Frenkie de Jong
Reuters/Dean Mouhtaropoulos
Fußball-EM

Viele Fragezeichen bei „Oranje“-Rückkehr

Bei seinem EM-Auftakt gegen die Ukraine will das Fußballnationalteam der Niederlande am Sonntag (21.00 Uhr, live in ORF1) mit einem Sieg aus dem Tal der Tränen tauchen. Der Hunger auf Erfolg ist nach zwei verpassten Endrunden in Folge groß, „Oranje“ kann zudem in allen drei Spielen der Österreich-Gruppe C in Amsterdam auf den Heimvorteil bauen. Doch die Zweifler wurden zuletzt wieder lauter, die Euphorie lässt auf sich warten.

Der Auftakt in die WM-Qualifikation ging im März mit einer Niederlage in der Türkei kräftig daneben, auch die Testspiele kurz vor der EM waren keine Leckerbissen. 2:2 gegen die vom Coronavirus ausgedünnte schottische Mannschaft, 3:0 gegen zweitklassige Georgier. Der Auftaktpartie kommt daher große Bedeutung zu, ehe am 17. Juni Österreich wartet.

„Wenn du das nicht gewinnst, geht das zulasten von allem: der Stimmung, die Medien fallen über dich her. Dann kannst du schnell die Lachnummer werden, so wie 2012“, sagte Ex-Spieler Wesley Sneijder. Damals schieden die Niederländer in Polen und der Ukraine bei der EM nach drei Niederlagen sang- und klanglos in der Vorrunde aus.

Keine Favoritenrolle, kein Problem

Dass das Team von Coach Frank de Boer bei der Frage nach den Titelkandidaten fast nie genannt wird, nehmen sie im abgeschiedenen Trainingscamp in Zeist gelassen zur Kenntnis. „Manchmal ist es ganz gut, dass man nicht der Favorit ist“, sagte Verteidiger Matthijs de Ligt von Juventus Turin. „Ich verstehe, dass wir nicht der Topfavorit sind. Aber ich will euch schon sagen: Leute, habt ein bisschen Vertrauen. Unterschätzt diese niederländische Mannschaft nicht“, sagte Routinier Daley Blind in einem Aufruf an die Fußballnation.

Niederländer Matthijs de Ligt
APA/AFP/Patrik Stollarz
Juventus-Verteidiger Matthijs de Ligt kann gut damit leben, nicht in der Favoritenrolle zu sein

Den bisher einzigen Titel holten die Niederlande bei der EM 1988, auf WM-Ebene waren die zweiten Plätze 1974, 1978 und 2010 das höchste der Gefühle. Letztes Highlight war Rang drei bei der WM 2014, zugleich die letzte Teilnahme an einem großen Turnier. Der Abgang von Stars wie Sneijder, Arjen Robben, Robin van Persie oder Klaas-Jan Huntelaar folgte ebenso wie der große Einbruch.

Gruppe C, erster Spieltag

Sonntag, 21.00, live in ORF1:

Niederlande – Ukraine

Amsterdam, Johan Cruyff ArenA, SR Brych/GER

Mögliche Aufstellungen:

Niederlande: Stekelenburg – Dumfries, De Vrij, Blind, Timber, Wijndal – De Roon, Wijnaldum, F. de Jong – Depay, Weghorst

Ukraine: Buschtschan – Karawajew, Sabarnyj, Matwijenko, Mykolenko – Makarenko – Jarmolenko, Malinovskyj, Sintschenko, Subkow – Jaremtschuk

Die aktuelle Generation tritt an, um wieder für Furore zu sorgen – auch ohne den verletzten Defensivstar Virgil van Dijk und den wegen Covid-19 zu Hause gebliebenen Goalie Jasper Cillessen. In der Abwehr gibt es mit dem erst 21-jährigen De Ligt ein echtes Juwel. Allerdings muss der Youngster im Auftaktspiel wegen Leistenproblemen passen. Im Mittelfeld sollen Frenkie de Jong (FC Barcelona) und Liverpool-Routinier Georginio Wijnaldum für geniale Schachzüge sorgen.

Aushängeschild im Angriff ist Lyon-Stürmer Memphis Depay. „Es scheint, als seien wir am Ende einer wirklich ermüdenden Phase angekommen und blicken einer viel besseren Zukunft entgegen“, zeigte sich Wijnaldum überzeugt. Für Unruhe sorgte wieder einmal die Systemfrage. Wie Louis van Gaal beim letzten großen Turnier vor sieben Jahren plant auch de Boer, vom in den Niederlanden heiligen 4-3-3-System abzuweichen und auf ein etwas defensiveres 5-3-2-Format zu setzen. „Weil ich glaube, dass diese Mannschaft das braucht“, so de Boer.

Ukraine will sich nicht verstecken

Die Ukraine, deren Vorbereitung auch von den Diskussionen um die Verwendung einer nationalistischen Losung auf den Dressen geprägt war, hat das Zeug zur Überraschung, ließ es in den vergangenen Jahren aber an Beständigkeit vermissen. Im März gelang in der WM-Qualifikation ein 1:1 bei Weltmeister Frankreich, danach aber gab man zu Hause Punkte gegen Kasachstan und Finnland ab.

Dennoch will sich die Truppe von Trainer Andrij Schewtschenko nicht verstecken. „Wir werden gegen jeden Gegner nur auf Sieg spielen“, sagte Angreifer Artem Besedin von Dynamo Kiew. „Auf Unentschieden zu spielen wäre falsch. Wir haben sehr hohe Ambitionen.“