Dominic Thiem (AUT)
APA/AFP/Anne-Christine Poujoulat
Tennis

Thiems Lehren aus der „Achterbahnfahrt“

Die emotionale Achterbahnfahrt von Dominik Thiem mit dem Titel bei den US Open als Höhepunkt ist am Dienstag mit dem Viertelfinal-Aus bei den French Open gegen Diego Schwartzman zu Ende gegangen. Obwohl in den nächsten zwei Wochen mehrere Turniere anstehen, gönnt sich Österreichs Nummer eins bis zu den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle eine Pause. Die Zeit bis zum Heimturnier nutzt der 27-Jährige zum Aufladen der Batterien und zur Reflexion der vergangenen, aufregenden Wochen.

Zum insgesamt 18. Mal in seiner Karriere hatte Thiem eine Partie über fünf Sätze absolvieren müssen. In Paris war es das zweite Mal en suite. Nur zwei Tage nachdem der Niederösterreicher den Franzosen Hugo Gaston in fünf Sätzen niedergerrungen hatte, musste er auch gegen seinen argentinischen Freund Schwartzman über die volle Distanz. Neu war für Thiem allerdings die Spielzeit: Über fünf Stunden war er noch nie auf dem Platz gestanden. „Es war ein besonderes Match, eine richtige Achterbahnfahrt“, sagte Thiem, auch wenn letztendlich das Happy End wie etwa im US-Open-Finale fehlte.

Die zwei Marathonmatches in Folge bewiesen jedoch, dass Thiem in Sachen Fitness zu den Vorzeigeschülern auf der Tour zählt. „Es stimmt mich zuversichtlich für zukünftige Grand-Slam-Turniere, dass ich – auch wenn ich mich nicht mehr tipptopp fühle – trotzdem über fünf Stunden auf einem sehr hohen Level spiele“, sagte der Niederösterreicher, „es ist natürlich auch ein unglaublicher Erfahrungswert.“ Abgesehen vom fünften Satz („Da bin ich ein bisschen eingegangen“) habe es körperlich keine großen Probleme gegeben.

Dominic Thiem (AUT)
GEPA/Patrick Steiner
Gegen Schwartzman jagte Thiem auch nach fünf Stunden noch fast jedem Ball hinterher

Für seine Fitness erhielt Thiem auch von ausgewiesenen Experten wie Patrick Mouratoglou, dem Coach von Serena Williams, viel Lob. „Viele fragen sich, wie er noch so viel Energie haben kann. Schaut euch an, wie der Mann trainiert, seine Intensität, seine Arbeitsethik, und ihr werdet diese Frage nicht mehr stellen“, twitterte der Trainer der 23-fachen Gewinnerin von Einzel-Titeln bei Grand Slams, der in Frankreich auch eine eigene Akademie betreibt.

Herbstwetter zehrt an Kräften

Trotz seiner Fitness, die ihm auch dabei half, die kurze Pause zwischen US Open und French Open gut zu nutzen, musste sich Thiem eingestehen, dass zwei Major-Turnier in kurzem Abstand eine besondere Herausforderung darstellen. Vor allem, wenn es mehrmals über fünf Sätze geht. Thiem konstatierte, ihm habe sowohl gegen Gaston als auch gegen Schwartzman „ein ganz kleiner Teil von meiner Intensität gefehlt“.

Die Auf und Abs seien in einem Fünfsatzmatch normal, dennoch seien es laut Thiem mehr gewesen als noch in Flushing Meadows. In New York hatte Österreichs Nummer eins aber auch nur im Finale die volle Distanz bestreiten müssen. „In den ersten drei Runden (in Paris, Anm.) habe ich das (Auf und Abs, Anm.) gar nicht gehabt, in der vierten Runde habe ich mich irgendwie rausgefightet.“ Auch gegen Schwartzman sei das fast noch gelungen. „Aber irgendwann, je später es in einem Grand Slam geht, wird dann einfach der Gegner zu stark.“

Neben den fünf Stunden auf dem Platz waren auch die äußeren Verhältnisse eine neue Erfahrung. Anstelle frühlingshafter Temperaturen müssen die Spielerinnen und Spieler aufgrund der coronavirusbedingten Verschiebung in den Oktober – wo normalerweise bereits verstärkt in der Halle gespielt wird – mit herbstlichen Verhältnissen zurechtkommen. Die kühle Temperatur, auch wenn das für alle Spieler gelte, koste „richtig Kraft“, so Thiem. „Man spielt mit einer unglaublichen Intensität, dann ist der Seitenwechsel, und wenn man aufsteht, ist man ein bisserl steif, es ist kalt. Es sind für jeden Spieler brutale Bedingungen, aber das ist halt so im Oktober in Paris.“

Dominic Thiem (AUT)
GEPA/Patrick Steiner
Die Pausen wurden bei den herbstlichen Temperaturen in Paris zur Herausforderung

US-Open-Titel wird verspätet gefeiert

Bekommen die Politik bzw. die Gesundheitsbehörden die Coronavirus-Pandemie in den Griff, dann werden die French Open 2021 wieder am angestammten Termin Ende Mai bzw. Anfang Juni stattfinden. Bis dahin behält Thiem dank der ATP-Sonderregel die 1.200 Punkte des 2019er-Endspiels im Ranking. Seine 1.200 Zähler vom Australian-Open-Finale stehen hingegen schon davor auf dem Spiel: beim nächsten Major im Jänner, für das schon jetzt umfassende Sicherheits- und Quarantänebestimmungen bekannt sind.

Bevor sich Thiem mit dem nächsten Major-Turnier beschäftigt, wird er mit Verspätung seinen ersten Grand-Slam-Titel, jenen bei den US Open, feiern. „Das habe ich ja noch gar nicht gemacht“, sagte Thiem, der nun zweieinhalb Wochen Zeit bis zur Titelverteidigung in Wien hat. Danach stehen noch das Masters-1000-Event erneut in Paris, diesmal im Osten in der Halle in Bercy, sowie die ATP-Finals in London auf dem Plan – wenn es das Coronavirus zulässt. „Man weiß jetzt nicht, was alles stattfindet. Ich habe gehört, Paris wird noch diskutiert, aber es soll eher stattfinden als nicht, genau das Gleiche gilt, glaube ich, auch für London.“