ÖFB-Teamchef Franco Foda
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ÖFB

Fodas Pläne fürs Länderspieljahr 2021

Das österreichische Fußballnationalteam steht vor einem außergewöhnlichen Spieljahr 2021. Zumindest 15 Länderspiele stehen auf dem Programm, so viele wie noch nie in einem Kalenderjahr. Neben der Endrunde bei der um ein Jahr verschobenen Europameisterschaft im Juni wartet auf das A-Team die komplette Gruppenphase der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Im Interview mit ORF.at wirft Teamchef Franco Foda auch einen Blick zurück und kontert die Kritik nach einem „schwierigen Lehrgang“ im Herbst.

30 Länderspiele hat das ÖFB-Team unter dem 54-jährigen Deutschen bisher absolviert. Die Ziele EM-Qualifikation und Aufstieg in die Nations-League-Liga A wurden erreicht. Insgesamt 20 Spiele gewann das Team in dieser Zeit, und mit einem Schnitt von 2,10 Punkten pro Partie ist Foda unter den Teamchefs mit zumindest vier Spielen der erfolgreichste der ÖFB-Geschichte. 13 dieser Siege wurden allerdings nur mit jeweils einem Tor Unterschied gewonnen. Kritiker erkennen in Foda einen Zögerer, der trotz der wohl qualitativ und quantitativ sicher höchsten Legionärsdichte mehr Verwalter denn Gestalter sei.

Vor allem nach den beiden Nations-League-Spielen gegen Nordirland (2:1) und Norwegen (1:1) zum Abschluss gab es laute Misstöne. „Die Kritik war für mich nicht nachvollziehbar“, betonte Foda und blieb damit seiner Linie auch mit einigen Monaten Abstand treu. „Es gibt eine Statistik, wonach wir in der gegnerischen Hälfte die wenigsten Pässe des Gegners zugelassen haben. Da sind wir vor Spanien und Italien an erster Stelle“, untermauerte Foda in diesem Interview und verwies dabei auch auf die destruktive Spielweise der Gegner.

„Wir müssen am Positionsspiel arbeiten“

Da es sich herumgesprochen habe, „dass wir eine gute Mannschaft haben“, plant Foda in diesem Jahr, die Mannschaft mit dem Ball entsprechend zu entwickeln. „Wir müssen weiter am Positionsspiel arbeiten“, erklärte der Teamchef, dessen Vertrag um ein Jahr bis November 2021 verlängert worden war, eine seiner Maßnahmen. Foda ist guter Dinge, dass die jeweils am Knie verletzten Mittelfeldspieler Julian Baumgartlinger und Konrad Laimer bei der EM dabei sein werden, die Balance im Team sieht er als einen Schlüsselfaktor. Am Ende soll sein Team im Idealfall heimische Fußballgeschichte schreiben.

ORF.at: Der vergangene Lehrgang im November und die Auslosung der WM-Qualifikation im Dezember liegen bereits einige Monate zurück. Wie haben Sie seither Ihre Zeit verbracht?

Franco Foda: Wir sind, soweit es möglich war, unserer Arbeit nachgegangen, haben in Österreich Spiele beobachtet, was in Deutschland aufgrund der Coronavirus-Pandemie momentan schwieriger ist. Wir schauen uns aber viele Spiele im Fernsehen an, analysieren viel und bereiten den März-Lehrgang vor, da warten gleich drei wichtige Spiele in der WM-Qualifikation. Natürlich haben wir uns auch mit der Europameisterschaft beschäftigt. Es gab also genügend zu tun, aber uns fehlt natürlich die Arbeit auf dem Platz, und wir freuen uns auf den ersten Lehrgang im neuen Jahr.

ORF.at: Sie sind 2020 mit dem Nationalteam in der Nations League aufgestiegen, die Art und Weise rief allerdings viel Kritik hervor. Wie haben Sie den Länderspielherbst aufgearbeitet?

Foda: Wenn man alle Partien noch einmal Revue passieren lässt, sind wir in einer ausgeglichenen Gruppe verdient aufgestiegen. Die Kritik war für mich nicht nachvollziehbar, aber es gibt immer wieder unterschiedliche Sichtweisen von Trainer und Journalisten, und das wird immer so bleiben. Wir haben allerdings auch Daten, die uns in unserer Analyse bestätigen. Es gibt etwa eine Statistik, wonach wir in der gegnerischen Hälfte die wenigsten Pässe des Gegners zugelassen haben. Da sind wir vor Spanien und Italien an erster Stelle. Das zeigt: Wir attackieren extrem früh und hoch, und versuchen, schnell den Ball zurückzuerobern. Das macht uns stolz, dass wir da vorne mit dabei sind. Denn das ist auch die Art und Weise, wie wir spielen wollen.

