Erst mit vier Tagen Verspätung war das erste WM-Rennen in Szene gegangen. Montag, Dienstag und Mittwoch der ersten Woche fielen wegen Neuschnees oder Nebels aus, die Kombinationen wurden um eine Woche verschoben – Athleten reisten ab, trainierten daheim, um später neu Anlauf zu nehmen.
Mit Beginn der Bewerbe am Donnerstag kam die Sonne nach Cortina und blieb – zur Freude aller, nicht nur der Tourismusbetriebe, die angesichts der pandemischen Situation die Fernsehbilder vor dem beeindruckendem Panorama der Dolomiten als Werbung und Hoffnungsschimmer erkannten. Das TV-Rennprogramm war dicht.
Masken da wie dort und Tests
Das Coronavirus erwies sich im WM-Verlauf nicht als Störenfried. Das engmaschige Netz an Tests und die strikten Sicherheitsvorkehrungen mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, wiewohl Geschäfte und auch Restaurants tagsüber wie überall in Venetien geöffnet hatten.
Auf den Straßen herrschte ebenso Maskenpflicht wie in öffentlichen Bereichen, im Ziel der Rennen und bei Interviews, auf den nötigen Abstand zwischen allen Beteiligten und zu den Athleten wurde geachtet, wenngleich recht locker damit umgegangen worden war. Zuschauer? Waren per se nicht erlaubt oder nur maximal 350 pro Bewerb, was die Stimmung dämpfte, nicht aber die Leistungen der Sportler.
Österreich glänzt in Cortina
Der Medaillenspiegel zum Ende des Bewerbs zeigt die Erfolge der österreichischen Athleten bei der Weltmeisterschaft auf. Österreich ist mit insgesamt acht Medaillen die Nummer eins vor der Schweiz, Frankreich und Norwegen.
ÖSV-Team auf der Erfolgswelle
Für Österreich wurde Cortina zum Riesenerfolg, der Medaillenspiegel zur klaren Angelegenheit für die Mannschaft von Verbandspräsident Peter Schröcksnadel, der bei seiner letzten WM und strahlendem Sonnenschein nur an ausgewählten Tagen zugegen war – bei den Slaloms und bei der Herren-Abfahrt. Die gewann zur besonderen Freude Schröcksnadels mit Vincent Kriechmayr erstmals seit 18 Jahren wieder ein ÖSV-Athlet.
Mit davor Gold im Super-G und also dem Speed-Double schwang sich der Oberösterreicher auf Augenhöhe zu Legenden wie Hermann Maier und Bode Miller auf. Ihnen war das als bisher einzigen Athleten bei einer WM gelungen.
Höhepunkte nehmen kein Ende
Mit Ende der Speed-Bewerbe war der Medaillenreigen der Herren nicht vorbei und auch eine der ÖSV-Damen groß im Bild. Katharina Liensberger und Marco Schwarz sorgten für eine nahtlose Fortsetzung der Erfolgsstory. Liensberger holte zunächst Gold bei der WM-Premiere des Parallel-Bewerbs, Schwarz gewann die Kombi. Noch mehr glänzten die Bronzemedaillen, die beide daraufhin im Riesenslalom eroberten, der erklärten Problemzone des ÖSV. Überraschend hatten sich Liensberger und Schwarz zu Höchstleistungen aufgeschwungen und den Knoten in der alpinen Kerndisziplin gelöst.
Im Slalom sprang Newcomer Adrian Pertl für Schwarz und Co. in die Bresche und aufs Podest. Der 23-jährige WM-Debütant war erstmals in seiner jungen Karriere als Führender ins Finale gestartet, erwies sich als „coole Socke“ und holte Silber, während Schwarz, die dritte Medaille vor Augen, kurz dem Ziel ausschied. Pertls Abgebrühtheit in jungen Jahren übertraf die Erwartungen. Mit Silber, der fünften Medaille der ÖSV-Herren, polierte der Kärntner die Bilanz noch auf.
