Jubel von Andreas Ulmer und Michael Gregoritsch (beide ÖFB)
Reuters/Marko Djurica
Fußball-EM

Emotionaler Erfolg gibt ÖFB-Team Auftrieb

Das österreichische Nationalteam hat Wort gehalten. Wie angekündigt war es zum Auftakt der Fußball-EM bereit und lieferte am Sonntagabend in Bukarest einen 3:1-Sieg gegen Außenseiter Nordmazedonien ab. Nach vielen Emotionen ordneten die Spieler den Erfolg nüchtern ein. Dieser gibt Auftrieb für die nächsten Aufgaben.

Zumal es im siebenten Spiel der erste ÖFB-Sieg in der EM-Geschichte war und der erste bei der Endrunde eines großen Turniers seit 31 Jahren. Das Torkonto wurde beim Duell mit dem EM-Debütanten von zuvor zwei Treffern auf nun fünf geschraubt und damit auch der Grundstein für einen möglichen erstmaligen Aufstieg gelegt. Das feierten die Spieler auch mit den ÖFB-Fans, die angereist waren, noch in der National Arena, ehe es mit dem Flugzeug nach Seefeld ging.

Nach einer euphorielosen Vorbereitung, in der die Mannschaft mäßige Leistungen abgeliefert hatte und in der Kritik gestanden war, wurden für dieses Spiel die richtigen Lehren gezogen. So konnte David Alaba seine Klasse als Verteidiger in einer Dreierkette ausspielen. Insgesamt war es ein schöner Mannschaftserfolg mit vielen Emotionen, doch am Ende auch „ein Sieg und nicht mehr“, wie Xaver Schlager betonte.

Highlights von Österreich – Nordmazedonien

Mit einem 3:1 über Nordmazedonien startete Österreich ideal in die Fußball-EM.

Für Michael Gregoritsch war es in jedem Fall mehr als nur ein Tor, das er gegen die Nordmazedonier erzielte. Das 2:1 rund zehn Minuten vor Schluss brachte Österreich auf die Siegerstraße und dem Steirer auch Genugtuung. Nach einer enttäuschenden Saison beim FC Augsburg empfanden nicht wenige die EM-Nominerung des 27-jährigen Stürmers als ungerechtfertigt. „I bin do“, rief er nach dem Tor in die Kamera.

Tränen bei Gregoritsch

Im ORF-Interview hatte Gregoritsch schließlich Tränen in den Augen. „Das bedeutet mir heute alles, mein Bruder hat Geburtstag, ich habe ein schweres Jahr hinter mir. Das ist für alle, die an mich geglaubt haben. Es ist wunderschön“, sagte der sichtlich ergriffene Angreifer, der das 700. Tor in der Geschichte der Europameisterschaft erzielte.

Interview mit Michael Gregoritsch

Michael Gregoritsch lässt seinen Emotionen freien Lauf.

Gregoritsch bekam auch von Ersatzkapitän Alaba Rückhalt. „Ich habe ihm in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt: Du kriegst deine Chance, bitte für mich, mach’ die rein. Heute hat er gezeigt, wie wichtig er für uns sein kann“, sagte der ÖFB-Star, der nicht nur als Abwehrchef überzeugte, sondern auch mit dem Assist zu diesem Tor.

„In erster Linie zeigt es, was für einen Charakter, was für einen Teamgeist wir in der Mannschaft haben, was für eine Breite von Qualität wir haben. Es ist schön zu sehen, wenn sie reinkommen, dass sie uns so enorm helfen können“, sagte Alaba auch im Hinblick auf Marko Arnautovic, der ebenfalls nach seiner Einwechslung traf.

„Ein schönes Gefühl“ für Arnautovic

Der 32-jährige China-Legionär, der seit einer Muskelverletzung noch nicht wieder von Beginn an spielen durfte, erfüllte wie Gregoritsch die Erwartungen als „Joker“ und traf zum Endstand. Auf dem Feld brüllte er seine offensichtliche Wut hinaus, nach dem Schlusspfiff und einer Dopingkontrolle hatten sich die Emotionen wieder gelegt.

„Es ist ein schönes Gefühl. Ich freue mich, dass die Mannschaft gewonnen hat. Das Tor ist jetzt egal“, sagte der Stürmer, der nun in der ewigen ÖFB-Torschützenliste mit 27 Toren bereits auf Platz sechs liegt.

