Vincent Kriechmayr (AUT)
GEPA/Patrick Steiner
Ski-WM

Kriechmayr legt Abfahrtsgold nach

Die österreichische WM-Abfahrtsdurststrecke ist seit Sonntag zu Ende. Vincent Kriechmayr holte bei den Titelkämpfen in Cortina d’Ampezzo nach Gold im Super G auch Gold in der Abfahrt und krönte sich zum ersten rot-weiß-roten Weltmeister in der Königsdisziplin seit Michael Walchhofer 2003. Mehr noch: Der Oberösterreicher holte sich hauchdünn vor dem Deutschen Andreas Sander als erst dritter Fahrer bei einer WM das Speed-Double.

Kriechmayer, der das Rennen auf der Vertigine-Piste mit Nummer eins eröffnet hatte, hatte am Ende lediglich eine Hunderstel Vorsprung auf Sander, der mit Startnummer zwei überraschend zu Silber carvte und damit bereits für die dritte deutsche Medaille in Cortina sorgte. Bronze ging mit 0,18 Sek. Rückstand auf Kriechmayr an den Doppelsieger von Kitzbühel Beat Feuz aus der Schweiz. Der nach Bestzeit im Abschlusstraining als Favorit gehandelte Lokalmatador Dominik Paris wurde ex aequo dem Schweizer Marco Odermatt Vierter.

Mit seinem Triumph sorgte Kriechmayr nicht nur für die 17. Abfahrtsgoldene bei den Männern bei einer WM und für den 30. Titel in der Königsdisziplin für den Österreichischen Skiverband (ÖSV) insgesamt, sondern stellte sich auf eine Stufe mit Hermann Maier und Bode Miller. Der österreichische und der US-amerikanische Superstar hatten 1999 in Beaver Creek bzw. 2005 in Bormio als bisher einzige Rennläufer bei einer WM das Double aus Super-G und Abfahrt gewonnen. Kriechmays Titel war zudem der 98. für Österreich bei einer Weltmeisterschaft. Erstmals seit dem Schweizer Pirmin Zurbriggen 1985 in Bormio und damit ebenfalls in Italien, ging Gold zudem an den Fahrer mit der Startnummer eins.

Sander überrascht mit Silber

Dem 31-jährigen Deutschen fehlt nur eine Hundertstel zu Gold, aber auch Silber ist der bisher größte Erfolg seiner Karriere

Mit „göttlicher Unterstützung“ zu Gold

„Ich kann es gar nicht realisieren. Es war ein verrücktes Rennen. Ich bin oben gut gefahren, aber im Flachen habe ich doch öfter aus der Hocke rausmüssen. Den Mittelteil hab ich aber gut erwischt, nicht zu rund und nicht zu gerade", sagte der frischgebackene Doppelweltmeister im ORF-Interview. Nach Sanders Fahrt und dem knappsten aller Rückstände hatte er nicht einmal mit einer Medaille gerechnet, so der Oberösterreicher. „Am Ende war vielleicht der Herrgott etwas auf meiner Seite“, so der 29-Jährige auch mit Hinweis auf den Wind, der bei so manchem Konkurrenten mehr zum Störfaktor wurde.

Als einer der wenigen Favoriten hatte sich Kriechmayr mit Kritik an den vor allem im ersten Training noch sehr engen Kurven vor der Schlüsselstelle „Vertigine Jump“ zurückgehalten. Der Oberösterreicher legte mit einer nahezu perfekten Fahrt in dieser Passage auch den Grundstein zur Goldmedaille. Kritik an der Strecke und Aussagen wie „Abfahrtsweltmeister auf einem Riesentorlauf-Kurs“ ließ Kriechmayr nicht gelten: „Es war sehr kurvig, das stimmt schon, aber wenn ich mir ein U-Hakerl in Kitzbühel oder das Brückli-S in Wengen anschau, dann sind das auch so Passagen, die heute niemand so setzen würde. Kurven fahren gehört zur Abfahrt dazu.“

1. Vincent Kriechmayr (AUT)
2. Andreas Sander (GER)
3. Beat Feuz (SUI)

Mayer scheidet aus

Für die restlichen Österreicher lief es bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel nicht nach Wunsch. Max Franz, im letzten Training Zweiter hinter Paris, kam mit 1,25 Sek. Rückstand auf den Weltmeister als 13. in die Wertung. „Im Training habe ich es besser erwischt. Oben ist es mir auch nicht so gelungen, es war auch deutlich unruhiger als im Training. Es war kein so ein runder Lauf, wie in den letzten Tagen“, sagte Franz.

