Beim WM-Riesentorlauf letzten Freitag war Ligety wegen akuter Rückenprobleme nicht mehr an den Start gegangen. Der US-Amerikaner verzichtete auf sein Abschiedsrennen. „Mein Rücken hat gesagt: ’Ich bin der Boss und das war es jetzt“, so Ligety, der sich seit sechs Jahren mit Rückenproblemen herumschlägt, sie durch Behandlungen und Operationen aber einigermaßen in Griff hat. „Aber wenn ich ehrlich bin, war mein Rücken nie mehr wie früher. Jetzt ist es Zeit, dass der Rücken für den Rest meines Lebens wieder gesund wird. Um mit meinen Kindern zu spielen und Ski fahren zu können“, hatte Ligety am Samstag via Instagram mitgeteilt.
Während Hirscher am Höhepunkt seiner Karriere im Sommer 2019 zurückgetreten war, war es um Ligety zuletzt nach Verletzungen und eben Rückenproblemen still geworden. Zu seinen besten Zeiten war er im Riesentorlauf der Mann, den es zu schlagen galt. Insgesamt 24 Weltcup-Siege feierte der US-Amerikaner in der Kerndisziplin, fünfmal holte er den Spezialweltcup und drei Weltmeistermeistertitel im Riesentorlauf. Die Krönung war der RTL-Olympiasieg 2014 in Sotschi – Ligetys zweiter Olympiasieg nach Kombi-Gold 2006 in Turin.
Herausragend war seine Leistung 2013 in Schladming, wo er mit drei Goldmedaillen zum WM-Superstar („Beste Woche im Rennsport in meiner Karriere“) avancierte. Neben WM-Titeln in Riesentorlauf und Superkombination hatte Ligety bei Hirschers Heim-WM auch Gold im technisch anspruchsvollen Super-G abgeholt – was Hirscher damals recht giftete, weil er selbst nicht starten durfte und sich dadurch um eine Medaillenchance geprellt glaubte. Mit der Goldmedaille im abschließenden Slalom, der einzigen für Gastgeber Österreich, hielt er sich für die Nichtnominierung im Super-G später schadlos.

Kampf der Giganten auf höchstem Niveau
Während Hirschers Karriere damals erst Fahrt aufgenommen hatte, war jene Ligetys gerade auf dem Höhepunkt. Ein paar gemeinsame Jahre auf höchstem Niveau blieben, für Hirschers spätere Dominanz im Riesentorlauf waren die Duelle mit Ligety wohl maßgeblich. Er war damals der Beste, und an den Besten hatte sich Hirscher orientiert, sich an ihnen gemessen und sich so stets zu neuen Höchstleistungen geschaukelt.
Bis März 2019 und Hirschers folgendem Abschied war die kleine Kristallkugel im Riesentorlauf in elf Saisonen entweder an Ligety (5) oder an Hirscher (6) gegangen, der einst als Schatten über Ligetys Karriere aufgezogen war.
Ungeliebte Niederlagen gegen Hirscher
„Marcel Hirscher war mein stärkster Gegner“, sagte Ligety anlässlich seines bevorstehenden Abschieds in Cortina. „Es hat niemanden gegeben, gegen den ich es mehr gehasst habe zu verlieren als gegen Marcel. Das war bald die Norm für alle von uns. Aber er hat alle von uns gepusht“, so 36-Jährige, der zuletzt im Jänner 2018 in Garmisch als Dritter auf dem Weltcup-Podest zwei Stufen unter Sieger Hirscher gestanden war. Seinen letzten von insgesamt 24 Weltcup-Erfolgen im Riesentorlauf hatte der US-Amerikaner im Oktober 2015 in Sölden eingefahren, Hirscher wurde Dritter.

