Matthias Mayer beim Zielsprung in der Abfahrt der Herren in Kitzbühel
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Ski alpin

Streif-Abfahrt wird zu riskantem Balanceakt

Die Streif-Abfahrt in Kitzbühel ist auf ihrer gesamten Länge eine Herausforderung. Im ersten Rennen am Freitag zeigte sich aber, dass heuer besonders die Geschwindigkeit bei der Anfahrt zum Zielsprung ein entscheidendes Kriterium ist. ÖSV-Herren-Rennsportleiter Andreas Puelacher rechnet damit, dass es auch in der auf Sonntag verschobenen zweiten Abfahrt (10.20 Uhr, live in ORF1) an die 150 km/h sein werden. Puelacher geht nicht davon aus, dass das die Risikobereitschaft der Fahrer schmälern wird. Und so wird der Zielsprung wieder zu einem riskanten Balanceakt.

Der Zielsprung wurde zwar abgegraben, das Tempo bei der Anfahrt wird sich dadurch nicht verringern. Rennläufer seien aber konzentriert und dafür ausgebildet, sagte Puelacher. „Sie fahren da auf dem letzten Zacken hin, da zieht keiner zurück, auch am Sonntag nicht.“ Freitag war der Schweizer Urs Kryenbühl nach einem missglückten Zielsprung schlimm zu Sturz gekommen, hatte sich eine Gehirnerschütterung, einen Bruch des rechten Schlüsselbeins sowie Risse des Kreuz- und Innenbandes im rechten Knie zugezogen.

In der Traverse war der US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle abgeflogen und hatte sich eine leichte Halswirbelfraktur zugezogen. Und plötzlich zeigte sich wieder das wahre Gesicht der Streif, die von den Athleten nach den Trainings diesmal als „angenehm zu fahren“ bezeichnet worden war.

Neues Programm für Kitzbühel

Nach der wetterbedingten Absage am Samstag gibt es nun einen neuen Zeitplan für die 81. Hahnenkamm-Rennen. Am Sonntag steht eine Abfahrt auf dem Programm, der Super-G soll am Montag stattfinden.

„Individuelle Fehler“ als Sturzauslöser

„So blöd es klingt, beide Unfälle waren individuelle Fehler. Und wenn man Fehler macht in unserem Sport, schaut es nicht gut aus. Kilde macht einen leichten Innenskifehler in Hinterreit, das hatte auch fatale Folgen. Skisport ist nicht gerade ein Gesundheitssport“, so Puelacher. Für den Norweger Aleksander Aamodt Kilde, Titelverteidiger im Gesamtweltcup, war die Saison am 16. Jänner mit Kreuzbandriss vorzeitig beendet.

Noch am Freitagnachmittag waren im Umfeld des Zielsprungs mit schwerem Gerät große Schneebewegungen vorgenommen worden. „Die Kante ist noch da zum Glück, das wollen alle, damit sie sehen, wo sie weggehen. Aber das Tempo wird sich nicht ändern, es wird kalt in der Nacht, wir werden wieder mit diesen knapp 150 da hinkommen, es ist einfach so. Die Athleten sind so gut geworden, das Material ist so gut geworden, die Abfahrten werden uns fast zu schmal, wir können da die Geschwindigkeit nicht mehr reduzieren“, erklärte Puelacher.

FIS-Renndirektor Hannes Trinkl stellte am Abend im ORF sogar eine mögliche Absage der Abfahrt am Sonntag in den Raum, man werde in der Früh die Reaktionen der Athleten nach der Besichtigung einholen. „Wir können vom Gelände her nicht mehr reagieren, wir haben das Maximum rausgeholt. Wenn die Läufer oder die Trainer sagen, es ist zu gefährlich, müssen wir leider absagen.“ Man wolle nichts riskieren und werde sehen, ob es sicher und mit der Geschwindigkeit machbar sei.

Puelacher zollt Schnellsten Respekt

Zu den besten Springern zählt zweifelsfrei Matthias Mayer, der sich am Freitag dem Schweizer Beat Feuz nur um 0,16 Sekunden geschlagen geben musste. Dritter war der Südtiroler Dominik Paris geworden. „Die Leistungen der drei waren herausragend. Sie haben so ein hohes Niveau gezeigt, das war unglaublich. Da haben nur Kleinigkeiten entschieden, beim Matthias war es die Steilhang-Ausfahrt. Wie die drei in die Querfahrt gefahren sind und sich da runtergetraut haben, das war unglaublich in meinen Augen“, so Puelacher.

„Schauen wir, was für uns (in den nächsten Tagen, An.) noch drinnen ist“, hatte Mayer nach der ersten Abfahrt (Wengen-Ersatz) gemeint. Feuz sicherte sich beim ersehnten ersten Streif-Sieg den Siegerscheck von 52.000 Euro, Sonntag geht es im echten Hahnenkamm-Klassiker um satte 81.000 Euro für dem Ersten. „In Kitz freut man sich, wenn man herunten abschwingen kann. Aber man sieht halt trotzdem lieber den Einser“, blieb Mayer im Angriffsmodus. Und er weiß, dass es da noch andere gibt, die aufs Podest wollen. „Vince (Kriechmayr) gibt es auch noch“, sagte der Kärntner.

Matthias Mayer (AUT) beim Donnerstagstraining in Kitzbühel
APA/EXPA/Johann Groder
Im Angriffsmodus – Matthias Mayer strebt als Vorjahressieger wieder nach ganz oben

Ursachenforschung bei Kriechmayr

Vincent Kriechmayr war mit 1,62 Sekunden Rückstand als zweitbester Österreicher Neunter geworden. Er fand keine Erklärung dafür, auch Puelacher nicht. „Wir wissen nicht ganz genau, was da passiert ist, ab und zu hat er die Linie nicht sauber halten können. Für mich ist das fast ein bisserl unerklärlich. Die letzte Konsequenz hat gefehlt, warum auch immer“, so Puelacher. Aber Kriechmayr sei ein genialer Skifahrer, der jederzeit gewinnen könne.

Dafür war Puelacher mit den Leistungen der anderen Österreicher, die über die Strecke gingen, zufrieden, auch wenn diese nach den langen Unterbrechungen bei den dann vorherrschenden Lichtverhältnissen bereits chancenlos gewesen seien. „Vom Engagement her, wie sie oben weggefahren sind, Striedinger zum Beispiel. Bis sie ins Dunkle gekommen sind, da haben sie keine Chance mehr gehabt. Aber das macht mich für die zweite Abfahrt zuversichtlich“, sagte der Herren-Chef.

Der noch mit niedriger Nummer gefahrene Max Franz war an einem Tor vorbeigefahren und ausgeschieden, Otmar Striedinger wurde 13., Hannes Reichelt 16. und Daniel Danklmaier 17. Alle Läufer nach den 30 waren nicht mehr drangekommen, weil das Rennen wegen aufkommenden Windes abgebrochen worden war.

Feuz jagt seltenes Abfahrtsdouble

Zwei Abfahrten beim selben Event in Kitzbühel hat es bereits zwölfmal gegeben, fünf Fahrer gewannen beide Rennen. Das gelang Karl Schranz 1972 und Peter Wirnsberger 1986, den Schweizern Pirmin Zurbriggen (1985) und Franz Heinzer (1992) sowie dem Franzosen Luc Alphand 1995. Feuz geht damit auf das sechste AbfahrtsDouble der Streif-Geschichte los.