„Ich denke, Angriff ist immer die beste Verteidigung. Ich werde nicht abwarten“, hatte Bernal angekündigt. Die kompromisslose Attacke auf dem über 2.200 Meter hohen Passo Giau vor dem zweiten Ruhetag am Dienstag zeigte, dass es nicht nur leere Worte waren.
„Das war eine ziemlich draufgängerische Aktion. Wir sind sehr stolz auf ihn“, lobte ihn Teamchef David Brailsford. Bernal selbst meinte, er habe etwas Besonderes machen wollen: „Ich wollte zeigen, dass ich zurück im Spiel bin.“
Krise nach Tour-de-France-Sieg
Der Kletterspezialist hat zwei harte Jahre hinter sich. Als er 2019 als erster Südamerikaner die Tour gewann, sahen viele Experten in ihm den kommenden Dominator. Doch dann streikte der Körper. Im Vorjahr stieg Bernal bei der Tour mit Rückenproblemen vorzeitig vom Rad und fuhr danach fast sieben Monate lang kein Rennen mehr.
Seine Krise hat Bernal überwunden. Ein Grund dafür ist seine mentale Stärke, von der er neben den exzellenten körperlichen Voraussetzungen auch im Rennen zehrt. „Mir gefällt es auch, wenn es hart wird, wenn man Willen braucht. Dann kann man ein Spektakel liefern“, erklärte der zweifache Etappensieger bei seinem Giro-Debüt.
Pantani als Kindheitsidol
Die Herzen der Italiener hat Bernal längst erobert. Durch seine Zeit beim Team Androni (2016/17) spricht er ihre Sprache, und manche ziehen bereits Vergleiche zu Marco Pantani. Der 2004 an einer Überdosis Kokain verstorbene Tour- und Giro-Sieger von 1998 war ein Kindheitsidol des in einem Armenviertel aufgewachsenen Bernal.

„Ein Bild von Pantani war auch das Einzige, was ich an Radsportsachen in meinem Kinderzimmer hatte, insofern freuen mich die Vergleiche“, sagte Bernal. „Ich will aber Pantani nicht kopieren.“ Verständlich, denn „Il Pirata“ feierte seine Erfolge in der Hochzeit des Dopings. Bernal hat sich von verbotenen Mitteln stets distanziert, einen konkreten Verdacht gegen ihn gab es bisher nicht.
Die 17. Etappe der 104. Giro-Auflage führt am Mittwoch von Canazei über 193 Kilometer und den Passo di San Valentino zur Bergankunft in Sega di Ala. Die Teilstücke am Freitag und Samstag enden ebenfalls mit Bergankünften in Alpe di Mera bzw. Valle Spluga, die Schlussetappe ist am Sonntag ein Einzelzeitfahren nach Mailand.
104. Giro d’Italia
