Marta Bassino (ITA) und Katharina Liensberger (AUT)
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Ski-WM

Intervention lässt Liensberger frohlocken

So ein Tohuwabohu hat es in der Geschichte von Skiweltmeisterschaften wohl noch nicht gegeben. Katharina Liensberger dachte 30 Minuten lang, Silber bei der WM-Premiere des Parallel-Bewerbs gewonnen zu haben, als plötzlich Hektik ausbrach. „Es ist ex aequo Gold, gerade bestätigt worden“, sagte ihr ÖSV-Pressesprecherin Manuela Riegler. Damen-Rennsportleiter Christian Mitter betonte via Funk: „Du bist Weltmeisterin.“ Bei Liensberger überwog naturgemäß die Freude, doch es gab abermals Kritik an diesem Bewerb.

Minutenlang konnte Liensberger in Cortina d’Ampezzo ihr Glück kaum fassen. „Das ist ja megacool! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Immer wieder brach sie in Gelächter aus, dazwischen sank sie auf die Knie. „Ich kenn mich gerade gar nicht aus.“ Nicht anders erging es Riegler, früher selbst Snowboard-Weltmeisterin. „Es ist einfach nur genial“, sagte Liensberger und wurde gefasster. „Ich kann es gerade gar nicht glauben, aber es ist wirklich wahr, und ich freue mich riesig.“

Liensberger präsentierte sich bereits als faire Finalverliererin, ehe die Korrektur des Weltverbandes (FIS) noch einmal alles veränderte. „Eine Goldmedaille zu gewinnen ist noch einmal etwas ganz Spezielles. Es ist wirklich ein Traum, der heute in Erfüllung gegangen ist.“ Die Situation sei unwirklich, aber „Gold ist wirklich das, was glänzt“, so die 23-Jährige. „Wir werden das feiern, was möglich ist, und einfach den Moment genießen. Aber es wartet der nächste Bewerb.“

Liensberger mit Verzögerung Weltmeisterin

Katharina Liensberger hat sich bei der WM-Premiere im Parallel-Bewerb die Goldmedaille gesichert. Allerdings wurde das Ergebnis erst im Nachhinein korrigiert und sowohl Liensberger als auch der Italienerin Marta Bassino Gold zugesprochen.

Die Vorarlbergerin hatte soeben nachträglich einen Ex-aequo-Sieg im weltmeisterlichen Parallel-Riesentorlauf errungen. Nach dem zweiten Lauf des Finales hatte sie am Dienstag zeitgleich mit ihrer Gegnerin Marta Bassino die Ziellinie überquert, nur die Italienerin wurde jedoch vom Zeitnehmungssystem als Goldgewinnerin ausgewiesen. Den ÖSV-Coaches und Sportdirekter Anton Giger schmeckte das gar nicht. „Ich habe mir gedacht, das passt wie die Faust aufs Aug. Wir haben schon eine Saison hinter uns, wo es genau reingepasst hätte“, so Mitter.

„Eigentlich ein Wahnsinn“

„Wir haben schon auf der Strecke diskutiert, dass die Regel, die Schnellere aus dem zweiten Run gewinnt, eigentlich ein Wahnsinn ist“, sagte der Steirer. Giger habe dann den entscheidenden Fund im Regelbuch gemacht. „Wir haben schon nachschauen müssen. Gott sei Dank hat es der Toni gefunden, dann hat es auch gepasst.“

Christian Mitter
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Damen-Teamchef Christian Mitter und ÖSV-Sportdirektor Giger erklärten der FIS ihre eigenen Regeln

Die Regel sei klar: „Es gibt ex aequo für den dritten und den ersten Platz. In den Vorrunden ist es nicht so, weil man kann es ja nicht noch einmal ausfahren. Aber dann, wenn das Rennen aus ist, gibt es so wie in einem Super-G Ex-aequo-Platzierungen“, sagte Mitter. Der ÖSV habe FIS-Mitarbeiter Mike Curtis beauftragt, „er soll sich bitte schlaumachen, weil es steht im Reglement so“. Das ist tatsächlich im FIS-Handbuch zu Parallelrennen, Punkt 5, festgeschrieben. Die FIS änderte das Resultat.