Pannentor gut weggesteckt

Der Fokus richtet sich aber auf den gemeinsamen Erfolg. Dahingehend war das Auftaktspiel gegen einen unangenehmen und schwierigen Außenseiter ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Nummer 62 der Welt hat sich über viele Jahre eingespielt und zuletzt vier Partien in Folge gewonnen, darunter ein Pflichtspiel in Deutschland mit 2:1.

„Diese Mannschaft wird von außen sehr unterschätzt, aber sie haben extrem gute Spieler und haben beherzt verteidigt“, sagte Martin Hinteregger. „Wir haben das aber sehr gut gemacht, ich kann mich an keine Chance der Nordmazedonier erinnern“, so der Abwehrspieler, der mit einem verunglückten Klärungsversuch das Pannentor zum zwischenzeitlichen Ausgleich einleitete.

„Danach sind negative Gedanken hochgekommen, trotzdem waren wir uns sicher, dass wir zurückkommen und das Spiel drehen werden, weil wir die bessere Mannschaft sind“, sagte Stefan Lainer, der nicht nur eine seiner besten Partien im Nationalteam absolvierte, sondern auch sein zweites Tor im 30. Länderspiel erzielte. Er traf wie schon in der Qualifikation wieder gegen Nordmazedonien.

Erleichterung – und Luft nach oben

Nach der verpatzten EM 2016, als die Erwartungshaltung zu hoch und am Ende nur ein Punkt zu Buche gestanden war, durfte dieses Mal zum Start ein Sieg gefeiert werden. Bei den acht Spielern im Kader, die vor fünf Jahren dabei waren, machte sich Erleichterung breit. „Die, die dabei waren, haben den Druck extrem gespürt“, so Hinteregger.

Selbiges galt wohl für das gesamte Team, denn die Auftaktpartie gegen die Nordmazedonier wurde intern als Schlüsselspiel zu einem möglichen erstmaligen Aufstieg festgelegt. „Wir haben immer davon gesprochen, dass wir das erste Spiel unbedingt gewinnen wollen“, sagte Leipzig-Legionär Laimer.

Sein Mittelfeldkollege Xaver Schlager sah Luft nach oben. „Es war kein einfaches Spiel, nicht das beste von uns“, so der Wolfsburger, der wohl auch die vielen leeren Bemühungen mit unnötigen Ballverlusten in der Offensive meinte. „Wir dürfen nicht übertreiben, der Sieg gibt Ruhe, aber wir müssen uns verbessern.“

Foda freut sich für die Mannschaft

In jedem Fall ist der Sieg einer für die Geschichtsbücher, für den auch Teamchef Foda verantwortlich zeichnete. Gemeinsam mit seinem Team traf er nicht nur mit den Einwechslungen der Torschützen Gregoritsch und Arnautovic die richtigen Entscheidungen, sondern ihm gelang auch, seinen besten Spieler (Alaba) an der für ihn und das Team besten Stelle auf dem Spielfeld zu positionieren – eine Win-Win-Win-Situation.

Foda freute sich aber in erster Linie für die Mannschaft. „Gratulation an die Spieler, sie haben heute Geschichte geschrieben“, sagte er bei der Pressekonferenz. „Der Sieg ist absolut verdient. Man hat gespürt, dass die Mannschaft gewinnen wollte. Wir haben jede Sekunde an den Sieg geglaubt und alles dafür unternommen.“

Jubel von ÖFB-Coach Franco Foda und ÖFB-Betreuerstab
APA/AFP/Mihai Barbu
Auch das Trainerteam und die Betreuer feierten den ersten ÖFB-Sieg bei einer EM emotional

Die Freude über den Erfolg war nicht zu übersehen, aber währte nicht lange. „Wir können den Moment genießen und müssen dann wieder den kompletten Fokus auf Holland legen. Wir brauchen schon noch Punkte, um ins Achtelfinale aufzusteigen“, merkte der Deutsche an.

Arnautovic gab die Richtung vor. „Jetzt müssen wir uns gut erholen und dann schauen wir auf das nächste Spiel.“ Bereits am Donnerstag (21.00 Uhr, live in ORF1) trifft Österreich in Amsterdam auf die Niederlande, die zum Auftakt gegen die Ukraine mit 3:2 gewannen. Österreich, das am 21. Juni in Bukarest auf die Ukraine trifft, geht als Tabellenführer in die Partie. Unabhängig davon hat Arnautovic nach dem Auftaktsieg Lust bekommen: „Jetzt sind wir bereit für mehr.“