Cristiano Ronaldo und Bruno Fernandes
AP/Armando Franca
Fußball-EM

Portugal hat mehr als nur Ronaldo zu bieten

Fünf Jahre nach dem überraschenden Titelgewinn in Frankreich ist Portugal bei der EM 2021 ein Mitfavorit. Neben Superstar Cristiano Ronaldo kann die Mannschaft auf zahlreiche Klassespieler zurückgreifen und auf die Erfahrung von Teamchef Fernando Santos setzen, der wie zehn seiner verbliebenen Spieler 2016 den historischen ersten großen Titel gewann. Zum Auftakt treffen die Portugiesen am Dienstag (18.00 Uhr, live in ORF1) in der Puskas-Arena von Budapest, dem einzigen komplett gefüllten EM-Stadion, auf Ungarn.

In der „Todesgruppe“ F darf sich die „Selecao“ aber keinen Fehlstart leisten, warten doch neben Ungarn noch Deutschland und Weltmeister Frankreich als Gegner. „Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals eine so extrem harte Gruppe gesehen zu haben“, sagte Santos, nicht ohne selbstbewusst zu ergänzen: „Portugal kann es mit allen Teams mit Titelambitionen aufnehmen.“

Die EM-Generalprobe verlief mit einem 4:0 gegen Israel dominant, aber nicht tadellos: „Es gibt sicherlich vieles zu verbessern“, sagte Santos und packte nach der Peitsche das Zuckerbrot aus: „Jetzt lasst uns rasten und in Ruhe vorbereiten. Dieses Team hat einen großen Willen und einen ausgezeichneten Teamgeist.“

Portugal startet ins Turnier

In Gruppe F startet am Dienstag Titelverteidiger Portugal ins Turnier. Das Team um Superstar Cristiano Ronaldo ist in Budapest gegen Ungarn in der Favoritenrolle.

Alles für die Titelverteidigung gepackt

Als einer von wenigen hatte sich der Trainer im Vorfeld des späteren Coups in Frankreich aus der Deckung gewagt und den Titel als Ziel ausgegeben. Warum also etwas ändern: „Das Ziel ist der Europameistertitel“, sagte Santos im portugiesischen Staatsfernsehen vor wenigen Tagen. „Ich packe meinen Koffer für einen Monat, auch die Zigaretten.“

Fernando Santos
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Santos weiß, wie man Europameister wird

Die EM-Titelverteidigung ist bisher nur dem erfolgreicheren Nachbarn Spanien (2008, 2012) gelungen. Mit Blick auf den Kader ist das nun auch Portugal zuzutrauen. Die Offensivabteilung ist möglicherweise neben jener Frankreichs die beste aller Teilnehmer – dazu gehören neben Ronaldo etwa Bernardo Silva (Manchester City), Joao Felix (Atletico Madrid), Diogo Jota (Liverpool), Andre Silva (Eintracht Frankfurt) oder Bruno Fernandes (Manchester United).

Auch die Abwehr kann sich sehen lassen

Die Defensive gibt dem seit September 2014 als Teamchef arbeitenden Santos ebenso wenig Anlass zur Sorge: Mit Ruben Dias von Manchester City steht der offiziell beste Spieler der Premier League in der Innenverteidigung.

Die Außenverteidiger Joao Cancelo (Manchester City) und Raphael Guerreiro (Borussia Dortmund) gelten als verlässlich, Pepe (Porto) und Jose Fonte (Lille) sowie der etwas jüngere Joao Moutinho (Wolverhampton) sollen, wenn nicht auf dem Spielfeld, dann abseits davon durch ihre Routine als Ruhepole dienen.

Keine Stammplatzgarantie für Ronaldo

Das könnte notwendig sein, sollte Santos die Rollen und Einsatzzeiten seiner Offensivkräfte nicht gut organisieren. Eine Stammplatzgarantie gab es im Vorfeld selbst für Ronaldo nicht. Natürlich genießt der Kapitän aber fast alle Freiheiten. „Cristiano ist keiner, der aus defensiver Sicht viel in die Mannschaft einbringt“, sagte Santos. „Das wollen wir auch gar nicht. Das war immer der Fall, und das Team weiß das. Ronaldo verschafft uns Respekt beim Gegner und schießt Tore.“

 Eder trifft im EM-Finale 2016
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Im EM-Finale 2016 wurde Ronaldo-Ersatz Eder zum Matchwinner

Dass es auch ohne seinen großen Star funktionieren kann, bewies die Mannschaft im EM-Endspiel 2016 gegen Frankreich, in dem Ronaldo früh verletzt ausschied. Eder sprang mit dem Goldtor in der Verlängerung perfekt in die Bresche. Davor hatten die Portugiesen nur eines ihrer sieben EM-Spiele nach regulärer Spielzeit gewonnen und gegen Österreich nur 0:0 gespielt.

