Denise Altmann
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Eishockey

Wie das Frauen-Team mit wenig viel zaubert

Das Jahr 2021 ist nicht nur aufgrund der Coronavirus-Pandemie ein besonderes Jahr im heimischen Eishockey – speziell für die Damen. Denn vor 20 Jahren betrat erstmals ein österreichisches Frauen-Nationalteam das Eis. Zwei Jahrzehnte später kratzen die Österreicherinnen an den Top Ten der Welt. „Mit besseren Voraussetzungen könnten wir noch viel mehr erreichen“, zeigt sich Denise Altmann, Österreichs erste Torschützin der Geschichte, im Gespräch mit ORF.at überzeugt. Denn Frauen müssen noch immer aus weniger finanziellen Mitteln deutlich mehr zaubern.

Am 31. März 2001 und damit zehn Jahre nachdem erstmals eine Eishockeyspielerin in Österreich als solche gemeldet war, trat in Villach das erste Frauen-Nationalteam zu einem Spiel gegen Ungarn an. Aus damals offiziell 100 Spielerinnen der sieben existierenden Vereine stellte der langjährige Männer-Teamchef Ken Tyler die historische Formation zusammen.

Darunter war auch die damals 13-jährige Denise Altmann. Und der Stürmerin gelang es auch, die Premieren-Equipe in Führung zu schießen. Am Ende ging die Partie gegen die routinierteren Ungarinnen zwar mit 1:4 verloren, dennoch war die Partie für die historische Torschützin zumindest im Rückblick „ein Erlebnis, und schon sehr speziell. Aber mit 13 Jahren denkt man sich nicht so viel dabei, da ist es ein Spiel wie jedes andere.“ Schon im nächsten Auftritt gab es übrigens den nächsten Sieg. Im November gleichen Jahres wurde Slowenien mit 7:0 vom Eis gefegt.

Denise Altmann, 2017
GEPA/David Rodriguez Anchuelo
Altmann (Nr. 22) ließ dem ersten rot-weiß-roten Treffer der Geschichte 272 weitere Scorerpunkte folgen

Altmann, die motiviert von ihrem ein Jahr älteren Bruder Mario – jahrelang selbst Profi und Teamspieler – mit dem Eishockeyspiel begann, steht wie keine andere für den Weg, den das heimische Damen-Eishockey seit jenem ersten Spiel in Villach genommen hat. Bereits beim ersten Antreten bei einer WM 2004 gelang souverän der Aufstieg von der Division III in die Division II, seit 2009 ist man Stammgast in der Division I. 2017 und 2018 verpasste man den Aufstieg unter die zehn besten Nationen der Welt jeweils nur hauchdünn.

Kontinuität als Erfolgsrezept

„Der ganze Weg der Nationalmannschaft – von diesem ersten Spiel in Villach bis jetzt, wo wir um den Aufstieg in die A-Gruppe gekämpft haben, ist schon eine coole Geschichte, bei der man dabei sein durfte“, erinnert sich Altmann, die diese angesichts der vorhandenen Mittel bemerkenswerte Erfolgsstory an vorderster Front mitschrieb. Dank des Einsatzes von Martin Kogler im Rahmen des Österreichischen Eishockeyverbandes und des Zusammenhalts innerhalb des Teams sei aus wenig viel geschaffen worden, so die Wienerin.

„Wir ‚Älteren‘, wo ich jetzt auch dazuzähle, mit einer Esther Kantor (seit ihrer Hochzeit Väärälä, Anm.) oder Eva Beiter, waren mit 13, 14 oder 15 schon dabei. Wir haben ein Fundament gelegt und alle immer ein gemeinsames Ziel verfolgt: Das ist das Nationalteam, und darum geht’s, wir gehen alle gemeinsam in die gleiche Richtung und haben dabei Spaß. Wir haben auch immer alle auf unseren Trainer gehört und das Spielsystem so umgesetzt, wie er sich das vorgestellt hat“, so Altmann. Dazu habe es im Team keinerlei Starallüren gegeben: „Wir haben aber immer darauf geschaut, dass es allen Spaß macht und sich alle willkommen fühlen und ein Teil des Teams sein wollen.“

Jari Risku
GEPA/Daniel Goetzhaber
Aktuell hören die österreichischen Nationalspielerinnen auf die taktischen Anweisungen von Teamchef Jari Risku

Wenig Ressourcen

Ohne die große Portion Idealismus wäre Frauen-Eishockey in Österreich bereits wieder ausgestorben. Denn die Anerkennung des Spiels und damit einhergehende finanzielle Mittel sind hierzulande noch immer dünn gesät. „Wir haben nicht die besten Möglichkeiten im österreichischen Eishockey. Dafür, was wir geschafft haben, sollten wir viel mehr Unterstützung erhalten. Man sieht natürlich, dass wir mit wenig viel schaffen. Aber mit besseren Voraussetzungen könnten wir vielleicht noch viel mehr erreichen“, so Altmann.

