Formel 1

Hamilton bleibt Maßstab bei Strategie

Lewis Hamilton hat seinem schärfsten Konkurrenten Max Verstappen am Sonntag in Barcelona erneut vor Augen geführt, warum der Weg zur WM-Krone auch heuer nur über ihn führen wird. Der englische Titelverteidiger schnappte dem Niederländer mit einer taktischen Meisterleistung den Sieg weg und bewies gemeinsam mit seinem Mercedes-Team, dass er in Sachen Strategie der Maßstab bleibt. Dazu fehlen Verstappen und Red Bull weiterhin die entscheidenden km/h, um Hamilton von der Spitze zu verdrängen.

Hamilton, der bereits am Samstag mit seiner 100. Poleposition einen neuen Meilenstein in der Formel-1-Geschichte erreicht hatte, setzte sich dank perfekter Strategie vor Verstappen und seinem finnischen Teamkollegen Valtteri Bottas durch. Der siebenfache Weltmeister durfte sich über seinen fünften Sieg en suite und seinen insgesamt sechsten Erfolg auf dem Circuit de Catalunya freuen. Fünf Siege in Folge auf einer Rennstrecke hatte davor nur der legendäre Ayrton Senna in Monte Carlo zu Buche stehen. Mit seinem dritten Sieg im vierten Rennen baute Hamilton seine Führung in der WM-Wertung auf 14 Punkte aus.

Der insgesamt 98. Sieg in einem Grand Prix seiner Karriere war einmal mehr das Resultat der perfekten Kombination aus fahrerischem Können, überlegener Motorenpower und einer taktischen Meisterleistung. „Ihr beeindruckt mich immer wieder. Was für ein Tag!“, bedankte sich der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Hamilton bei seinem Team, das ihm mit ideal getimten Reifenwechseln den Weg zum Sieg ebnete. Teamchef Toto Wolff war ebenfalls rundum zufrieden. „Das war eine große Strategie des Teams und eine großartige fahrerische Leistung von Lewis.“

Red Bull auf der Suche nach PS

Nachdem sich Max Verstappen beim Grand Prix von Spanien am Sonntag zum dritten Mal in der Saison Lewis Hamilton (Mercedes) geschlagen geben musste, ist man bei Red Bull Racing auf der Suche nach den fehlenden PS.

Hamilton verlor zwar seine Spitzenposition an den gewohnt aggressiv startenden Verstappen und fuhr dem Niederländer auch nach einem Restart nach Safety-Car-Phase lange hinterher, doch sechs Runden vor Schluss hatte der Red-Bull-Star dem Titelverteidiger nichts mehr entgegenzusetzen. Dank besserer Reifen schob sich Hamilton locker an Verstappen vorbei und brachte seinen dritten Saisonsieg ins Trockene. „Ich habe alles probiert, es aber kommen gesehen. Mir war klar, dass sich das nicht ausgehen kann und wir nicht viel dagegen tun können“, sagte Verstappen, der bis zuletzt darauf hoffte, mit einer Einstoppstrategie durchzukommen.

Mercedes Fahrer Lewis Hamilton beim Boxenstopp
AP/Emilio Morenatti
Mercedes timte die Boxenstopps von Hamilton in Barcelona perfekt

Missverständnis und fehlendes Tempo

Dass die Strategie von Red Bull im 100. Rennen von Verstappen für das Team von Dietrich Mateschitz nicht aufging, ging teilweise auch auf die Kappe des 23-Jährigen. Denn Verstappen kam in der 24. Runde, unmittelbar nachdem Bottas den Reigen der Reifenstopps der Spitzenteams eröffnet hatte, an die Box – und damit zu früh. Der Niederländer brachte seine normalerweise in Rekordzeit arbeitende Crew, die noch nicht einmal alle Reifen parat hatte, in Bedrängnis und verlor bereits in dieser Phase wertvolle Sekunden. „Ein Missverständnis. Nächste Runde wäre gemeint gewesen“, wie Berater Helmut Marko im ORF-Interview zugab.