„Alle Rekorde müssen gebrochen werden“

Geglänzt hat Portugal auch auf dem Weg zur anstehenden EM nur selten. Als Qualizweiter hinter Österreichs EM-Gegner Ukraine gelangen dem Nations-League-Gewinner in acht Spielen aber fünf Siege (22:6 Tore). Die Hälfte aller Treffer – darunter sieben gegen Litauen – erzielte Ronaldo, der ein persönliches Projekt erfolgreich vorantrieb: Mit 104 Toren im Teamdress fehlen ihm nur noch fünf auf den internationalen Torrekord des früheren iranischen Stürmers Ali Daei. Den Meilenstein hat Ronaldo schon länger im Visier, 2019 sagte er: „Alle Rekorde müssen gebrochen werden, und diesen werde ich übertreffen.“

Gruppe F, erster Spieltag

Dienstag 18.00 Uhr, live in ORF1

Ungarn – Portugal

Budapest, Puskas-Arena, SR Cakir (TUR)

Möglich Aufstellungen:

Ungarn: Gulacsi – Fiola, Orban, At. Szalai – Lovrencsics, Kleinheisler, Nagy, Schäfer, Holender – Sallai, Ad. Szalai

Portugal: Rui Patricio – Nelson Semedo, Ruben Dias, Pepe, Guerreiro – Danilo, Bruno Fernandes, William Carvalho – Bernardo Silva, Cristiano Ronaldo, Diogo Jota

Dem 36-Jährigen gehört vor seinem neunten Großturnier nicht mehr die Zukunft, doch im Rekordesammeln ist der Mann von der Insel Madeira weiter im Plan. Schon ein Tor würde ihn zum erfolgreichsten EM-Torschützen aller Zeiten vor Michel Platini (neun) machen. Ronaldos 21 EM-Auftritte sind bereits jetzt einsamer Rekord. „Ich bin bei dieser EM, als ob es die erste wäre. Ich fühle mich so motiviert oder noch motivierter als 2004 bei meiner ersten EM“, verkündete er und unterstrich die Titelmission: „Wir sind der Titelverteidiger und gehören wieder zu den Anwärtern auf die Trophäe.“

Beim mühsamen 3:3 gegen Ungarn bei der EM 2016 traf Ronaldo übrigens in der Österreich-Gruppe doppelt, diesmal sind die Portugiesen im Duell mit den Magyaren aber haushohe Favoriten – auch wenn die WM 2018 mit dem Achtelfinal-Aus gegen Uruguay eine Enttäuschung war.

Ungarn hofft auf Vorteil durch volle Tribünen

Ungarn hofft auf einen glücklichen Moment. „Man muss sich nur einmal ansehen, dass wir auf ungefähr 20 Spieler von den vier Champions-League-Halbfinalisten Real Madrid, Chelsea, Manchester City und Paris Saint-Germain in der Vorrunde treffen“, sagte Ungarns italienischer Trainer Marco Rossi. „Siege gegen Portugal, Frankreich und Deutschland sind möglich, weil im Fußball alles passieren kann. Aber um gegen solche Mannschaften zu gewinnen, muss man 110 Prozent bringen. Gleichzeitig muss man hoffen, dass der Gegner nicht sein Topniveau erreicht, und Glück braucht man auch.“

Budapest kalkuliert trotz CoV-Pandemie mit einer Stadionauslastung von 100 Prozent. Das bedeutet, dass sich jeweils 61.000 Fans die Partien in der Puskas-Arena ansehen können. „Den Push von den Zuschauern versuchen wir, auf dem Platz umzusetzen“, verkündete Leipzig-Legionär Peter Gulacsi. Der ehemalige Salzburg-Tormann zählt neben Willi Orban (Leipzig), Adam Szalai (Mainz) und Kapitän Roland Sallai (Freiburg) zu der deutschen Bundesliga-Achse der Ungarn.

„Es ist ganz wichtig, dass wir auf diese vier Spieler zählen können. In Dominik Szoboszlai müssen wir leider auf einen fünften Spieler aus Deutschland verzichten. Diese vier spielen aber auf höchstem Niveau, sie sind sicherlich unsere Schlüsselspieler“, sagte Rossi. Der Ex-Salzburger Szoboszlai, die große Zukunftshoffnung der Ungarn, musste wegen einer langwierigen Schambeinverletzung passen.