Dominic Thiem jubelt
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ATP-Finals

Thiem zieht nach Krimi ins Finale ein

Dominic Thiem hat am Samstag in London zum zweiten Mal in Folge das Endspiel bei den ATP-Finals erreicht. Der Österreicher schlug in einem Tenniskrimi den Weltranglistenersten Novak Djokovic nach 2:54 Stunden mit 7:5 6:7 (10/12) 7:6 (7/5). Im Finale des Turniers der acht besten Spieler des Jahres wartet am Sonntag (19.00 Uhr MEZ) der Russe Daniil Medwedew, der im zweiten Semifinale Rafael Nadal mit 3:6 7:6 (7/4) 6:3 bezwang.

Im hochdramatischen Match gegen Djokovic hatte Thiem im zweiten Satz vier Matchbälle nicht nutzen können. Dennoch blieb er spielerisch bei sich, verwandelte im Tiebreak des entscheidenden dritten Satzes sogar ein 0:4 in ein 6:4 und holte sich schließlich den Sieg.

In seinem zwölften Duell mit dem Serben ging der 27-jährige Niederösterreicher damit zum fünften Mal insgesamt, aber auch zum fünften Mal in den letzten sieben Duellen als Sieger vom Platz. Der US-Open-Champion aus Österreich ist damit neben Andy Murray (GBR) der einzige Spieler, der gegen alle drei Tennislegenden Roger Federer, Rafael Nadal und Djokovic zumindest fünf Siege errungen hat. Gegen Federer steht es 5:2, gegen Nadal 6:9, gegen Djokovic jetzt eben 5:7.

Thiem nach Krimi im London-Finale

Dominic Thiem hat bei den ATP-Finals in London zum zweiten Mal in Folge den Einzug ins Finale geschafft. Der Österreicher besiegte den Weltranglistenersten Novak Djokovic nach einem Krimi in drei Sätzen.

„Ein mentaler Kampf“

„Es war ein mentaler Kampf“, sagte der Österreicher in seiner ersten Stellungnahme noch auf dem Platz. „Gegen diese Legenden zu spielen, ist immer etwas Besonderes, ebenso wie um den Finaleinzug zu spielen. Es war ganz eng. Das Match war auf des Messers Schneide, die Besten der Welt spielen hier. Ich bin nur glücklich, weitergekommen zu sein und versuche, für morgen ready zu sein.“

Djokovic zollte seinem Kontrahenten Respekt. „Was er bei 0:4 im Tiebreak gemacht hat, war unwirklich“, sagte der Serbe. „Ich glaube nicht, dass ich schlecht gespielt habe. Ich habe alle meine ersten Aufschläge reingebracht. Er hat einfach auf die Bälle draufgefetzt und alles ist reingegangen. Was kann man da tun?“, sagte Djokovic. „Ich muss einfach meinen Hut ziehen und sagen: ‚Gratuliere.‘“ Djokovic hat damit seinen angestrebten sechsten ATP-Finals-Titel verpasst, womit er mit Rekordsieger Roger Federer gleichgezogen wäre.

Novak Djokovic und Dominic Thiem
AP/Frank Augstein
Im Duell zweier Weltklassespieler durfte am Ende Dominic Thiem (r.) die Gratulation von Djokovic entgegennehmen

Mit dem Halbfinalerfolg hat Thiem unterdessen auch 800 ATP-Zähler und 861.000 US-Dollar (726.000 Euro) Preisgeld brutto sicher. Im Finale geht es um weitere 500 Punkte und zusätzliche 550.000 Dollar für Thiem. Eine weitere Verbesserung im ATP-Ranking wird Thiem jedoch auch mit einem möglichen Finalerfolg nicht schaffen.

Verhaltener Beginn

Thiem kam, wie schon bei der Niederlage im letzten Gruppenspiel am Donnerstag gegen den Russen Andrej Rublew, etwas verhalten aus den Startblöcken. Der Niederösterreicher, der in der Gruppe „London 2020“ zuvor Nadal und Stefanos Tsistipas besiegt hatte, benötigte einige Minuten, um seine Betriebstemperatur anzuheben. Thiem reagierte bei den meisten Ballwechseln, anstatt zu agieren.

Der Feinabstimmung kam Thiem dann im sechsten Game näher, als er einen 0:30-Rückstand, auch mit Hilfe seines guten ersten Aufschlags, noch in einen Game-Gewinn drehen konnte. Allerdings konnte Thiem im nächsten Game auch eine 30:0-Führung bei Aufschlag Djokovic nicht in ein Break ummünzen.

