Fußball-EM

De Bruyne glänzt bei belgischem Comeback

Titelkandidat Belgien hat bei der EM 2021 in Gruppe B den Einzug ins Achtelfinale geschafft. Der Weltranglistenerste setzte sich am Donnerstag im Kopenhagener Parken-Stadion gegen Dänemark knapp mit 2:1 (0:1) durch und holte damit den zweiten Sieg im zweiten Spiel. Zum Matchwinner für die Belgier wurde Superstar Kevin De Bruyne, der nach Pausenrückstand kräftig mithalf, die Partie zu drehen.

De Bruyne, der Belgien beim 3:0-Auftaktsieg über Russland noch verletzungsbedingt gefehlt hatte, lieferte vor 25.000 Zuschauern nach seiner Einwechslung zur Pause den Assist zum 1:1-Ausgleich durch Thorgen Hazard (55.). Eine Viertelstunde später bewies der 29-Jährige seine Treffsicherheit mit dem Siegestor zum 2:1 (70.). Davor hatten die Dänen in der ersten Hälfte die Partie, die von Solidaritätsbekundungen mit dem im Auftaktspiel kollabierten Christian Eriksen geprägt war, noch dominiert und waren durch Yussuf Poulsen bereits nach 99 Sekunden in Führung gegangen.

Der Europameister von 1992 hatte zwar im Finish noch große Chancen auf den Ausgleich, musste nach dem 0:1 gegen Finnland aber trotzdem die zweite Niederlage im zweiten Spiel hinnehmen. Dänemark ist dank der 0:1-Niederlage der Finnen am Mittwoch gegen Russland im Kampf um ein Ticket für die Runde der besten 16 aber noch nicht aus dem Rennen. Die Skandinavier benötigen aber zum Abschluss der Gruppenphase am Montag im direkten Duell mit den Russen einen klaren Sieg. Belgien, das im letzten Spiel am Montag in St. Petersburg auf Finnland trifft, hat mit dem Maximum von sechs Punkten nach zwei Spielen das Achtelfinal-Ticket bereits gelöst.

Traumstart für Dänemark (2. Minute)

Yussuf Poulsen schießt Dänemark nach nur 99 Sekunden in Führung. Das zweitschnellste Tor der EM-Geschichte ist aber für die Gastgeber letztendlich zu wenig.

Dänen stellen System um

Dänemarks Teamchef Kasper Hjulmand änderte auch, aber nicht nur wegen des Dramas um Eriksen, der im Spiel gegen Finnland mit einem Herzstillstand zusammengebrochen war, aber noch auf dem Rasen erfolgreich reanimiert worden war, sein System gegen Belgien leicht ab. Mikkel Damsgaard und Jannik Vestergaard kamen für Eriksen und Stürmer Jonas Wind neu ins Team. Weil Eriksen als Spielertyp und seine Position aber nicht eins zu eins zu ersetzen waren, änderte Hjulmand sein Auftaktsystem 4-3-3 auf ein 3-4-3 um.

Bei den Belgiern gab es hingegen keinen Grund, viel zu ändern, immerhin hatte das System beim 3:0-Sieg über Russland wie gewünscht funktioniert. Vor allem Torjäger Romelu Lukaku, Freund und Teamkollege von Eriksen bei Inter Mailand, hatte mit zwei Treffern seine Topform unterstrichen. Neue Gesichter gab es bei den „Roten Teufeln“ nur auf der Ersatzbank. Denn mit De Bruyne, der im Finale der Champions League Ende Mai Brüche im Gesicht erlitten hatte, und Axel Witsel, die gegen die Russen noch im Kader gefehlt hatten, standen diesmal zwei prominente „Joker“ zur Verfügung. Auf der Tribüne saß diesmal dafür Belgiens König Philippe.

Gruß ins Spital und Blitzstart

Das Duell im Parken-Stadion stand auch sonst ganz im Zeichen von Inter-Legionär Eriksen. Vor dem Anpfiff war auf dem Spielfeld ein überdimensionales Leiberl mit der Nummer 10 des Dänen ausgebreitet worden, dann erhielt Kapitän Simon Kjaer ein von allen belgischen Spielern unterschriebenes Trikot mit dem Wunsch „Gute Besserung“ für Eriksen überreicht. Nach zehn Minuten stellten die Akteure, wie vor der Partie von den Teams angekündigt, das Spiel ein, um anschließend gemeinsam mit seinen Spielerkollegen und dem Publikum Eriksen per Applaus Genesungswünsche ins nur 15 Gehminuten entfernte Rigshospitalet zu schicken.

Bild zeigt Dänemark Spieler Simon Kjaer und Belgien Spieler Romelu Lukaku beim applaudieren in einer Spielpause nach der 10. Minute.
APA/AFP/Nackstrand
Kjaer (l.) und Lukaku klatschten in der zehnten Minute für ihren Freund im rund ein Kilometer entfernten Spital

Zu diesem Zeitpunkt hatte der 29-Jährige aber womöglich noch den Jubel aus der zweiten Minute in den Ohren. Denn seinen Teamkollegen gelang gegen die Nummer eins der FIFA-Weltrangliste ein Traumstart. Poulsen ließ nach einem belgischen Abwehrfehler nur 99 Sekunden nach Anpfiff Thibaut Curtois mit einem platzierten Schuss in die linke Ecke keine Chance. Nur der Russe Dmitri Kiritschenko hatte 2004 bei einer EM gegen Griechenland schneller (65 Sekunden) als der Leipzig-Legionär getroffen. Angetrieben vom Publikum hatten die Dänen sogar die Chance gleich nachzulegen. Doch Joakim Maehle (5.) und Daniel Wass (6.) fanden diesmal in Curtois ihren Meister.

