Michaela Dorfmeister
APA/Georg Hochmuth
Ski alpin

Dorfmeister sorgt sich um Rennsport

Michaela Dorfmeister sorgt sich um den Skirennsport in Österreich. Die Doppelolympiasiegerin hofft, dass die Coronavirus-Pandemie nicht für verlorene Jahrgänge sorgt. Sie sieht aber auch generell das Problem, dass immer weniger Jugendliche die Mühen und Entbehrungen des professionellen Skitrainings auf sich nehmen wollen.

„Zumindest die Masse und die Dichte, dass aus einem Jahrgang vier oder fünf Siegläufer hervorgehen, können wir uns abschminken“, so Dorfmeister. Auf dem Papier ist Österreich spätestens seit der vergangenen Saison tatsächlich nicht mehr Skination Nummer eins. Das hat nicht zuletzt auch mit dem Rücktritt von Seriensieger und Punktelieferant Marcel Hirscher zu tun.

Aber auch in diesem Winter rangiert das ÖSV-Team nach dem ersten Weltcup-Viertel sieglos nur auf den Plätzen drei (Damen) bzw. vier (Herren). Bei den Damen liegen die Schweiz und Italien vor Österreich. Bei den Herren ist ebenfalls die Schweiz voraus, hier vor Norwegen und Frankreich.

Auch regionale Probleme

Besonders im Herren-Riesentorlauf läuft es in der Nach-Hirscher-Ära schlecht. Dorfmeister („Es ist traurig“) fürchtet, dass das die Folge einer vorangegangenen Entwicklung sein könnte. „Aber da will ich mich nicht äußern. Sonst heißt es, es reden alle mit wie sonst im Fußball“, sagte die 47-jährige Ex-Rennläuferin, die Rapid-Präsidiumsmitglied ist, wenige Tage vor den Damen-Heimrennen auf dem Semmering.

Die ehemalige österreichische Skifahrerin Michaela Dorfmeister mit ihren 2 Medaillien von den olympischen Winterspielen 2006.
GEPA/Mario Kneisl
In Turin holte Dorfmeister 2006 zweimal Olympia-Gold

Als Vizepräsidentin im niederösterreichischen Skiverband hat die frühere Weltcup-Läuferin und Olympiateilnehmerin auch mit regionalen Problemen zu kämpfen, weil dem Skinachwuchs im Osten Österreichs gewisse Möglichkeiten fehlen. „Wir tun uns von unten rauf immer schwerer, Athleten auf ein gewisses Niveau zu bringen. Unsere Rennläufer sind zuletzt in einer Woche tausend Kilometer gefahren, um ein bisschen Skifahren zu können. Man muss also wirklich viele Strapazen auf sich nehmen. Bei mir ist der A-Kader von fünf auf zwei geschmolzen, weil drei aufgehört haben.“

„Immer schon ein brutaler Sport“

Dorfmeister weiß, wovon sie spricht. Sie musste als Niederösterreicherin Zehntausende Autokilometer pro Jahr zurücklegen, um es als „Flachländerin“ in den ÖSV-Kader zu schaffen. 2006 trat sie nach 14 Jahren und 25 Weltcup-Siegen als Doppelolympiasiegerin und -weltmeisterin sowie Gesamtweltcup-Siegern (2002) zurück. Die Mutter einer Tochter hofft, dass nun – ähnlich wie zuletzt in Lech/Zürs – auch auf dem Hochkar eine Struktur für Skirennsport entsteht. Die aktuellen Pläne hat das Coronavirus auf die lange Bank geschoben.

Natürlich tue sich der Nachwuchs in Salzburg oder Tirol leichter, so Dorfmeister. Sie sehe aber ein generelles Problem, das alle betreffe. „Skifahren war immer schon ein brutaler Sport. Nicht lustig, wenn du ihn professionell betreibst. Aufwendig, teuer, man hat keine Freizeit, kaum eine Gaudi. Die drei Hauptthemen sind Trainieren, Essen, Schlafen und dann wieder Trainieren. Das tut sich die Jugend heute leider nicht mehr an“, so Dorfmeister. „Da braucht es extreme Individualisten und Fanaten.“

Und das auch im Familienumfeld. „Aber die Eltern, die mit ihren Kindern durch ganz Österreich fahren, kannst du an einer Hand abzählen. Die Bevölkerung ist bequem geworden“, so die Riesentorlauf-Vierte vom Semmering 2000, dass zugenommene Mobilität, Soziale Netzwerke usw. ihren Preis haben. In vielen Skigebieten sei zudem mittlerweile im Sommer mehr los als im Winter. Auf die neue ÖSV-Führung komme also einiges zu, glaubt Dorfmeister.

„Vieles könnte wegbrechen“

Nachdem mit Kathrin Zettel eine Niederösterreicherin auf dem Semmering zweimal (2006 und 2008) den RTL gewonnen hat, sind mit Katharina Gallhuber und Katharina Huber bei den diesjährigen Semmering-Rennen immerhin erneut zwei Niederösterreicherinnen am Start. Bezüglich den Generationen dahinter hofft Dorfmeister, dass das Coronavirus-Jahr kein böses Erwachen im Nachwuchssport bringt.

„Ich habe echt Sorge, dass da wegen Corona vieles wegbrechen könnte“, fürchtet sie. „Wenn ich als Kind zwölf oder 13 bin und trainiere wie verrückt und dann habe ich plötzlich ein Jahr lang keine Wettkämpfe mehr, frage ich mich natürlich, wozu ich mich überhaupt so quäle.“ Das, so Dorfmeister, sei mittlerweile schon fast in jeder Sportart so. „Alle sitzen fast nur noch daheim. Aber wenn du gewohnt bist, in einer Mannschaft zu trainieren, und dann darfst du das auf einmal nicht mehr, hat das extreme Auswirkungen.“