Trevor Moore (USA) und Mario Ferraro (CAN) und Adin Hill (CAN)
AP/CTK/Vit Simanek
Eishockey-WM

Semifinale im Zeichen der Revanche

Die Liste der Kandidaten für die Goldmedaille der A-Weltmeisterschaft 2021 in Lettland hat sich auf vier Teams reduziert. Am Samstag spielen sich zuerst Kanada und die USA im Nordamerika-Derby (13.15 Uhr) das erste und später Titelverteidiger Finnland und Deutschland (17.15 Uhr, jeweils live in ORF Sport +) das zweite Finalticket aus. Vor allem die Deutschen hoffen nach ihrem Coup gegen die Schweiz nun auf einen ähnlich großen Wurf wie zuletzt bei Olympia 2018.

Die Deutschen wittern die große Chance auf die erste WM-Medaille seit 1953. Bei der Endrunde in Riga steht man nach dem dramatischen 3:2-Sieg nach Penaltyschießen über die Schweiz, bei dem man einen 0:2-Rückstand wettmachte, erstmals seit 2010 wieder im Halbfinale. Dort wartet allerdings erneut Titelverteidiger Finnland, der das direkte Duell der Vorrundengruppe B mit 2:1 für sich entscheiden konnte. Auch die USA und Kanada standen sich bei der 85. WM der Geschichte bereits in der Gruppenphase in Pool B gegenüber. Die Partie endete mit einem klaren 5:1-Erfolg der USA.

Seit der Abfuhr am 23. Mai hat sich aber speziell bei den Kanadiern das Blatt zum Besseren gewendet. Zwar schaffte es der 26-fache Weltmeister nur mit Ach und Krach ins Viertelfinale, dort zwangen die jungen „Ahornblätter“ aber die russische „Sbornaja“ mit 2:1 in der Verlängerung in die Knie. Dementsprechend gestärkt gehen die Kanadier auch in die Revanche mit den USA. „Es wird ein tolles Spiel“, sagte Goalie Dary Kuemper, der im Vorrundenspiel bei 17 US-Schüssen viermal hinter sich greifen musste, „es ist eine echte Rivalität, und es geht um viel. Wir spielen jetzt viel besser, also gehen wir raus, spielen unser Spiel und werden Spaß haben.“

Darcy Kuemper (CAN)
AP/Vit Simanek
Kanadas Schlussmann Kuemper war in der Vorrunde gegen die USA machtlos

Allerdings agierten die Amerikaner bisher bei der WM in Riga von allen Teams am souveränsten. Mit sechs Siegen aus sieben Spielen marschierten die US-Boys fast makellos durch die Gruppenphase.

Und auch im Viertelfinale hatte die Mannschaft von Trainer Jack Capuano mit der Slowakei beim 6:1 keine Probleme. Das Torverhältnis von 27:9 spricht in Sachen Offensivkraft der USA eine klare Sprache. In der ewigen Statistik hat aber Kanada ganz klar die Nase vorne: Von bisher 48 Derbys bei einer WM gingen 41 an die Kanadier. Ein Finaleinzug der USA wäre fast schon historisch. Zuletzt standen die Amerikaner beim Olympiaturnier 1960 in Squaw Valley, das gleichzeitig als WM galt, im Endspiel.

Deutschland und der Geist von 2018

Eine deutsche Auswahl war zuletzt 2010 bei der Heim-WM in Köln und Mannheim in einem Semifinale. Im Endspiel einer Weltmeisterschaft stand Deutschland überhaupt erst einmal, und das ist schon 91 Jahre her. 1930 unterlag eine deutsche Auswahl Kanada glatt 1:6. Doch nach dem Viertelfinal-Coup gegen die Schweiz hat die Mannschaft von Teamchef Toni Söderholm nun Lust auf mehr – und nicht nur auf die erste WM-Medaille seit der Silbernen 1953, die damals mit Platz zwei in einer Tabelle geholt wurde. „Wenn man Weltmeister werden will, muss man jeden schlagen“, sagte Kapitän Moritz Müller. „Wir sind noch nicht fertig. Wir werden nicht aufhören.“

Das Turnier in Riga weckt in Deutschland Erinnerungen an die Olympischen Spiele 2018 im südkoreanischen Pyeonchang. Damals drang die DEB-Auswahl sensationell bis ins Finale vor und musste sich dort den Olympischen Athleten aus Russland denkbar knapp mit 3:4 in der Verlängerung geschlagen geben. „Es ist genauso hier wie bei den Olympischen Spielen. Ich spüre denselben Geist in der Kabine wie damals“, sagte Dominik Kahun vor dem Semifinale.

Spieler der deutschen Eishockeynationalmannschaft jubeln
Reuters/Vasily Fedosenko
Nach dem Sieg über die Schweiz träumen die Deutschen jetzt vom ganz großen Wurf

Auch Teamchef Söderholm sieht sein Team noch nicht am Ende. „Zur Geschichte, die wir schreiben, kommen noch Kapitel dazu. Das ist der allgemeine Wille“, so der Finne. Detail am Rande: auch in Pyeongchang fehlten mit Torjäger Leon Draisaitl und Goalie Philipp Grubauer zwei der prominentesten Spieler. Das Selbstvertrauen im Team ist auch ohne die zwei Leistungsträger aus der National Hockey League (NHL) groß. „Wir haben bewiesen, dass wir ein großes Team sind. Wir wissen, wie gut wir sind – egal, gegen wen wir spielen. Ich glaube, wir haben wirklich eine gute Chance“, so Kahun, selbst Teamkollege von Draisaitl in der NHL.

Finnen sind auf der Hut

Bei den Finnen, die vor zwei Jahren in der Slowakei etwas überraschend ihren dritten WM-Titel gewannen, ist man vor Deutschland jedenfalls gewarnt. „Sie sind ein hartes Team, spielen hartes Hockey“, meinte Finnlands Liro Pakarinen über die Deutschen. Auch Jukka Jalonen erwartet ein schweres Spiel. „Es wird hart – und es könnte wieder ein Ein-Tor-Spiel werden“, sagte der Coach der „Lejonat“, dessen Team dank eines hart erkämpften 1:0-Sieges über Tschechien das Semifinal-Ticket buchte.

Zudem kennt man bei den Deutschen mittlerweile das Gefühl, wie es ist, die Eishockeygroßmacht Finnland zu besiegen. Bei der WM 2018 hatte Deutschland die Finnen erstmals seit 25 Jahren wieder geschlagen. Und auch vor zwei Jahren gelang ein Erfolg gegen die Heimat von Bundestrainer Söderholm, der mit Assistent Ville Peltonen und Tormanntrainer Ilpo Kauhanen weitere finnische Expertise im deutschen Trainerteam hat.