Auch nach der freiwilligen Pause blieb Dänemark die bestimmende Mannschaft. Von den schnellen Kombinationen, die die Belgier gegen Russland noch aus den Füßen geschüttelt hatten, war noch nichts zu sehen. Auch nach einer halben Stunde hatte Torjäger Lukaku keinen brauchbaren Ball in seine Richtung erhalten. David Alabas künftiger Teamkollege bei Real Madrid Curtois musste deutlich mehr aufpassen als sein Gegenüber Kasper Schmeichel. So etwa bei einem satten Schuss von Damsgaard, der knapp am linken Pfosten vorbeistrich (35.). Auf belgischer Seite war eine zu ungenau angetragene Freistoßflanke von Yannick Carrasco (44.) noch die gefährlichste Aktion.

Bild zeigt Dänemark Spieler Yussuf Poulsen beim erzielen des 1:0.
APA/AFP/Jonathan Nackstrand
Jason Denayer, der die Aktion mit einem Fehlpass eingeleitet hatte, konnte Poulsens Tor nach 99 Sekunden nicht verhindern

De Bruyne beflügelt Belgien

Zur Pause reagierte Robert Martinez auf den blassen Auftritt seiner „Roten Teufel“ und motzte die Offensive mit seinem Superstar De Bruyne auf. Der Schachzug ging auch prompt auf. De Bruyne leitete nach einem Energieanfall und Stanglpass von Lukaku auf der rechten Seite den Ball mit einer einfachen Berührung an Hazard weiter, und der musste aus kurzer Distanz nur noch zum Ausgleich einschieben (55.). Ein Angriff wie aus dem Bilderbuch, für Schmeichel im dänischen Tor gab es nichts zu halten.

Ausgleich durch Hazard (54. Minute)

Eine Traumaktion der Belgier über Lukaku, De Bruyne und schließlich Hazard führt zum 1:1.

Angespornt von der erfolgreich Einwechslung De Bruynes legte Martinez gleich nach: Mit Witsel und dem etatmäßigen, aber gegen Russland geschonten Kapitän Eden Hazard brachte der Trainer gleich noch zwei weitere Superstars. In Bestbesetzung übernahmen die Belgier auch das Kommando und brachten die Partie endgültig zum Kippen. Nach 71 Minuten stand es 1:2 aus Sicht der Dänen. Diesmal war es De Bruyne selbst, der Schmeichel mit einem satten Schuss von der Strafraumgrenze in Führung brachte (70.).

Doch Dänemark steckte nicht den Kopf in den Sand, sondern drängte vehement auf den Ausgleich. Vor allem Martin Braithwaite hatte gleich mehrmals das 2:2 auf dem Fuß. Doch erst tauchte Curtois bei einem platzierten Schusse des Mannes vom FC Barcelona gerade noch rechtzeitig ab (75.), dann war ein belgisches Bein dem Tor (77.) im Weg, und schließlich rutschte der 30-Jährige um Zentimeter an einem gefährlichen Stanglpass vorbei. In der 87. Minute war Curtois bei einem Kopfball dann doch noch einmal geschlagen, doch die Kugel sprang ans Lattenkreuz. Näher kamen die Dänen dem Ausgleich nicht mehr. Der Name des Pechvogels: Martin Braithwaite.

Stimmen zum Spiel:

Kasper Hjulmand (Teamchef Dänemark): „Ich kann nicht beschreiben, welchen Stolz ich für diese Mannschaft empfinde. Nachdem sie fast ihren besten Freund verloren hätten, sind sie heute auf den Platz gegangen und haben ein solches Spiel abgeliefert. Wir werden weiter zusammenstehen und wir werden die Russen besiegen, um in diesem Wettbewerb zu bleiben.“

Roberto Martinez (Teamchef Belgien): „Die Fans haben eine unglaubliche Stimmung erzeugt. Sie haben dem Heimteam eine Führung zu einem Zeitpunkt beschert, als wir völlig geschockt waren. Wir haben 20 Minuten gebraucht, um wieder wir selbst zu sein, aber wir haben nicht die Gier, das Herz und den Druck wie die Dänen entwickelt. In der ersten Hälfte war sehr viel Emotion dabei. Die zweite Hälfte war ganz rational, wir haben einen tollen Charakter gezeigt und mit einer echten Idee gespielt. Solche Siege machen dich als Mannschaft besser.“

EM 2021, Gruppe B, zweiter Spieltag

Donnerstag:

Dänemark – Belgien 1:2 (1:0)

Kopenhagen, Parken-Stadion, 25.000 Zuschauer, SR Kuipers (NED)

Torfolge:
1:0 Poulsen (2.)
1:1 T. Hazard (54.)
1:2 De Bruyne (70.)

Dänemark: Schmeichel – Wass (62./Stryger Larsen), Christensen, Kjaer, Vestergaard (84./Skov Olsen), Maehle – Delaney (72./Jensen), Höjbjerg – Braithwaite, Poulsen (62./Nörgaard), Damsgaard (72./Cornelius)

Belgien: Courtois – Alderweireld, Denayer, Vertonghen – Meunier, Tielemans, Dendoncker (59./Witsel), T. Hazard (95./Vermaelen) – Mertens (46./De Bruyne), Lukaku, Carrasco (59./E. Hazard)

Gelbe Karten: Wass, Damsgaard, Jensen bzw. T. Hazard

Die Besten: Kjaer, Delaney, Poulsen, Braithwaite bzw. De Bruyne, Lukaku, T. Hazard