Der emotionale Höhepunkt davor war Liensbergers Gold im Slalom, dem ersten einer Österreicherin seit Marlies Schild. Die 23-Jährige beendete zugleich die jahrelange Regentschaft der US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin, die viermal hintereinander Weltmeisterin im Slalom geworden war und in Cortina als Dritte unglaubliche zwei Sekunden auf Liensberger verlor. Der zweitplatzierten Slowakin Petra Vlhova nahm die Vorarlbergerin genau eine Sekunde ab. Die Vorarlbergerin, erste ÖSV-Doppelweltmeisterin seit Elisabeth Görgl 2011 in Garmisch, drang in Shiffrin-Dimensionen vor.
Glück mit den Hundertsteln
So locker Liensberger den Slalom gewann – das Hundertstelglück war diesmal ebenfalls auf der Seite der Österreicher. Mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung gewann Kriechmayr die Abfahrt, 0,07 Sekunden lag er im Super-G voran. 0,04 entschieden die Kombi zugunsten von Schwarz.
Im Parallel-Bewerb wurde Liensberger erst nach Intervention des ÖSV zur Ex-aequo-Siegerin erklärt, nachdem sie zunächst als Zweite hinter der Italienerin Marta Bassino gereiht worden war. Mit der nötigen Portion Glück gewinnt es sich leichter. Im Weltcup? Da war das nicht immer so, wie Liensberger und Schwarz unisono anmerkten.
Doppelweltmeister mal zwei
Mit zwei Goldmedaillen und einer aus Bronze schwang sich Liensberger zum Superstar der zweiten WM-Woche auf und zog mit der Schweizerin Lara Gut-Behrami gleich, die neben Bronze in der Abfahrt Gold in Super-G und Riesentorlauf erobert hatte. Vier Medaillen gingen an Shiffrin, aber nur in der Kombi war es Gold.
Speed-Star Kriechmayr war der Mann der ersten Woche, Schwarz jener der zweiten, wiewohl die vorab reservierte zweite Goldmedaille in seiner Lieblingsdisziplin Slalom ausblieb. Drei Doppelweltmeister bei einer Weltmeisterschaft wären ein Novum in der Geschichte des österreichischen Skiverbands gewesen.
Zwei mindestens Doppelweltmeister wie Liensberger und Kriechmayr in Cortina gab es für Österreich in der WM-Geschichte erst dreimal zu feiern. 1933 in Innsbruck durch Inge Wersin-Lantscher, die drei Goldene abstaubte, und Anton Seelos; 1962 in Chamonix, den erfolgreichsten Weltmeisterschaften für Österreich, durch Marianne Jahn und Karl Schranz; sowie 1999 in Vail, wo Alexandra Meissnitzer und Hermann Maier auftrumpften.
Insgesamt fünf ÖSV-Goldmedaillen bei einer WM passierten fünfmal, eine mehr war es damals in Chamonix. Mit zudem Silber und zwei Bronzemdaillen reihte sich Cortina 2021 in der ÖSV-Bestenliste auf Platz sechs ein.
Unbelohnte Heldin
Ohne Medaille, aber erhobenen Hauptes hatte Ramona Siebenhofer nach dem Riesentorlauf als zum dritten Mal Fünfte Cortina verlassen. Schon in Kombi und Abfahrt war sie überzeugend aufgetreten und zugleich zum ÖSV-Pechvogel geworden. Die erste WM-Medaille war ihr nicht vergönnt. In Aare 2019 war sie in der Kombi Vierte gewesen. Nach der bisher glanzlosen Weltcup-Saison hatte Siebenhofer in Cortina die Trendumkehr geschafft. Mit drei Spitzenplätzen müsse sie sich nicht verstecken, wie die Steirerin völlig zu Recht festhielt.
Traurige Gastgeber
Zum Weinen war eher den Gastgebern, deren Hoffnungen wurden enttäuscht. Mehr als Gold durch Marta Bassino und Silber durch Luca de Aliprandini im Riesentorlauf war in Abwesenheit der verletzten Sofia Goggia nicht drin.
Dominik Paris, Federica Brignone (Ausfälle in Slalom und als Favoritin im Riesentorlauf) und letztlich Alex Vinatzer als Vierter im Slalom gingen leer aus, was ebenso überraschte wie vier Medaillen für den deutschen Skiverband – dreimal Silber gab es in den Speed-Bewerben, Bronze wurde es im Teambewerb. WM-Zweiter für den DSV im Super-G hinter Kriechmayr war mit Romed Baumann ein Tiroler geworden. Die nächste WM steigt 2023 in Courchevel.