Kritik von Brignone und Neureuther

Der selten gefahrene Parallel-Bewerb, in dieser Saison gab es jeweils nur einen, stand erstmals im WM-Programm – und sorgte bei vielen Teilnehmern und Beobachtern für Ärger. Weil nämlich einer der beiden Kurse deutlich langsamer war, sprachen Federica Brignone oder die Schweizerin Wendy Holdener von einem „unfairen“ Wettkampf. „Ich bin wirklich verärgert. Der Kurs war so nicht fair. Ich bin richtig angepisst. Man kann keinen Parallel-Bewerb mit so unterschiedlichen Kursen setzen“, so Lokalmatadorin Brignone nach ihrem Aus.

Ex-Profi Felix Neureuther kam als TV-Experte aus dem Schimpfen gar nicht mehr heraus. Der frühere deutsche Skistar und nunmehrige TV-Experte regte sich über die unterschiedlich schnelle Kurssetzung dermaßen auf, dass er kurzerhand während der Liveübertragung der ARD zum Handy griff und bei FIS-Rennchef Markus Waldner durchklingelte. Als dieser am Dienstag nicht abhob, schrieb Neureuther ihm nach eigenen Angaben eine Nachricht, um sich zu beschweren.

Waldner zerknirscht: „Es war nicht fair“

Neureuther forderte Waldner auf, den langsamen Kurs leicht zu verändern und ähnlich schnell zu machen. Wie er danach erzählte, antwortete ihm der FIS-Rennchef tatsächlich während des Rennens mit einer Nachricht, in der er angab, dass eine Kursveränderung nicht möglich sei und er den Wettkampf schon als fair erachte.

Später sah Waldner das aber beim Meeting der Teamcaptains zerknirscht anders. „Es war nicht fair. Wir sind nicht glücklich“, sagte der Rennchef mit Blick auf den schnelleren roten Kurs und die wohl zu geringe Penalty-Time. Man lerne mit jedem Parallelrennen dazu.

Waldner erklärte die Unterschiede im Terrain mit dem wärmer werdenden Wetter in der Region. Der blaue Kurs habe den hohen Temperaturen bei drei Toren nicht standhalten können, obwohl man den Untergrund in den Tagen zuvor vorausblickend vereist hatte. „Dann war keine Chance mehr“, sagte der Südtiroler. Wenn man während des Rennens hätte eingriffen wollen, hätte man Tore erheblich versetzen müssen, und dann wäre der rote Kurs auf einmal der langsamere gewesen, erläuterte er.

Bewerb ohne große Zustimmung

Die Liebe zum Bewerb hält sich seit jeher in Grenzen, ÖSV-Herren-Chef Andreas Puelacher bezeichnete ihn im „Kurier“ als „Lückenbüßer“. Bei den Herren fehlten der zweimalige Medaillengewinner Alexis Pinturault aus Frankreich ebenso wie der Norweger Henrik Kristoffersen, bei den Damen „schwänzten“ sowohl die Gold- als auch die Bronzegewinnerin der Kombination, Mikaela Shiffrin und Michelle Gisin, den Event – auch weil der Zeitplan in dieser Woche ein enger ist, aber nicht nur. „Meine Zuneigung ist sehr, sehr gering zum Parallel. Ich kann es auch eigentlich nicht so gut“, sagte die Schweizerin Gisin.

Ein Problem, das am Dienstag jedoch nicht schlagend wurde, ist das Szenario, dass Stürze auch den Gegner gefährden können. „Es ist schon genug passiert bei solchen Bewerben. Wenn der Gegner stürzt und auf deine Spur kommt, wird es brutal gefährlich mit den scharfen Kanten“, sagte Kombi-Weltmeister Marco Schwarz, der schon in der Qualifikation gescheitert war. „Ich bin generell gespannt, ob sich das Format am Ende durchsetzen wird“, artikulierte der Kärntner die Gedanken vieler Zuschauer. „Es ist, so blöd es klingt, vielleicht ein bisschen ein Glücksbewerb auch.“