Paul Meissners 1948 fertig gestelltes Bild „das österreichische Wunderteam“
Wien Museum
ÖFB

„Wunderteam“ als Antrieb für heute

Wenn das österreichische Fußballnationalteam am Donnerstag (20.45 Uhr, live in ORF1) zum Auftakt der WM-Qualifikation in Schottland antritt, geht wohl vor allem den heimischen Nostalgikern das Herz auf. Denn in diesem Jahr jährt sich der legendäre 5:0-Sieg der damaligen ÖFB-Equipe gegen die Schotten zum 90. Mal. Er gilt als die Geburtsstunde des „Wunderteams“, das einst zu Beginn der 1930er Jahre für Furore im Weltfußball sorgte. Fast ein Jahrhundert später dienen die Helden von damals als Antrieb für heute.

Nimmt man den Kern von 15 Länderspielen in den Jahren 1931, 1932 und Anfang 1933 her, gewann Österreich zwölf davon, spielte zweimal remis und verlor nur einmal – das imposante Torverhältnis lautete: 62:18. Aber nicht nur gegen Schottland wurde ein sensationelles Ergebnis eingefahren. Die von Verbandskapitän vulgo Teamchef Hugo Meisl angeführte Auswahl rund um den damaligen Starspieler Matthias Sindelar gewann etwa auch gegen Deutschland mit 6:0 (und 5:0). Das sollte die höchste DFB-Pleite bis Ende 2020 (0:6 in Spanien) bleiben.

Die einzige Niederlage des „Wunderteams“ fühlte sich wie ein Sieg an. Nach dem 3:4 gegen England an der Londoner Stamford Bridge wurde das ÖFB-Team von den Hausherren als „beste Mannschaft, die jemals gegen England gespielt hat“ bezeichnet. Österreich, dessen Spiel von britischen Einflüssen früh geprägt war, verblüffte die Fußballwelt mit seinem „Scheiberlspiel“ – flottem Kurzpassspiel gepaart mit „Schmäh“.

Karl Zischek, Fritz Gschweidl, Matthias Sindelar, Roman Schramseis, Rudi Hiden, Georg Braun, Karl Gall und Pepi Blum, Pepi Smistik, Toni Schall und Adolf Vogl
APA/Graf Sepp
Wie alles begann: Das „Wunderteam“ (mit Matthias Sindelar, 3. v. l.) ließ Schottland beim 5:0 keine Chance

Viele Mythen ranken sich um diese Ausnahmezeit in der heimischen Sportvergangenheit. Der eine oder andere Umstand dieser Zeit wirkt aber auch aktueller denn je: Die laute Kritik am Teamchef ist bisweilen gängig, eine (mögliche) „Goldene Generation“ am Werk, und nicht zuletzt kann Österreichs Fußball – wenn auch auf einem anderen Niveau – bei der Europameisterschaft im Juni sowie mit dem Erreichen der Endrunde der Weltmeisterschaft für neue Jubelstürme sorgen und auf der Landkarte des Weltfußballs wieder eine größere Rolle spielen.

Spiele des „Wunderteams“

Österreich – Schottland 5:0
Deutschland – Österreich 0:6
Österreich – Schweiz 2:0
Österreich – Deutschland 5:0
Ungarn – Österreich 2:2
Schweiz – Österreich 1:8
Österreich – Italien 2:1
Österreich – Ungarn 8:2
Tschechoslowakei – Österr. 1:1
Schweden – Österreich 3:4
Ungarn – Österreich 2:3
Österreich – Schweiz 3:1
England – Österreich 4:3
Belgien – Österreich 1:6
Frankreich – Österreich 0:4

Fußballmacht Schottland ohne Chance

An jenem 16. Mai 1931 trug sich auf der Hohen Warte in Wien Herausragendes zu. Noch nie hatte Schottland, als Teil von Großbritannien zu dieser Zeit ebenso eine Macht im Fußball, auf europäischem Festland ein Spiel verloren – und schon gar nicht mit 0:5. 40.000 Zuschauer wohnten dieser historischen Partie bei, die Erwartungen ans eigene Team waren zuvor gedämpft gewesen, und das lag nicht nur am favorisierten Gegner von der Insel.