Auch Otmar Striedinger, der sich in der Qualifikation gegen Daniel Hemetsberger durchgesetzt hatte, konnte nach guten oberen Zwischenzeiten nach kleinen Fehlern mit 1,84 Sek. ebenfalls nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen. „Meinen Plan für den Mittelteil habe ich leider nicht ganz durchgezogen. Jetzt beiße ich mir ein wenig in den Hintern“, so der Kärntner, „denn wenn ich taktisch zurückgenommen hätte, wäre ich weiter vorne mitgefahren. Die Piste war in einem super Zustand, aber ich habe es leider selber nicht hingebracht.“

Für Matthias Mayer setzte sich seine Misere bei Weltmeisterschaften fort. Der zweifache Olympiasieger aus Kärnten rutschte nach einem Fahrfehler in der Traverse bei jenem Tor vorbei, mit dem schon im ersten Training viele Fahrer Probleme hatten, und muss damit weiter auf eine WM-Medaille warten. „Ich habe einen Schlag richtig erwischt. Die Traversenausfahrt ist noch einmal eine wichtige Kurve, die wollte ich gut erwischen. Aber der Schlag hat mich voll erwischt, und danach war es zu eisig. Ich wollte vorne mitfahren, aber es ist sich nicht ausgegangen“, sagte ein enttäuschter Mayer.

Sander „ist sprachlos“

Anders als bei Mayer strahlten die Augen des frischgebackenen Vizeweltmeisters Sander mit der Sonne über Cortina um die Wette. Der 31-Jährige holte nach Romed Baumann im Super-G und Kira Weidle in der Damen-Abfahrt im vierten Rennen die dritte deutsche Silberne in den Dolomiten. Mehr noch: Der Routinier stand ausgerechnet bei einer WM das erste Mal in seiner Karriere auf dem Podest. „Wenn ich es mir aussuchen hätte können, dann hätte ich es mir genau so ausgesucht. Ich bin etwas sprachlos“, sagte Sander.

Sander, der die erste deutsche Abfahrtsmedaille seit der Bronzenen von Florian Eckert 2001 in St. Anton gewann, trauerte auch dem knappen Rückstand auf Kriechmayr nicht nach: „Es war schwerer zu fahren und das Gefühl war nicht so gut wie im Training. Die Hundertstel kann man immer noch suchen, aber ich habe endlich mal ein gutes Finish hingelegt“, freute sich der „Flachländer“ aus dem deutschen Ruhrgebiet, der einst im Urlaub in Österreich die Liebe zum Skifahren entdeckt hatte.

Apropos Bronze: Auch Kitz-Doppelsieger Feuz fühlte sich als Dritter wie ein Sieger. „Es war ein schwieriges Rennen, es ist eine neue Abfahrt, die sich jedes Mal anders präsentiert hat. Wir haben einen neuen Weltmeister, der es absolut verdient hat. Ich weiß schon, wo ich 18 Hundertstel aufholen kann, zum Beispiel bei den Riesentorlauf-Kurven vor dem Sprung. Ich habe das Maximum rausgeholt“, sagte der 34-Jährige, der 2017 Abfahrtsgold geholt hatte. Die Sympathie für die Vertigine sei allerdings durch Bronze nicht gestiegen: „Meine Lieblingsabfahrt wird es aber nicht, dafür gibt es zu viele enge Kurven. Mein Ziel war es, oben mithalten und unten aufholen, fast wäre es auch aufgegangen“, so Feuz.

Muzaton vermeidet akrobatisch Sturz

Für die Szene des Rennens sorgte Maxence Muzaton. Der Franzose wurde im oberen Teil bei rund 120 km/h abgehoben, schaffte es aber, nachdem er mit dem Gesicht die Piste gestreift hatte, mit einer Art Pirouette und kurzer Rückwärtsfahrt wieder auf seine Skier und vermied einen schweren Sturz. Muzaton bezahlte seine Einlage allerdings auch mit dem Saisonende. Wie am Abend bekanntwurde, erlitt der 30-Jährige bei seinem Beinahesturz einen Kreuzbandriss.

Weniger Glück hatte Super-G-Vize Baumann. Der für Deutschland startende Tiroler rutschte beim Abbremsen im Ziel aus und durchschlug die Begrenzung. Der 35-Jährige blieb bis auf eine klaffende Wunde auf der Lippe aber zum Glück dem ersten Anschein nach von einer gröberen Verletzung verschont. Bei einer Untersuchung im Spital wurde bei Baumann zusätzlich eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Ebenfalls Pech hatte Florian Schieder. Der junge Südtiroler kam in der Traverse zu Sturz und hielt sich nach einem lauten Schmerzensschrei das linke Knie. Auch für Schieder ist die Saison mit Kreuzbandriss vorbei.