Thiem wird präziser

Ohne Zuschauer verlief das Spiel im ersten Satz auffällig ruhig. Beide Spieler agierten fokussiert, verzichteten auf Mätzchen oder Jubelgesten jeder Art. Manchmal haderte der Österreicher mit misslungenen Schlägen nach gut gespielten längeren Ballwechseln, dennoch schien der erste Satz auf ein Tiebreak zuzusteuern.

Doch Thiems Vorhandbälle wurden präziser und wuchtiger und bei 5:5 konnte er prompt seinen ersten Breakball auch nutzen, als Djokovic einen Return nicht über das Netz brachte. Thiem servierte im Anschluss ruhig aus und mit einem Ass holte er sich nach 51 Minuten den ersten Satz.

Weltklassespieler belauern einander

Die nächste Breakchance für Thiem bot sich bei 2:2 im zweiten Satz, doch diesmal schlug der Österreicher ins Netz und nannte sich, gut hörbar über die Platzmikrofone in der leeren O2-Arena, selbst: „So dämlich.“ Djokovic ließ sich auch nicht zweimal bitten und sicherte sich seinen Punkt zur 3:2-Führung.

Der Serbe, der wenig spektakuläre Punkte lieferte, hatte im zweiten Durchgang seine Taktik ein wenig geändert und versuchte nun, durch präzise Schläge an die Linien Thiem mehr zu beschäftigen. Aber der Weltranglistendritte zog sein Spiel durch und bewies einmal mehr, dass er in den letzten Monaten zu einem kompletten Weltklassespieler geworden ist.

Vier Matchbälle nicht genutzt

Bei 5:6 und 15:40 nach etwas zu viel Risiko im Spiel sah er sich dann plötzlich zwei Satzbällen von Djokovic gegenüber. Mit guten Aufschlägen, seiner peitschenartigen Rückhand und viel Selbstvertrauen entzog sich Thiem jedoch dem drohenden Satzverlust und schaffte es ins Tiebreak.

Dort drehte Djokovic ein 0:2 in ein 4:2, und es entwickelte sich ein wahrer Tiebreak-Thriller. Vier Matchbälle, davon zwei bei eigenem Aufschlag, konnte Thiem, der dabei auch einen Doppelfehler produzierte, jedoch nicht nutzen. So ging der zweite Satz nach zwei Stunden mit 12:10 im Tiebreak an den serbischen Weltranglistenersten. Der Österreicher brachte sich so um die Früchte des Erfolges nach einem an und für sich gut gespielten zweiten Satz.

Trendwende bei 0:4 im Tiebreak

Die vier vergebenen Matchbälle nagten jedoch nicht lange an dem Österreicher, der sich das erste Game im entscheidenden dritten Satz bei eigenem Aufschlag zu null holte. Allerdings stand Djokovic Thiem in nichts nach und glich immer wieder souverän aus. Überhaupt trat der Serbe ungewöhnlich ruhig und gefasst auf.

Dominic Thiem
AP/Frank Augstein
Thiem stellte einmal mehr seine neue Stärke, in den entscheidenden Momenten präsent zu sein, eindrucksvoll unter Beweis

Beide Spieler brachten mehr oder weniger ungefährdet ihre Services durch. So musste nach 2:45 Stunden das zweite Tiebreak dieses Ringens auf höchstem Tennisniveau die Entscheidung bringen. Das begann der Österreicher mit einem Doppelfehler und lag rasch 0:4 hinten. Doch wieder einmal bewies Thiem welchen Reifeprozess er zuletzt durchlaufen hat, wurde nie nervös, glaubte an seine Stärken und schaffte sechs Punkte in Folge. Schließlich nutzte er seinen sechsten Matchball zum Einzug ins Finale.

Für das Endspiel des früher als „Masters“ bekannten Turniers verspricht der Weltranglistendritte aus Österreich jedenfalls wieder „Thiem-Tennis“ in Reinkultur: „Ich werde alles versuchen, den Titel zu gewinnen. Wir werden auf jeden Fall einen Premierensieger haben. Es wird ein hartes, spezielles Match werden, und wir werden versuchen, eine große Show zu liefern.“

ATP World Tour Finals in London

(Großbritannien, 5,7 Mio. Dollar, Halle, Hartplatz)

Einzel-Bewerb

Semifinale:
Dominic Thiem (AUT/3) Novak Djokovic (SRB/1) 7:5 6:7 (10/12) 7:6 (7/5)
Daniil Medwedew (RUS/4) Rafael Nadal (ESP/2) 3:6 7:6 (7/4) 6:3