Hamilton kam deutlich später an die Box und löschte den zwischenzeitlichen Rückstand auf Verstappen im Eiltempo aus. Mit ungefähr gleich abgefahrenen Reifen konnte der Niederländer seinen Konkurrenten vorerst noch auf Distanz halten, doch dass Hamilton in der 43. Runde noch einen weniger ramponierten Medium-Reifen aufziehen konnte, sorgte letztlich für die Entscheidung. Verstappen wäre bei einem sofortigen Konter des Stopps nur noch ein Soft-Reifen zur Verfügung gestanden – und der hätte angesichts der verbleibenden Renndistanz nichts gebracht. Selbst dass sich Hamilton durch den zweiten Stopp 23 Runden vor Schluss 23 Sekunden Rückstand auf Verstappen auflud, schreckte daher niemanden.

Red Bull’s Fahrer Max Verstappen hinter einem safety car
APA/AFP/Lluis Gene
Verstappen ließ sich in der Anfangsphase nur vom Safety Car einbremsen

So suchte der Imola-Sieger, der 2016 sein erstes Rennen für Red Bull an gleicher Stelle gewonnen hatte, sein Heil in der Flucht nach vorne. Gegen den Mercedes-Motor und die frischeren Reifen bei Hamilton war Verstappen jedoch letztlich chancenlos. „Ich brauche einfach ein schnelleres Auto“, sah der 23-Jährige im Geschwindigkeitsunterschied den Hauptgrund für seine neuerliche Niederlage. Der WM-Zweite kam, nachdem er vom Titelverteidiger überholt worden war, zwar doch noch ein zweites Mal an die Box, mehr als der Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde war aber nicht mehr möglich. „Das war Schadensbegrenzung“, sagte Marko und gab Verstappen recht: „Entscheidend war letztlich aber, dass das Renntempo der Mercedes deutlich besser war als unseres. Da waren wir chancenlos.“

Presse feiert „Virtuose“ Hamilton

Immerhin spornt Verstappen seinen 13 Jahre älteren Konkurrenten Hamilton zu immer neuen Höchstleistungen an. Für die internationale Presse bleibt Letztgenannter aber vorerst klar das Maß der Dinge. Für den englischen „Guardian“ war Hamiltons Triumph eine „heilsame Erinnerung daran, was für eine eindrucksvolle Kombination der Weltmeister und sein Team sind. Hamiltons kontrollierte, unerbittliche Fahrweise, gepaart mit einer cleveren und mutigen Strategie, war einer der Eckpfeiler ihres Erfolgs.“ Für die „Daily Mail“ war die Vorstellung Hamiltons für Verstappen „eine spanische Lektion“. Die „Sun“ zeigte sich vor allem über das „brillante Duell“ begeistert.

Die spanische „As“ meinte den vielleicht besten Hamilton aller Zeiten gesehen zu haben. „Der Veteranenstatus ist ein Zustand der Anmut. Reife, Erfahrung, Intelligenz, Schlauheit, Gelassenheit, Talent – unverzichtbare Zutaten im Streben nach Exzellenz, die sich im richtigen Maß zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Karriere eines Profis, auch eines Sportlers, verbinden. Und genau in diesem Zustand der Virtuosität befindet sich Lewis Hamilton derzeit“, schrieb die Zeitung. Verstappen sei sicher die Zukunft, doch „Hamilton ist zweifelsfrei immer noch die Gegenwart“.

Neuer Hamilton-Vertrag vor Sommerpause?

Wolff und sein Erfolgspilot Hamilton wollen nun eine Situation wie zuletzt verhindern, als der Superstar bis kurz vor Saisonstart noch keinen neuen Vertrag unterzeichnet hatte. „Es hat mir den ganzen Winter ruiniert und ich bin sicher, Toto hat es auch nicht gerade geholfen, um entspannen zu können“, sagte Hamilton. Der Brite strebt daher eine Einigung mit dem Rennstall noch vor der Sommerpause im August an.

Wolff sieht das ähnlich. „Momentan haben wir im Kampf mit Red Bull zwar nicht so ganz den Kopf dafür. Wir wollen es aber keinesfalls wieder bis Jänner schleifen lassen.“ Hamilton jedenfalls würde noch vor der Sommerpause gerne „ein klares Bild über die Zukunft“ haben. Wie lange er insgesamt noch in der Formel 1 fahren wolle, sagte der Brite aber nicht. Apropos Zukunft: Weiter geht die Saison am 23. Mai auf den Straßen Monte Carlos, wo nach einem Jahr coronavirusbedingter Pause wieder um WM-Punkte gefahren wird.