Mit Hirschers erster kleiner Kristallkugel 2011/2012 war Ligetys Vormachtstellung im Riesentorlauf nach davor drei Kugeln in Serie trotz seiner drei Saisonsiege erstmals ins Wanken geraten. Einen Sieg mehr verbuchte der Salzburger. „Das war eines der besten Jahre in meiner Karriere vom Skifahren her, und er hat mich geschlagen. Das hat mich angetrieben, ein noch viel besserer Skifahrer zu werden und mein Niveau zu steigern“, so Ligety. „Es ist verrückt, dass ich ihn ein paar Jahre im Griff hatte, das können nicht viele Leute von sich behaupten. Aber er hat mich nachher für viele, viele Jahre in Grund und Boden gefahren.“
Ligety schlägt eindrucksvoll zurück
Nach dem Verlust der kleinen Kristallkugel im März 2012 gab Ligety noch nicht klein bei. Das Duell gegen Hirscher schaukelte sich hoch. In der folgenden WM-Saison schlug Ligety zurück – wohl begünstigt durch die schmälere Taillierung der Ski, die das Verletzungsrisiko gerade im Riesentorlauf verringern sollte. Zunächst schärfster Kritiker des neuen FIS-Reglements, wurde er zu dessen größten Profiteur, weil ihm die Umstellung auf das neue Material offenbar am besten geglückt war.

Ligety fuhr der Konkurrenz um die Ohren, distanzierte die Gegner regelmäßig um Sekunden. Unglaubliche 2,75 Sekunden vor dem Italiener Manfred Mölgg gewann er im Oktober 2012 den Saisonauftakt in Sölden, 3,12 Sekunden hinter Ligety blieb Hirscher als Dritter. In Beaver Creek carvte Hirscher als Zweiter 1,76 Sekunden hinterher, in Alta Badia verlor er als Bester hinter Ligety sogar 2,04 Sekunden, nachdem er zur Halbzeit schon 2,40 hinter dem schier übermächtigen Rivalen gelegen war.
Ligetys Höhepunkt in Schladming
Sechs von acht Weltcup-Riesentorläufen gewann Ligety (viermal vor Hirscher) in dieser Saison, die mit drei WM-Titeln in Schladming ihren absoluten Höhepunkt finden sollte. Im WM-Riesentorlauf wurde Hirscher erneut hinter Ligety Zweiter. Nur langsam vermochte Hirschers Team den Materialvorteil des US-Amerikaners einzudämmen. In der folgenden Saison ging der Riesentorlauf-Weltcup erneut und zum letzten Mal an Ligety, dem Hirscher wieder dicht an den Fersen war.

Vier zu zwei Siege war das Weltcup-Duell 2013/2014 noch an Ligety gegangen, wobei die beiden einander nichts geschenkt, sich einen Kampf auf Biegen und Brechen geliefert hatten und das Glück nicht immer auf Hirschers Seite war. Der Salzburger befand sich unaufhaltbar auf der Überholspur. 2014/2015 war es dann so weit: Mit fünf Siegen luchste Hirscher seinem Rivalen die Kristallkugel wieder ab und gab sie bis zum Karriereende nicht mehr her.
Ligety sollte im Oktober 2015 in Sölden seinen letzten Weltcup-Sieg feiern. Durch einen Kreuzbandriss im darauffolgenden Jänner und später andauernde Rückenprobleme stieg er die Karriereleiter wieder hinunter. In seinen letzten Weltcup-Rennen am 8. und 9. Jänner in Adelboden schaffte er nicht mehr die Qualifikation für den zweiten Durchgang.
„Ich habe diesem Sport alles gegeben und bin dankbar für alles, was mir der Skirennsport zurückgegeben hat. Ich liebe den Sport und hatte so viel Spaß, in den vergangenen 17 Jahren im Weltcup zu fahren. Ich habe mir jeden Kindheitstraum erfüllt mit Olympiagoldmedaillen, WM-Goldmedaillen und Weltcup-Siegen, aber jetzt ist es Zeit, bei meiner Familie zu sein“, schrieb Ligety auf Instagram.
Gemeinsame Zeiten auf dem Podest
Bei insgesamt 24 Weltcup-Siegen des US-Amerikaners im Riesentorlauf war Hirscher 14-mal bei der Siegerehrung dabei, fünfmal als Zweiter. Auch bei Ligetys WM-Siegen in Schladming (2013) und Beaver Creek (2015) war der Salzburger Zweiter geworden. In Summe standen die beiden 25-mal gemeinsam auf dem Podest – zum letzten Mal eben im Jänner vor drei Jahren beim Riesentorlauf in Garmisch, als Ligety als Dritter noch einmal in seiner Laufbahn auf dem Podest stand und Hirscher gewann.