Nicole Schmidhofer (AUT)
AP/Gabriele Facciotti
Ski alpin

Schmidhofer-Sturz überschattet Abfahrt

In der ersten Damen-Abfahrt des WM-Winters am Freitag in Val d’Isere ist das Ergebnis zur Nebensache geworden. Das Rennen auf der OK-Piste wurde von einem schweren Sturz von Nicole Schmidhofer überschattet, die bei über 100 km/h durch das Fangnetz geschleudert wurde. Zwar wurde nach einer Erstversorgung vorsichtig Entwarnung gegeben, wie es der Steirerin wirklich geht, ist aber noch nicht bekannt.

Der Schockmoment des Tages passierte kurz nach der dritten Zwischenzeit. Die als Nummer elf gestartete Schmidhofer wurde von der Strecke abgetrieben und schlitterte in die abweisende Plane am Pistenrand. An der Stelle, wo die Plane in ein herkömmliches Fangnetz übergeht, zerschnitten die scharfen Kanten der Ski das Gewebe und verschwand aus dem Blickfeld. Nicht nur ihren Teamkolleginnen im Ziel stockte der Atem.

Schmidhofer hatte dabei offenbar Riesenglück im Unglück: Die Speed-Spezialistin verfing sich in der Schutzvorrichtung und blieb für die Kameras verborgen zwischen zwei Netzen liegen. Das erschwerte die Bergung, gleichzeitig wurde damit ein Fall der Rennläuferin in den Wald verhindert. Die 31-Jährige wurde – außerhalb des Blickfeldes der TV-Kameras – noch an Ort und Stelle erstversorgt und per Ackja ins Ziel transportiert.

1. Corinne Suter (SUI)
2. Sofia Goggia (ITA)
3. Breezy Johnson (USA)

Die Steirerin war dabei bei Bewusstsein. Laut Damen-Chef Christian Mitter habe Schmidhofer über Schmerzen im linken Knie geklagt und Abschürfungen im Gesicht erlitten, sie werde derzeit routinemäßig auch an Kopf und Wirbelsäule untersucht. Zum Sturz der Super-G-Weltmeisterin von 2017 meinte der Cheftrainer: „Es ist sich nicht mehr ausgegangen. Dann war das Netz da. Den Rest müssen wir uns noch genauer am Video anschauen.“ Detail am Rande: Schmidhofer funkte vor ihrem Abtransport ins Spital sogar noch Hinweise zur Schlüsselstelle an ihre Teamkolleginnen am Start.

Mehrere Stürze an gleicher Stelle

Wie tückisch diese Stelle der OK-Piste, auf der vergangene Woche auch die Herren gefahren waren, ist, zeigten Federica Brignone und Joanna Hählen. Sowohl die Weltcup-Gesamtsiegerin aus Italien, als auch die Schweizerin kamen wie Schmidhofer in der Kompression nach einer Linkskurve, in der Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h erreicht werden, zu Sturz. Beide wurden aber vom Netz gebremst und blieben allem Anschein nach unverletzt. Auch die Schnellste im ersten Training, die Amerikanerin Alice McKennis Duran, kam zu Sturz.

Die Jury reagierte auf die Unfälle an ein und derselben Stelle. Das Einfahrtstor in den „Schlauch“, der unter anderem Schmidhofer zum Verhängnis wurde, werde für die zweite Abfahrt am Samstag etwas versetzt, damit der Winkel zum Netz etwas flacher werde. Die Piste sei in einem guten Zustand, es sei ein bisschen schneller als im Training gewesen, so ÖSV-Cheftrainer Mitter.

Suter schnappt sich Sieg

Das Ergebnis wurde angesichts der Geschehnisse zur Nebensache. Den Sieg holte sich Corinne Suter. Die 26-jährige Schweizerin, die vergangene Saison Schmidhofer als Gewinnerin der Abfahrtskugel abgelöst hatte, setzte sich 0,11 Sekunden vor der italienischen Olympiasiegerin Sofia Goggia durch. Suter feierte ihren zweiten Abfahrtssieg nach jenem heuer im Jänner in Altenmark-Zauchensee und ihren dritten Erfolg im Weltcup insgesamt. Als Dritte durfte sich die Schnellste des zweiten Trainings Breezy Johnson aus den USA über ihren ersten Podestplatz freuen (+0,20).

Suter gewinnt Abfahrtsauftakt

Die Schweizerin unterstreicht ihre Rolle als Titelverteidigerin im Abfahrtsweltcup und schnappt sich den Sieg im ersten Rennen der Saison

Als beste Österreicherin landete Nina Ortlieb mit 0,97 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit auf dem fünften Platz. Die 24-Jährige war eine jene Läuferinnen, die mit der gestürzten Schmidhofer per Funk sprechen konnten. „Ich habe den Sturz nicht mehr gesehen, weil ich ja zwei Nummern dahinter kam. Ich war dann aber sehr erleichtert, als ich sie am Funk hörte. Sie hat gesagt, die Piste ist in Ordnung, man kann attackieren“, so die Vorarlbergerin. „Wie ich es eingeschätzt habe: Zu gewinnen wird noch schwierig. Ich hoffe, dass morgen wieder ein Topergebnis möglich ist“, sagte sie zu ihrer Fahrt. Ortlieb hatte wegen einer Knieverletzung in diesem noch kurzen Winter bereits pausieren müssen.

Tippler übertrifft Erwartungen

Auch Tamara Tippler, die in der Vorbereitung mit einer Coronavirus-Infektion zu kämpfen hatte, klassierte sich als Siebente (+1,25) im Spitzenfeld. „Ich habe die Zähne zusammengebissen. Mit Rennfeeling und Adrenalin geht schon etwas. Aber das Timing fehlt noch. Es gibt noch Luft noch oben“, zeigte sich die Steirerin im ORF-Interview aber dennoch zufrieden. Immerhin hatte sie ihr Ziel eines Top-15-Platzes klar erreicht: „Ich hatte keine utopische Ziele für heute, ich habe morgen nochmals eine Chance und werde attackieren.“

Stephanie Venier, die in der Vorbereitung ebenfalls eine CoV-Erkrankung zu überstehen hatte, zeigte sich als Zwölfte gegenüber den Trainingsläufen stark verbessert. Mirjam Puchner, im letzten Training noch Zweite, musste sich im Rennen – so wie auch Ramona Siebenhofer – mit einem Platz außerhalb der Top 20 begnügen. Am Samstag steht auf der OK-Strecke erneut eine Abfahrt auf dem Programm (10.30 Uhr, live in ORF1 und im Livestream).