Fußball-EM

Frankreich bezwingt Deutschland

Frankreich hat bei der Fußball-EM 2021 einen Auftakt nach Maß hingelegt. Der Weltmeister setzte sich am Dienstag gegen Deutschland nach starker Leistung mit 1:0 (1:0) durch. Die Entscheidung brachte ein Eigentor von Verteidiger Mats Hummels (20.), der den Ball bei einem unglücklichen Rettungsversuch ins eigene Tor lenkte.

Weitere Treffer der Franzosen durch Kylian Mbappe (67.) und Karim Benzema (85.) wurden vom spanischen Schiedsrichter Carlos del Cerro Grande wegen Abseits nicht anerkannt. Letztlich waren die Deutschen, die ihrerseits kaum gefährlich wurden, mit dem Ergebnis gut bedient. In der Tabelle der Gruppe F führt nach dem ersten Spieltag Portugal (3:0 gegen Ungarn) vor Frankreich. Am Samstag (15.00 Uhr) trifft Frankreich auf Ungarn, Portugal auf Deutschland (18.00 Uhr). Beide Spiele sind live in ORF1 zu sehen.

Für Deutschlands Teamchef Joachim Löw war es der Beginn seines Abschiedsturniers als Bundestrainer, für Didier Deschamps der Auftakt zu einer Mission. Als erster Trainer könnte der 52-Jährige als Spieler und nun als Trainer Welt- und Europameister werden. Als Weltmeister stand Frankreich freilich unter besonderer Beobachtung. Der Heimvorteil in München sprach für die Deutschen, wiewohl nur 14.500 Zuschauer ins Stadion durften.

In Frankreich wurde die Ausgangssperre (ab 23.00 Uhr) extra für die Partie sogar gelockert. Wer also das Match gegen Deutschland in einem Lokal verfolgen wollte, musste nicht pünktlich zu Hause sein. Auch so hätten sich viele der französischen Fußballfans vermutlich nicht daran gehalten – ein Match gegen Deutschland und noch dazu bei der EM, hatte seinen Reiz.

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Greenpeace-Aktivist fliegt mit einem Paragleiter auf das Spielfeld
AP/Alexander Hassenstein
Deutschland (Kai Havertz) legte eine Fehlstart in die Fußball-EM 2021 hin
Paul Pogba and Karim Benzema (beide FRA) ärgern sich über eine vergebene Torchance
Reuters/Matthias Hangst
In der spannenden Partie gegen Frankreich hatte der Weltmeister das bessere Ende für sich
Eigentor von Mats Hummels (GER)
Reuters/Kai Pfaffenbach
Für die Entscheidung sorgte ein Eigentor von Mats Hummels nach einem missglückten Rettungsversuch
Frankreichs Spieler lachen erfreut über Mats Hummels Eigentor
Reuters/Alexander Hassenstein
Hummels kann es ebenso wenig fassen wie Tormann Manuel Neuer
Freistoß von Toni Kroos (GER)
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Die Deutschen hofften vergeblich auf den Ausgleich. Ein Freistoß von Toni Kroos brachte nichts ein.
Foul von Lucas Hernandez (FRA) an Joshua Kimmich (GER)
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Um harte Attacken waren die Franzosen ebenso wenig verlegen wie der Gegner
Torschuss von Ilkay Gundogan (GER)
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Die beste Chance der Deutschen vergab Ilkay Gündogan
Misslungener Torschuss von Adrien Rabiot
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Adrien Rabiot traf nach einem blitzschnellen Angriff der Franzosen nur die Stange
Serge Gnabry (GER) springt über Frankreichs Goalie Hugo Lloris
APA/AFP/Matthias Hangst
Auf der Gegenseite musste Hugo Lloris bei einer Aktion von Serge Gnabry rettend eingreifen
Foul von Robin Gosens (GER) an Benjamin Pavard (FRA)
Reuters/Matthias Hangst
Harte Attacke von Robin Gosens gegen Benjamin Pavard
Kylian Mbappe (FRA) gegen Mats Hummels (GER)
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Ein Treffer von Mbappe wurde wegen Abseits nicht anerkannt
DFB-Coach Jogi Löw
Reuters/Alexander Hassenstein
DFB-Coach Joachim Löw war enttäuscht – den Auftakt zu seinem Abschiedsturnier hätte er sich anders vorgestellt

