Gerd Müller
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Chronik

Stilles Fest für Gerd Müller

Gerd Müller war der erfolgreichste Fußballer in Deutschland, kein Spieler hat mehr Bundesliga-Tore erzielt als der ehemalige Bayern-Star. Am Dienstag wurde er 75 Jahre alt. Müller ist schwer krank, er „schläft seinem Ende entgegen“, wie seine Frau Uschi erzählte.

„Er ist immer ein Kämpfer gewesen, war immer tapfer, sein ganzes Leben lang. Das ist er auch jetzt“, sagte sie der „Bild“-Zeitung über ihren an Alzheimer erkrankten Mann, der in einem Pflegeheim lebt.

„Er ist ruhig und friedlich, muss, glaube ich, auch nicht leiden. Er schläft langsam hinüber“, sagte Uschi Müller. „Ich hoffe, dass er nicht nachdenken kann über sein Schicksal, über eine Krankheit, die dem Menschen die letzte Würde raubt.“ Sie besuche ihren Mann täglich im Pflegeheim. Auch am Geburtstag wollte sie versuchen, ihn „mit langsamen, deutlichen Worten zu unterhalten. Mit ihm Fernsehen schauen.“

365 Tore in 427 Spielen

Als Fußballer war der nur 1,76 Meter große Angreifer der König des Strafraums. Wenn er in Tornähe an den Ball kam, schwante den Gegnern Böses. Und es „müllerte“ in fast jedem Spiel. Müller erledigte seinen Job auf unnachahmliche Weise: Er traf blitzschnell aus der Drehung, im Fallen und im Sitzen, mit links oder rechts und mit dem Kopf. Ganz egal. Der Sechzehner war sein Reich.

Torschuss von Gerd Müller
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Müller traf aus allen Lagen

„Gerd Müller war der allergrößte Stürmer, den wir in Deutschland hatten“, sagte DFB-Teamchef Joachim Löw zu dessen 70. Geburtstag. Dieses Urteil gilt auch fünf Jahre später. Schon der damalige Ehrentag des Weltmeisters (1974), Europameisters (1972) und des mit Abstand erfolgreichsten Torschützen der deutschen Bundesliga (365 Tore in 427 Partien) musste wegen der Krankheit ohne große Feierlichkeiten begangen werden.

„Ein feiner Mensch“

Der FC Bayern hatte die Alzheimer-Erkrankung wenige Wochen vor Müllers 70. Geburtstag publik gemacht, auch zum Schutz der Familie vor unzähligen Medienanfragen. Das Schicksal des von vielen nur „Bomber“ genannten Müller hat über die Fußballszene hinaus viele Menschen in Deutschland berührt.

Gerd Müller
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Einer der letzten öffentlichen Auftritte mit Lothar Matthäus (r.)

Uwe Seeler, in der Nationalmannschaft lange Sturmkollege Müllers, sprach von Traurigkeit. Uli Hoeneß nannte das Los des alten Freundes furchtbar. Für den Vereinspatron war „der Gerd“ stets mehr als ein großartiger Fußballer. Er sei vor allem „ein feiner Mensch“.

Probleme abseits des Platzes

Hoeneß, der in den großen Bayern-Zeiten in den 1970er Jahren an der Seite Müllers stürmte, zählte zu denen, die auch in der größten Lebenskrise des sportlich so erfolgreichen Kollegen da waren und entschlossen halfen. Denn das Leben abseits des Rasens beherrschte Müller nicht so gut wie den Ball und die Gegner im Strafraum.

Der Sieg über seine Alkoholkrankheit Anfang der 1990er war der vermutlich wichtigste in seinem Leben. „Nach vier Wochen bin ich aus der Kur gekommen. Es in so kurzer Zeit zu schaffen, das war schon eine Leistung“, erzählte Müller später mit Stolz.

„Der wichtigste Spieler“

Trotz Franz Beckenbauer, trotz Uli Hoeneß – den steilen Aufstieg zur Nummer eins im deutschen Vereinsfußball hatte der FC Bayern besonders Müllers Toren zu verdanken. „Was der FC Bayern heute darstellt, mit diesem Palast an der Säbener Straße – ohne Gerd Müller wären die Leute da immer noch in dieser Holzhütte von damals“, lautet ein Satz, mit dem der kürzlich 75 Jahre alt gewordene Beckenbauer gerne Müllers Bedeutung beschreibt: „In meinen Augen ist er der wichtigste Spieler in der Geschichte des FC Bayern.“ Beckenbauer nennt Müller ein „Phänomen“. Als Zimmerkollege „war Gerd wie ein Bruder für mich“.

Das Einzigartige hat auch Miroslav Klose stets betont. Als er Müller kurz vor der WM 2014 in Brasilien nach 40 Jahren als Rekordtorjäger der deutschen Nationalelf ablöste, sagte Klose: „Gerd Müller darf man mit keinem anderen Stürmer vergleichen.“ Der heutige Assistent von Bayern-Coach Hansi Flick führt die DFB-Rangliste mit 71 Treffern an. Klose benötigte für die Bestmarke aber 137 Länderspiele. Müller traf in nur 62 Partien für Deutschland 68-mal – eine phänomenale Quote von 1,1 Treffern pro Einsatz.

Das Tor für die Ewigkeit schoss er am Ende seiner früh beendeten DFB-Karriere. Im WM-Finale 1974 erzielte er im Münchner Olympiastadion das 2:1 gegen die Niederlande. „Ich habe schönere Tore gemacht, aber das wichtigste war dieses Weltmeistertor“, sagte er.

„Keiner, der gerne weg von zu Hause ist“

Als Müller 1964 als 18-Jähriger vom schwäbischen Amateurligisten TSV 1861 Nördlingen zum FC Bayern wechselte, wurden seine Tore mit einem Grundgehalt von 160 Mark im Monat entlohnt. Heutzutage würde er mit Millionen Euro überschüttet.

Müller war ein Weltstar, aber keiner für Glamour und Rote Teppiche. Schlagzeilenträchtige Interviews bekamen Reporter von ihm eher nicht. „Den Franz“ beneidete er nie um dessen Status als Lichtgestalt. Beckenbauer hetzte auch nach der Spielerkarriere weiter um die Welt. „Ich bin keiner, der gerne weg von zu Hause ist“, sagte Müller, als es ihm noch besser ging.