Dass das in einem sehr gut besetzten Feld gelingen kann, hat der 27-Jährige aus dem Bora-Team unlängst auf dem letzten Teilstück der Tour of the Alps bewiesen. Nicht zuletzt dieser Erfolg lässt den Marchtrenker auf einen Coup hoffen. „Natürlich wäre ein Etappensieg das Riesenziel. Das ist mein großer Traum, aber ich weiß, dass dafür alles zusammenpassen muss“, betonte Großschartner vor seinem dritten Giro.
Mit einem Etappensieg würde er es Lukas Pöstlberger gleichtun, sein Teamkollege gewann 2017 sensationell den Auftakt. Mit dem Alps-Tour-Erfolg tankte Großschartner rechtzeitig vor dem Giro viel Selbstvertrauen. „Gewinnen ist schwer, und das passiert ja nicht so oft. Das hat schon sehr gutgetan.“ Seine Form und das Gefühl seien jedenfalls gut. „Vielleicht gelingt es mir, dass ich mich noch steigern kann.“
Großschartner mit Freiheiten für Nadelstiche
Die Gesamtwertung ist für ihn aber kein Thema, er ist vor allem als Helfer für Bora-Kapitän Emanuel Buchmann vorgesehen. „Aber ich werde auch meine Freiheiten bekommen. Ich werde mir vier, fünf Etappen raussuchen, wo ich es probieren kann“, betonte Österreichs Radsportler des Jahres 2020, der im Herbst bei der Vuelta wieder die Führungsrolle einnehmen darf.
Der Deutsche Buchmann ist im Kampf um die Giro-Siegestrophäe einer von etlichen Podestplatzkandidaten. Als erster Sieganwärter gilt aber Yates. Der 28-Jährige in Diensten des BikeExchange-Rennstalls war bei der Generalprobe der deutlich Stärkste. Im Giro hat er schon etliche Höhen, aber auch Tiefen erlebt. 2018 brach er nach langer Dominanz mit drei Etappensiegen in der Schlussphase noch ein. Im Vorjahr, als erst im Oktober gefahren wurde, musste er nach einem positiven Coronavirus-Test kurzfristig passen.
Diesmal dürften seine schärfsten Widersacher der immer wieder von Rückenproblemen geplagte Ex-Tour-Sieger Egan Bernal (Ineos), Mikel Landa (Bahrain) und Joao Almeida (Deceunicnk) sein. Aber auch der Vorjahreszweite Jai Hindley (DSM), Hugh Carthy (EF) und Alexander Wlasow (Astana) wollen mitreden.
Spannung vor Comebacks
Italiens Altstar Vincenzo Nibali (Trek) hingegen hat seine besten Tage hinter sich, außerdem geht er nach einem Handgelenksbruch stark gehandicapt an den Start. Titelverteidiger Tao Geoghegan Hart (Ineos) ist nicht dabei. Andere wie Dan Martin möchten jedoch weit vorne landen. Einer der Helfer des Iren im Israel-Team ist Matthias Brändle. Der Vorarlberger darf sich als zweiter Österreicher im Feld in den beiden Zeitfahren am ersten und letzten Tag sowie möglicherweise an dem einen oder anderen Tag in einer Fluchtgruppe austoben.
Besonderes Augenmerk gilt dem Comeback von Wunderkind Remco Evenepoel. Der Belgier bestreitet sein erstes Rennen nach langer Verletzungspause.
Zurück im Peloton ist nach neunmonatiger Sperre auch Dylan Groenewegen. Der Niederländer hatte seinen Landsmann Fabio Jakobsen Anfang August 2020 bei der Polen-Rundfahrt in einem abschüssigen Zielsprint in Katowice bei mehr als 80 km/h in eine Absperrung gedrängt. Jakobsen lag zwischenzeitlich im künstlichen Koma, musste mehrmals operiert werden, hatte nach dem Sturz nur noch einen eigenen Zahn und musste im Gesicht mit 130 Stichen genäht werden.
Vor seiner Rückkehr gab sich Groenewegen daher auch demütig. „Die Frage ist, wie die anderen Fahrer auf mich reagieren. Ich werde jede Emotion akzeptieren“, sagte der Sprintspezialist, der u. a. vier Etappensiege bei der Tour de France zu Buche stehen hat, „ich denke, meine Anwesenheit wird in der nächsten Zeit genau unter die Lupe genommen.“ Seine Sperre von neun Monaten war die bisher härteste ausgesprochene Sanktion für ein ähnliches Vergehen. Die Sperre lief genau einen Tag vor dem Giro-Auftakt ab.
Viele schwere Bergetappen
Bei der 104. Ausgabe des Giros sind auch heuer wieder Kletterqualitäten gefragt. Die Sprinter um Peter Sagan, Caleb Ewan und auch Groenewegen bekommen wieder einmal nur wenige Gelegenheiten. Die Bergfahrer dürfen sich jedoch auf zahlreiche Auf- und Abfahrten freuen. Erstmals richtig interessant wird es für sie auf der neunten Etappe mit dem Schlussanstieg auf einer Schotterstraße zum Campo Felice. Auch das elfte Teilstück mit mehr als 30 Kilometern auf Naturstraßen der Toskana könnte besonders interessant werden.
Richtig hart wird es am 14. Renntag bei der Bergankunft auf dem gefürchteten Monte Zoncolan unweit der österreichischen Grenze und auf der zwei Tage später folgenden Königsetappe. Auf dem 212 Kilometer langen Weg von Sacile über die Pässe Fedaia, Pordoi und Giau nach Cortina d’Ampezzo sind 5.700 Höhenmeter zu bewältigen. Daraufhin folgen noch drei weitere schwere Bergetappen und das abschließende 30-km-Zeitfahren nach Mailand.