Zweimal Karl Zischek und je einmal Sindelar, Toni Schall und Adi Vogl sorgten aber für Jubelstürme. Ersterer und Letzterer gaben in dieser Partie ihr Teamdebüt. In einem ORF-Interview anno 1991 meinte Vogl, der als letzter Spieler des „Wunderteams“ zwei Jahre später in Schweden verstarb, ob er sich das damals zutgetraut habe: „Ich kann nur spielen, wie ich spiele. Aber die anderen sind auch nur nackt auf die Welt gekommen.“

„Da habt’s euer Schmieranski-Team“

Der Glaube an die eigene Stärke überwog, und der Coach trug seinen Teil dazu bei. Meisl, mit fast 20 Jahren längstdienender ÖFB-Teamchef, soll sich dem Druck der Journalisten, die Sindelar als zentrale Spitze gefordert hatten, gebeugt haben. „Da habt’s euer Schmieranski-Team“, schrie Meisl im Wiener Ring-Cafe und schmiss einen Zettel hin. Ob gebeugt oder am Ende doch selbst ausgeklügelt, Meisls Aufstellung mit Sindelar vorne im Zentrum des damaligen 2-3-5-Systems ging auf.

Andere artikulierte Ansichten von Journalisten sind auch dem heutigen Teamchef Franco Foda nicht fremd. Zuletzt meinte der Deutsche, der vor Meisl (1,94) den erfolgreichsten Punkteschnitt als ÖFB-Teamchef (mit zumindest 30 Spielen) aufweisen kann (2,10), im Interview mit ORF.at: „Es gibt immer wieder unterschiedliche Sichtweisen von Trainer und Journalisten, und das wird immer so bleiben.“ Bei seinem Starspieler David Alaba gibt es eine interessante Parallele, denn auch dessen perfekte Position im Team ist nach elf Jahren immer noch offen.

Sicher keine Parallelen können hinsichtlich Ergebnissen und Spielweise gezogen werden. Unter Foda siegte das Team zwar zumeist und erreichte seine Ziele, aber ohne in der Regel ein Feuerwerk zu versprühen. Damals hielt das „Wunderteam“ den Ball flach und gewann hoch. „Österreich war gewissermaßen das Brasilien jener Jahre. Was Spielwitz und Technik anbetraf, so gab es keinen besseren Fußball als den österreichischen“, schreibt der ÖFB auf seiner Homepage. Auch in anderen Ländern wurde es zumindest ähnlich beschrieben.

„Wunderteam“ führte zu WM-Platz vier

Wie lange die Ära des „Wunderteams“ letztlich genau andauerte, welche Spiele alle dazu gehörten, dazu gibt es unterschiedliche Ausführungen. Für Meisl selbst, den Trainer mit Markenzeichen Stock und Melone, waren es ohnehin nur sechs Spiele mit jenen 16 Spielern, die sogar auf einem Gemälde (siehe ganz oben) verewigt wurden.

„Meisls 16“: Rudolf Hiden, Roman Schramseis, Karl Rainer, Josef Blum, Karl Sesta, Georg Braun, Johann Mock, Josef Smistik, Leopold Hofmann, Karl Gall, Walter Nausch, Karl Zischek, Friedrich Gschweidl, Matthias Sindelar, Anton Schall, Adolf Vogl

Fakt ist, dass das ÖFB-Team in der Zeit von 12. April 1931 bis 3. Juni 1934 in 31 Länderspielen 21-mal als Sieger den Platz verließ. Fodas Bilanz liest sich mit 20 Siegen in 30 Spielen nicht unähnlich. Österreich belegte in weiterer Folge bei der WM 1934 am Ende den vierten Platz, die zweiterfolgreichste Platzierung nach 1954 (3.). Davon war Österreich zwischenzeitlich meilenweit entfernt, seit geraumer Zeit darf aber wieder geträumt werden.

In der Gegenwart und nahen Zukunft kämpft Österreich vorerst um die erstmalige Qualifikation für die WM-Endrunde seit 1998. Die Hoffnungen der heimischen Fans wurden durch die quantitative und vor allem qualitative Breite an Legionären in den letzten Jahren zusehends genährt. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts wird gerne von einer „Goldenen Generation“ gesprochen. Im 100. Jubiläumsjahr des „Wunderteams“ wird man wissen, ob die Nachfolger zumindest ähnlich reüssieren konnten.