ÖFB-Teamchef Franco Foda im Match gegen Norwegen
GEPA/Christian Ort
„Es war nicht alles perfekt“, gab Foda zu, zeigte sich aber insgesamt mit dem Länderspielherbst 2020 zufrieden

Zu einem richtig guten Spiel gehören aber zwei Mannschaften. Wenn beide nach vorne spielen, entstehen Räume, dann hat das Spiel ein anderes Tempo. Nordirland war sehr defensiv, hat die Räume geschlossen, und da gibt es auch wenig Entfaltungsmöglichkeiten. Da musst du die Geduld haben. Das Spiel wird vielleicht langsamer, weil du im Positionsspiel agierst. Es gibt auch wenig Umschaltmomente, das alles muss man berücksichtigen und bewerten. Wir hatten gegen Nordirland und Norwegen 70 Prozent Ballbesitz, obwohl kritisiert wurde, wir hätten zu defensiv gespielt. Wir hatten gegen Nordirland 11:1 Ecken – dafür musst du ja sehr oft im letzten Drittel sein. Es war nicht alles perfekt, aber wenn man alles richtig einordnet und reflektiert, waren wir nicht unzufrieden. Es spricht zudem für das Team und seine Mentalität, dass es nach Rückständen zurückkommt.

ORF.at: Wie erklären Sie sich dann die Kritik?

Foda: Es zeigt, dass wir uns weiterentwickelt haben, die Erwartungshaltung größer geworden ist, und das ist auch gut. Aber es gibt keine Mannschaft, die über 90 Minuten in jeder Spielphase am Limit ist. Man muss immer das Gesamtpaket sehen und es bewerten. Wir hatten viele Probleme, hatten immer wieder Ausfälle, mussten wegen der Pandemie kurzfristig improvisieren, innovativ sein. Wenn man das alles in die Bewertung mit reinnimmt, haben wir einen schwierigen Lehrgang mit dem Aufstieg in die Gruppe A positiv und zufriedenstellend beendet.

ORF.at: Die Erwartungshaltung ist wohl auch größer geworden, weil mittlerweile nicht nur viele Österreicher in einer Topliga wie in Deutschland spielen, sondern auch Schlüsselrollen einnehmen.

Foda: Auch da muss man differenzieren. Es gibt Spieler wie David Alaba, Marcel Sabitzer oder auch Martin Hinteregger, die dominante Rollen spielen. Sasa Kalajdzic hat sich in Stuttgart positiv entwickelt, aber es gibt auch Problemfälle wie Aleksandar Dragovic, der nicht regelmäßig spielt, oder Michael Gregoritsch. Wir haben Spieler, die nicht immer einen hohen Rhythmus haben, das muss man berücksichtigen. Aber es ist sehr positiv, dass sich Spieler im Ausland weiterentwickelt haben.

ORF.at: Die erste Kaderbekanntgabe in diesem Jahr erfolgt am 19. März. Wird es noch Überraschungen geben?

Foda: Wir stehen gleich vor großen Herausforderungen, es gibt keine Zeit zu experimentieren. Wir müssen ohnehin sehr flexibel sein, Julian Baumgartlinger und Konrad Laimer werden nicht dabei sein, bei Marko Arnautovic wissen wir nicht, ob er freigestellt wird. Wir waren auch 2020 sehr erfolgreich, obwohl wir viel improvisieren mussten und Laimer oder Arnautovic nicht oder nur einmal zur Verfügung hatten.

Ich bin keiner, der jammert, man soll nicht in Problemen denken, sondern in Lösungen. Es ist nur wichtig, dass man das weiß. Die Ausfälle gilt es zu kompensieren, aber es gibt keinen Grund, große Veränderungen vorzunehmen. Es gibt immer wieder den einen oder anderen Spieler, den wir im Blickfeld haben. Wir haben einen großen Pool von 50 bis 60 Spielern, und abhängig von der Form kann es sein, dass jemand dazustößt, der noch nicht dabei war.

ORF.at: Wen haben Sie im Blickfeld?

