, aber er blieb in Bedrängnis. Der um zwölf Jahre ältere Chardy (ATP-Nr.64) wirkte gelassen und so, als hätte er alles im Griff.

Jeremy Chardy
Reuters/Christian Hartmann
Der 33-jährige Jeremy Chardy fand in ÖTV-Debütant Jurij Rodionov letztlich seinen Meister

Probleme beim Aufschlag

Bei eigenem Aufschlag hatte Chardy keine Probleme, im Gegensatz zu Rodionov, der auch in der Folge zu kämpfen hatte. Dennoch holte er Punkt um Punkt und bot dem Franzosen trotz der Serviceprobleme auf dem langsamen Untergrund die Stirn, obwohl Chardy – vor allem beim zweiten Aufschlag – klar im Vorteil war. Eine kurze Regenunterbrechung beim Stand von 3:4 aus Rodionovs Sicht änderte daran nichts. Die erste Breakchance nach Wiederbeginn nützte Chardy zum 5:3. Zwar musste Chardy in der Folge noch zwei Breakbälle abwehren, aber der Satz war für Rodionov nach 43 Minuten mit 3:6 verloren.

Rodionov – Chardy: Highlights des ersten Satzes

Wachsende Hoffnungen

Im zweiten Satz ging es zunächst mit dem Aufschlag weiter. Die wichtige Breakchance im zweiten Satz bei 2:1 und 40:30 vergab Rodionov mit einem schlecht platzierten Vorhandschlag, Chardy brachte das Game ins Trockene und erarbeitete sich daraufhin seinerseits zwei Breakchancen. Die zweite verwertete er, Rodionov haderte. Würde ihm das Comeback gelingen? Tatsächlich schaffte er postwendend das Rebreak zum 4:4. Damit allerdings war Rodionovs Pulver sprichwörtlich verschossen. Das nächste Servicegame gab er sogar zu null ab, während Chardy relativ problemlos mit dem zweiten Ass zur 2:0-Satzführung ausservierte.

Rodionov – Chardy: Highlights des zweiten Satzes

Trotz aller Bemühungen blieb Rodionov zunächst im Hintertreffen. Im ersten Servicegame musste er zwei Breakbälle abschmettern, um auf 1:0 zu stellen. Seine Probleme beim ersten Aufschlag zogen sich wie ein roter Faden durchs Match. Aber wie aus dem Nichts nahm er Chardy in der Folge den Aufschlag ab und stellte zugleich auf 2:0. Rodionov, ein Schützling von Trainer Wolfgang Thiem, atmete tief durch. Auf eine Wende warteten die Fans vergeblich, spannend blieb es. Das Rebreak folgte sofort. Mit abwechselnd Break und Rebreak ging es in diesem ungewöhnlichen Satz bis 5:5 und bis zum Tiebreak weiter, das Rodionov nach zwei abgewehrten Matchbällen mit dem ersten Satzball für sich entschied.

Rodionov – Chardy: Highlights des dritten Satzes

Unaufhaltbare Trendwende

Rodionov hatte sich aufgebäumt und legte nach. Bei 1:1 nützte er den zweiten Breakball zum 2:1 im vierten Satz. Während Chardy wankte, wirkte Rodionov immer zuversichtlicher. Doch Rodionov machte sich das Spiel weiter selbst schwer. Durch Eigenfehler ermöglichte er Chardy das Rebreak zum 3:3, er kämpfte aber weiter und nahm Chardy erneut den Aufschlag ab. Bei eigenem Service bestätigte Rodionov in der Folge die Führung und zog zugleich auf 5:3 im vierten Satz davon. Nach 3:09 Stunden war der Satzausgleich für Rodionov geschafft.

Rodionov – Chardy: Highlights des vierten Satzes

Nervenkitzel im fünften Satz

Den Schwung nahm der 21-Jährige in den entscheidenden Satz mit. Mit dem Break zum 1:0 setzte er Chardy, der nun völlig außer Tritt wirkte, früh unter Druck und zog auf 2:0 davon. Der Franzose hatte dem nun druckvollen Spiel Rodionovs vermeintlich nichts mehr entgegenzusetzen und zunächst keine Chance auf das rettende Rebreak. Rodionov dagegen wuchs über sich hinaus, punktete zum Teil spektakulär von der Grundlinie und auch am Netz und profitierte nicht zuletzt von den Fehlern Chardys. Nach zwei vergebenen Matchbällen Rodionovs bei 5:4 hatte Chardy plötzlich doch Chancen aufs Rebreak und nützte die zweite sogar.

Rodionov – Chardy: Fünfter Satz

Die Antwort blieb Rodionov nicht schuldig – wieder Break. Nach dem vierten Matchball (Doppelfehler beim dritten) kassierte Rodionov aber erneut das Rebreak – die Spannung war auf dem Höhepunkt. Chardy oder Rodionov, wer würde jetzt die Nerven bewahren? Körperlich schienen beide am Limit. Jeder Punkt war hart umkämpft. Bei 7:6 aus Chardys Sicht stand Rodionov bei eigenem Service erstmals besonders unter Druck. Der Österreicher hielt dagegen und hatte letztlich den längeren Atem. Das Break zum 9:8 war die Vorentscheidung, jubeln durfte Rodionov erst nach seinem insgesamt siebenten Matchball.