Bereits das 50. Spiel bei einer EM-Endrunde seit 1972 bestritten die Deutschen. So oft war keine andere Mannschaft bei einem Kontinentalturnier im Einsatz. Nur zwölf Partien gingen für den dreifachen Europameister verloren, die bisher letzte beim 0:2 im EM-Halbfinale 2016 gegen Frankreich, Europameister von 1984 und 2000. Mehr Motivation brauchten die Deutschen an diesem Abend wohl nicht. In der Offensive setzte Löw auf Kai Havertz, Thomas Müller und Serge Gnabry. Für die Franzosen stürmte das Promitrio Mbappe, Antoine Griezmann und Benzema.

Wenig Platz für Geniestreiche

Zu Beginn verlief vieles abwartend, wenig stürmisch, die Teams beschnupperten einander mit leichten Vorteilen für die Deutschen, die durch einen Freißstoß von Toni Kroos und folgendem, harmlosem Kopfball von Hummels (4.) erstmals vor dem französischen Tor vorstellig geworden waren. Die Löw-Truppe wirkte aggressiver, entschlossener und im Zweikampf stärker als der Weltmeister, der noch nicht ins Spiel gefunden hatte.

Die Partie entwickelte sich intensiv mit wenig Platz für kreative Geniestreiche. Echte Torchancen blieben lange aus. Die erste für Frankreich ergab sich nach dem ersten Eckball (16.), getreten von Griezmann, als Paul Pogba den Ball knapp über die Latte köpfelte. Unmittelbar darauf hatte Mbappe die Führung am Fuß, mit seinem Schuss aus kurzer Distanz fand er aber in DFB-Tormann Manuel Neuer seinen Meister (17.). Frankreich war im Spiel angekommen.

Schuss von Mbappe (17. Min)

Mbappe zieht ab, und Neuer muss eingreifen.

Eigentor von Pechvogel Hummels

Der Paukenschlag folgte zum Leidwesen von Hummels. Nach einem genialen Pogba-Querpass zu Lucas Hernandez, der in die Strafraummitte weiterspielte, lenkte Hummels den Ball beim Klärungsversuch ins eigene Tor (20.). Neuer war chancenlos – Hummels danach ratlos. Immerhin bekamen die Deutschen nun etwas mehr Raum für ihre Angriffe, die behutsam aufgebaut, aber selten gefährlich wurden. Die Franzosen machten dicht. Löw wurde langsam nervös.

Bei schnellen Gegenstößen von Pogba, Griezmann und Mbappe blieben die Franzosen brandgefährlich. Die erste und einzige Chance der Deutschen auf den möglichen Ausgleich in der ersten Halbzeit vergab Ilkay Gündogan, der am Elferpunkt bedrängt zum Schuss kam, nicht richtig traf und also am rechten Eck deutlich vorbeischoss (38.). Frankreich überließ den Gastgebern offenbar das Spiel, lauerte auf Konterchancen. Die DFB-Auswahl wirkte im Vergleich zum flinken und technisch höchst versierten Weltmeister behäbig.

Gündogan vergibt Chance (38. Min)

Gündogan hat die erste Torchance für Deutschland, sein Schuss verfehlt aber das Tor.

Spannung bleibt aufrecht

Löw musste sich etwas einfallen lassen, während sich Deschamps zufrieden zurücklehnte. Unverändert setzten beide Mannschaften die Partie nach Seitenwechsel fort. Ein ergebnisloser Sololauf von Mbappe (47.) in den Strafraum schreckte die deutsche Abwehr gleich zu Beginn der zweiten Hälfte auf. Die Franzosen knüpften an, wo sie in Halbzeit eins aufgehört hatten.

Es blieb spannend: Die frühzeitige Entscheidung vergab Adrien Rabiot (52.), als er nach einem schnellen Gegenstoß mit dem Außenrist nur die Stange traf, im Gegenzug versemmelte Gerge Gnabry die bisher beste Möglichkeit der Deutschen: Der Bayern-Stürmer drosch den Ball im Strafraum nach einer Flanke von Robin Gosens knapp über die Latte. Es wirkte wie ein Weckruf für das DFB-Team, das sich nicht geschlagen gab.