Tatsächlich schaut die Situation im Vergleich mit den Männern düster aus. Einzig bei Altmanns Stammclub Sabres Vienna, den Salzburg Eagles und neuerdings in Kärnten mit den KEHV Lakers des Landesverbandes stünden etwas mehr Ressourcen zur Verfügung. Diese drei Teams messen sich auch in der European Womens’s Hockey League (EWHL) mit Teams aus Ungarn, der Slowakei, Italien und sogar Kasachstan. Davon leben kann man als Eishockeyspielerin in Österreich aber weder in Wien noch in Salzburg. Die EWHL ist aber ein mögliches Sprungbrett für junge Spielerinnen ins Ausland – und da speziell in größere Ligen wie jene in Schweden.

Schwedische Gleichberechtigung

Diesen Weg ging 2007 auch Altmann, die dank eines Stipendiums in Linköping nicht nur studierte, sondern auch für die Frauen-Mannschaft des Traditionsclubs der Stadt die Eisschuhe schnürte. Und das höchst erfolgreich. Denn die Wienerin war fünfmal Topscorerin der Svenska damhockeyligan (SDHL), der obersten schwedischen Liga, und gewann mit Linköping zweimal die Meisterschaft. Für Hockeysverige.se gehört die 33-Jährige – die 2018 offiziell zwar ihre Karriere beendete, aber noch immer in der siebtgrößten Stadt Schwedens auf halbem Weg von Stockholm nach Göteborg lebt und arbeitet – zu den fünf besten Legionärinnen, die die SDHL jemals sah.

Esther Väärälä
GEPA/Daniel Goetzhaber
Auch Österreichs Rekordspielerin Esther Väärälä (Mi.) spielte zwischenzeitlich in Kanada und Ungarn

Der Wechsel in die schwedische Liga sei laut Altmann aber nicht aus finanziellen Gründen – auch im hohen Norden können Spielerinnen von Eishockey alleine nicht leben –, sondern zur Entwicklung des eigenen Spiels notwendig. Denn im hohen Norden sind Frauen-Teams als gleichberechtigter Teil bei den Vereinen etabliert. „Wir haben hier eine eigene Kabine, müssen unsere Ausrüstung nicht selbst herumschleppen. Es gibt eine eigene Kraftkammer, wo du immer hingehen kannst“, zählt Altmann selbstverständliche Dinge eines Eishockey-Betriebs auf, die aber für Spielerinnen noch immer Luxus sind. Außerdem: „Wir haben das Eis viermal die Woche, können aber auch sieben Tage die Woche aufs Eis, wenn wir wollen. Das gibt es, glaub ich, in Österreich bei keiner Damen-Mannschaft.“

Ein Grund für die bessere Ausstattung liegt auch in einer Gleichberechtigungsklausel in Sachen Sponsoring. Dadurch hätten etablierte Männer-Vereine Ansporn, ein Frauen-Team ins Leben zu rufen. „Sponsorgelder erhält zwar der gesamte Verein, doch die Firmen müssen einen Teil davon der Damen-Mannschaft zur Verfügung stellen“, erklärt Altmann, „es gibt in unserer Liga nur zwei Teams, die keinen prominenten Verein hinter sich haben. Die haben es aber auch viel schwerer.“ Denn nur dank der Ticketeinnahmen („Es sehen in einer normalen Saison bei Spielen so um die 100 Zuschauer zu“) ist auch in Schweden Damen-Eishockey nicht zu finanzieren.

„Lasst uns unseren Spaß haben“

Für Altmann ist Schweden daher in dieser Hinsicht das richtige Vorbild für Österreich. „Es wäre gut, wenn sich die Herren-Mannschaften mehr einbringen würden, um das Damen-Eishockey zu pushen und zu fördern. Es müsste in den Clubs neben einer Herren- auch eine Damen-Mannschaft geben. Dadurch würden auch mehr Mädchen anfangen zu spielen, etwa bei den Nachwuchsteams der Vereine wie KAC oder Vienna Capitals“, so die ehemalige „Poängdrottning“ (Punktekönigin), die seit dem Ende ihrer aktiven Karriere bei Linköping als „Materialförvaltare“ (Zeugwartin) dafür sorgt, dass die Spielerinnen ein Top-Umfeld vorfinde.

Dazu müsse sich auch die Einstellung zum Frauen-Eishockey in Österreich ändern, so die Torjägerin, die sich in Sachen Spielstil und Effizienz immer die lebende tschechische Legende Jaromir Jagr zum Vorbild nahm. Denn nichts ärgert die 33-Jährige mehr, als wenn die angebliche fehlende Härte als Argument gebracht wird und Frauen überhaupt die Berechtigung, Eishockey zu betreiben, abgesprochen wird. „Aber was mich stört, ist, wenn jemand sagt, wir sollen nicht spielen. Ihr müsst es nicht anschauen, aber lasst uns unseren Spaß haben“, so Altmann.

Großen Spaß würde es der ersten Torschützin Österreichs auch machen, wenn sich ihre Nachfolgerinnen erstmals für ein olympisches Turnier qualifizieren würden. Obwohl Altmann noch in den vergangenen Saisonen jeweils gegen Ende des Grunddurchgangs einsprang, hat die Stürmerin keine Ambitionen, für Peking wieder aktiv zu werden. „Wenn sich die Mannschaft qualifiziert, möchte ich ja auch keiner den Platz wegnehmen, die vielleicht geholfen hat, das Team zu Olympia zu führen“, sagt Altmann, die sich im Nationalteam nur mehr eine Aufgabe vorstellen kann: Materialförvaltare.