Foda: Es gibt interessante Spieler wie Romano Schmid, Yusuf Demir, Ercan Kara, Dejan Ljubicic oder David Nemeth. Die meisten sind jung, auch bei der Austria gibt es zwei, drei junge, talentierte Spieler. Wir haben sie alle im Blickfeld, sind auch immer in Kontakt mit U21-Teamchef Werner Gregoritsch. Es gilt, eine gute Balance aus Erfahrung und jungen, dynamischen Spielern zu finden.

Ercan Kara und Yusuf Demir (Rapid)
GEPA/Philipp Brem
Teamchef Franco Foda hat einige Spieler im Blickfeld, darunter Rapids Ercan Kara und Youngster Yusuf Demir

ORF.at: Wie lauten allgemein Ihre erklärten Ziele für das Länderspieljahr 2021?

Foda: Ich bin jemand, der sich hohe Ziele steckt. Wenn du das nicht tust, wirst du sie nicht erreichen. Jetzt wird auch schon davon gesprochen, dass wir eine leichte WM-Quali-Gruppe haben. Das hat man auch beim letzten Mal gesagt und man wurde Vierter. Wir in Österreich, ich bin lange genug da, um mich miteinbeziehen zu können, neigen dazu, dass es nur Schwarz oder Weiß gibt.

Diese Gruppe ist für mich wieder ausgeglichen, Israel hat gerade im Offensivbereich Topleute, bei Schottland spielt Scott McTominay von Manchester United, und wo die Dänen spielen, brauchen wir gar nicht erst reden. Wir wollen natürlich einen der ersten beide Plätze belegen. Das ganz große Ziel ist Platz eins. Wir wissen aber auch, dass wir wieder an die Grenzen und alle ans Limit gehen müssen. Wir gehen positiv an die Sache heran, werden uns bestmöglich vorbereiten, um uns gleich im März eine gute Ausgangsposition für die restlichen Spiele in der WM-Quali zu erarbeiten.

Was die Europameisterschaft betrifft, wollen wir mehr erreichen als bei der letzten. Wir wollen ein Spiel gewinnen, Punkte holen, dann sehen wir weiter. Die Gruppe ist sehr spannend und ebenfalls ausgeglichen. Holland ist der Topfavorit, die Ukraine hat ein extrem gutes Team, das gut kontert. Aber auch wir haben unsere Qualitäten. Wir sind positiv gestimmt, denn wir haben bis jetzt immer unsere Ziele erreicht. Das ist nicht selbstverständlich, auch wenn das der eine oder andere glaubt. Wir bereiten uns auf die Aufgaben vor, um ein positives und erfolgreiches Jahr zu gestalten.

ORF.at: Sie haben erwähnt, dass zu einem guten Fußballspiel zwei Mannschaften gehören. Wie erwarten Sie die Gegner in diesem Jahr, und woran werden Sie mit Ihrem Team arbeiten?

Foda: Es hat sich herumgesprochen, dass wir eine gute Mannschaft haben, und viele setzen daher auf Kontersituationen. Norwegen war trotz seiner Qualität in der Offensive um Erling Haaland im ersten Spiel beispielsweise sehr passiv. Aufgrund unserer Entwicklung hat sich auch unser Spiel etwas verändert. Wir sind mehr im Ballbesitz, im Positionsspiel, und dürfen uns in der Vorwärtsbewegung keine unnötigen Fehler erlauben. Deshalb ist es auch nötig, dass wir eine gute Restverteidigung haben.

Wir müssen jetzt weiter am Positionsspiel arbeiten. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass wir alle Facetten können. Wir wollen noch mehr Lösungen in den engen Räumen finden, das Umschaltspiel forcieren, um eine Schwächephase des Gegners zu nützen. Wir haben wenig Zeit beim Nationalteam, das haben aber andere auch. Diese Zeit müssen wir effektiv nutzen. Es wird sehr intensiv für die Spieler von der Belastung her, viele sind auch ob des Europacups hoch beansprucht.

ORF.at: Welchen Einfluss wird die Belastung der Spieler bei Ihren Entscheidungen haben?

Foda: Wir haben eine Datenbank und wissen, wie die Spieler in den Vereinen beansprucht werden, darauf werden wir Rücksicht nehmen. Mir ist aber schon wichtig, dass eine Mannschaft miteinander harmoniert, und das geht fast nur mit dem gleichen Personal. Doch wir haben Möglichkeiten, dort und da Dinge zu verändern.