Stangenschuss von Rabiot (52. Min)

Adrien Rabiot hat das 2:0 auf dem Fuß, er trifft aber nur die Stange.

Abseitstore von Mbappe und Benzema

Übertrieben ehrgeizig war die folgende Aktion von Gosens (59.) bei einem weiteren Angriff der Deutschen, als er Benjamin Pavard mit voller Wucht ansprang und zu Boden schmetterte. Beide konnte bzw. durften weiterspielen. Der Druck auf die Franzosen wuchs, wiewohl sie nie in Bedrängnis gerieten. Ein Treffer der Franzosen nach Zuspiel Griezmanns und sehenswerter Aktion von Mbappe (67.) wurde vom Schiedsrichter wegen Abseits nicht anerkannt.

Sehenswertes Abseitstor (67. Min)

Ein Kunstschuss von Kylian Mbappe, der Treffer wurde wegen Abseits nicht anerkannt.

Die Zeit lief gegen die Deutschen. 15 Minuten vor Spielende versuchte Löw mit einem Doppeltausch noch für frischen Schwung zu sorgen: Havertz und Gnabry mussten für Leroy Sane und Timo Werner das Feld räumen. Am Drücker blieben aber die Franzosen, die der DFB-Elf elegant die Schneid abkauften.

Deutsche Angriffsversuche wurden im Keim erstickt, während ein weiteres Tor der Franzosen wegens Abseits nicht gegeben wurde – diesmal zum Leidwesen von Benzema, der nach Zuspiel von Mbappe zur vermeintlichen Entscheidung traf (85.). Am Sieg des Weltmeisters änderte das nichts mehr.

Stimmen zum Spiel:

Didier Deschamps (Frankreich-Teamchef): „Es war ein Match gegen einen großen Gegner, ich habe gewusst, dass meine Spieler bereit sein werden. In der ersten Hälfte hätten wir ein bisschen mehr rausholen können, insgesamt waren Kleinigkeiten entscheidend. Es war ein Kampfspiel mit viel Qualität und Talent. Unser erstes Spiel war ein Hammerspiel, wie eine Finale oder Halbfinale. Diese Punkte waren sehr wichtig, es wird nicht entscheidend sein, aber so anzufangen ist nicht schlecht. Gegen Deutschland ist es immer schwierig zu spielen, der Sieg tut uns gut.“

Joachim Löw (Deutschland-Teamchef): „Es war ein brutal intensives Spiel. Wir haben alles in die Waagschale geworfen, haben gefightet bis zum Schluss. Ein Eigentor hat das Spiel entschieden. Mats kann man keinen Vorwurf machen. Das ist Pech. Der Ball von außen kommt scharf. Wir wussten, dass Frankreich extrem gut kontert. Da konnten wir nicht alles unterbinden. Aber kämpferisch kann ich der Mannschaft nichts vorwerfen, wir haben alles reingehauen. Was uns gefehlt hat, war die Durchschlagskraft im letzten Drittel. Jetzt haben wir verloren, sind alle enttäuscht, aber es ist ja nichts passiert. Wir haben noch zwei Spiele, da können wir alles noch geradebiegen.“

Fußball-EM, Gruppe F, erster Spieltag

Dienstag:

Frankreich – Deutschland 1:0 (1:0)

München, 14.000 Zuschauer, SR Del Cerro Grande (ESP).

Tor: Hummels (20./Eigentor)

Frankreich: Lloris – Pavard, Varane, Kimpembe, Hernandez – Rabiot (95./Dembele), Kante, Pogba – Benzema (89./Tolisso), Griezmann, Mbappe

Deutschland: Neuer – Ginter (87. Can), Hummels, Rüdiger – Kimmich, Gündogan, Kroos, Gosens (88./Volland) – Havertz (74./Sane), Gnabry (74./Werner), Müller

Gelbe Karten: Keine bzw. Kimmich

Die Besten: Pogba, Rabiot, Hernandez, Mbappe bzw. Gündogan, Kimmich, Gosens