Kramer landete nach der Verkürzung um eine Luke unmittelbar vor ihrem Sprung im zweiten Durchgang bei 98,0 Metern und verpasste das Podest letztlich um 1,1 Punkte. Im ersten Sprung war die 19-Jährige mit ihren 109,0 Metern auf der Normalschanze im Allgäu in neue Dimensionen vorgedrungen, konnte die Rekordweite nur mit Mühe stehen. Daher ging Kramer mit nur einem Punkt Vorsprung auf Klinec in die Entscheidung. Dort hatte allerdings die Slowenin das bessere Ende für sich.
Die Salzburgerin wollte die Schuld an der verpassten Medaille trotz aller Enttäuschung aber nicht der Jury oder FIS-Renndirektor Miran Tepes in die Schuhe schieben. „Der Sprung war einer von den schlechteren. Ich war zu spät und hatte auch eine schlechte Landung. Ich bin verdient Vierte“, sagte die 19-Jährige im ORF-Interview.
Kramer schrammt an Medaille vorbei
Marita Kramer, die im ersten Durchgang mit 109,0 Metern Schanzenrekord erzielt hatte, fehlten als Vierter am Ende 4,4 Punkte auf die neue Weltmeisterin Ema Klinec, die sich vor der Norwegerin Maren Lundby und Sara Takanashi aus Japan Gold holte.
„Wäre ich normal gelandet, hätte ich trotzdem die Medaille gemacht. Wir haben gesagt, wenn man keinen Telemark macht oder eine hässliche Landung, kannst du Vierte werden. Und genau das ist mir passiert“, meinte Kramer. Die Verkürzung unmittelbar vor ihrem zweiten Sprung wollte sie nicht als Ausrede gelten lassen: „Die Verkürzung darf einen Springer nicht beeinflussen. Solche Sachen passieren in jedem Wettkampf. Ich gehe jetzt bald schlafen und lasse den Tag hinter mir.“
Sternstunde für Slowenien
Bei annähernd gleichen Bedingungen wie Kramer gelang Klinec hingegen der bisherige Sprung ihres Lebens. Die 22-Jährige setzte 100,5 Meter in den Schnee und holte mit 3,1 Punkten Vorsprung auf Titelverteidigerin Lundby die erste Goldmedaille für eine Slowenin bei nordischen Titelkämpfen. Mit 3,3 Zählern Rückstand auf die neue Weltmeisterin und unmittelbar vor Kramer durfte sich Weltcup-Rekordsiegerin Takanashi über ihre erste Einzel-Medaille bei einer Weltmeisterschaft freuen.
„Es ist unglaublich. Ich habe immer an mich geglaubt. Ich danke jedem, der mit mir gearbeitet hat. Meine Sprünge waren großartig. Ich hatte viel Energie beim Absprung, das ist der Schlüssel für meine Sprünge“, sagte Klinec. Wie eine Siegerin fühlte sich im ORF-Interview auch die zweitplatzierte Lundby. „Diese Medaillen bedeutet mir viel, weil ich in dieser Saison viele Probleme hatte. Das fühlt sich unglaublich an, das war mein großes Ziel. Auf diesen Tag hatte ich meinen Fokus“, sagte die Weltmeisterin von Seefeld.
Klinec springt zu Gold
Die Slowenin zeigt mit 100,5 Metern den weitesten Sprung im zweiten Durchgang und krönte sich zur neuen Weltmeisterin
Platz acht für Iraschko-Stolz
Auch für die restlichen drei Österreicherinnen lief es nicht ganz nach Wunsch. Daniela Iraschko-Stolz musste sich mit Platz acht begnügen. Sophie Sorschag und Eva Pinkelnig waren im zweiten Durchgang überhaupt nur Zuschauerinnen. Erstgenannte wurde nach einem soliden Sprung aufgrund eines regelwidrigen Anzugs disqualifiziert, Pinkelnig verpasste mit einem Sprung auf 81,0 Meter als 32. die Entscheidung der besten 30.
„Meine Sprünge waren nicht so gut, sie spiegeln die Saisonleistung wider. Für eine Medaille hätte ich mich steigern müssen“, sagte Iraschko-Stolz im ORF-Interview. Die Weltmeisterin von Oslo 2011 fühlte aber vor allem mit ihrer viertplatzierten Teamkollegin mit. „Mich ärgert der vierte Platz für Sara (Marita Kramer, Anm.) furchtbar. Ich weiß genau, wie es ihr jetzt geht. Das ist echt ein undankbarer Platz, aber das kriegen wir schon wieder hin“, sagte die 37-Jährige.
Durchwachsener Auftakt für Iraschko-Stolz
Österreichs Grand Dame auf den Schanzen kann mit zwei durchschnittlichen Sprüngen nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen
Cheftrainer und Sportdirektor sauer
Im Gegensatz zu Kramer war ÖSV-Cheftrainer Harald Rodlauer über die Verkürzung fuchsteufelswild. „Diese Entscheidung ist schwer nachzuvollziehen. Durch eine Juryentscheidung wurde das Springen mitentschieden. Da hat man in einen Wettkampf eingegriffen. Für Marita ist das sehr enttäuschend, sie war bei allen Sprüngen mit Abstand die Beste. Ich glaube nicht, dass die Leute, die das entschieden haben, heute ruhig schlafen können“, sagte Rodlauer.
Mario Stecher, der Sportliche Leiter im ÖSV, legte auch Protest ein, weil die Weite von Klinec laut Reglement eine Verkürzung nicht gerechtfertigt hätte. Wohl ahnend, dass der Einspruch ins Leere laufen würde. „Uns geht es da nicht so sehr um das Thema, dass man diesen Wettkampf annulliert, sondern dass Leute wie diejenigen, die heute an der Ampel oder in der Jury waren, nie mehr da oben stehen“, betonte Stecher. Eine Verkürzung sei absolut nicht notwendig gewesen.
Auch ORF-Experte Martin Koch konnte die Entscheidung der Jury nicht nachvollziehen. „In dieser Situation darfst du nicht verkürzen. Es war klar die falsche Entscheidung. Marita ist meiner Meinung nach als beste Springerin richtig bestraft worden“, sagte der Kärntner. Kramer und ihre Teamkolleginnen haben bereits am Freitag die Chance zur Revanche. Dann steht der Team-Bewerb auf der Normalschanze auf dem Programm (17.15 Uhr live in ORF1 und im Livestream).