Wir haben bis auf die zwei Freundschaftsspiele vor der EM nur Pflichtspiele. Und wir werden von Beginn an gefordert, da es um alles geht. Wir müssen bei Veränderungen eine gute Balance finden. Heutzutage darf man keinen Gegner mehr unterschätzen. Deshalb muss man auch mit größeren Rotationen vorsichtig sein. Das sieht man auch in der Bundesliga, wenn große Rotationen stattfinden, kann das auch einen Nachteil darstellen.

ORF.at: Ein Dauerthema ist die Position von David Alaba, der bei Bayern München im Zentrum der Abwehr spielt. Wird er auch in diesem Jahr flexibel eingesetzt?

Foda: Wir machen uns im Vorfeld eines Spiels über uns und den Gegner Gedanken, dem zufolge stellen wir auf, und David hat letztlich immer da gespielt, wo er dem Team am meisten helfen konnte. Das ist eben auf unterschiedlichen Positionen der Fall, seine Qualität, und deswegen ist er so gefragt. Man darf zum einen den Club nicht mit dem Nationalteam vergleichen, und zum anderen ist David auch nur ein Spieler mit zwei Beinen. Ich bin mit seinen Leistungen, seiner Einstellung, seiner Herangehensweise hochzufrieden. Er hat sich zu einem Führungsspieler entwickelt.

ORF.at: Werden es die am Knie verletzten Konrad Laimer und Kapitän Julian Baumgartlinger rechtzeitig zur EM schaffen?

Foda: Ich bin mit beiden Spielern in stetigem Kontakt. Konny arbeitet individuell, auch bei Julian geht die Reha gut voran. Man muss natürlich von Woche zu Woche schauen, wie sich das alles entwickelt und die Reaktionen auf Belastungen sind. Aber das sieht ganz gut aus. Beide befinden sich im Plan, und Stand jetzt ist es für beide möglich, bei der Europameisterschaft dabei zu sein.

Julian Baumgartlinger (AUT), David Alaba (AUT), Eljif Elmas (MKD) und Konrad Laimer (AUT)
GEPA/Michael Meindl
Foda ist optimistisch, dass Baumgartlinger (l.) und Laimer (r.) auch bei der EM gegen Nordmazedonien spielen können

ORF.at: Bei der EM 2016 verlor Österreich das Auftaktspiel gegen Ungarn, am Ende kam das Aus als Gruppenletzter. Welche Bedeutung hat für Sie das Spiel gegen Nordmazedonien?

Foda: Wir bereiten uns auf jedes Spiel gleich vor. Aber bei diesem Turnier gibt es zunächst nur drei Spiele. Du musst auf dem Punkt die Leistung abrufen. Gerade das erste Spiel ist daher von großer Bedeutung, aber ich sage immer meinen Spielern, wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Ich als Trainer auf die Mannschaft, die Spieler auf den Platz. Alles im Umfeld, ob Erwartungshaltung groß oder klein, darf uns nicht beschäftigen. So wird das gegen Schottland sein und später gegen Nordmazedonien. Wenn man beim Auftakt positiv performt, nimmt man Energie und Selbstvertrauen mit. Das ist auch wichtig für die folgenden Spiele.

ORF.at: In der jüngeren Turniergeschichte war zumindest auffällig, dass ÖFB-Teamchefs im Ernstfall mehr ihren Spielern aus der erfolgreichen Qualifikation vertraut haben, auch wenn diese nicht in Form waren. Wie werden Sie das bei der Endrunde handhaben?

Foda: Auch hier geht es um die Balance. Auf der einen Seite schaue ich, wer regelmäßig gespielt, seine Leistung gebracht hat und auf wen ich mich verlassen kann. Auf der anderen Seite ist die aktuelle Form auch ein Kriterium. Und nicht zuletzt geht es aber auch um das Gefüge, bei einer EM bist du einige Wochen zusammen. Die Mannschaft muss in sich harmonieren, die Spieler müssen zusammen funktionieren. Es gibt viele Faktoren, die bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.

ORF.at: Einige Spieler, die bei der EM 2016 dabei waren, sind wohl auf Wiedergutmachung aus.

Foda: Die Geschehnisse bei der EM 2016 kann man nicht rückgängig machen. Wiedergutmachung ist sicherlich auch nicht der richtige Ratgeber. Alle werden hoch motiviert sein, aber alle müssen auch hoch konzentriert sein. Eines werde ich meinen Spielern aber schon auf den Weg geben: Sie haben in diesem Jahr die Chance, österreichische Fußballgeschichte zu schreiben. Denn sie können als erstes ÖFB-Nationalteam einen Sieg bei der EM holen und sich erstmals hintereinander für eine EM und eine WM qualifizieren.