Fußball-EM

Kroatien wahrt mit Remis Aufstiegschance

Vizeweltmeister Kroatien kommt bei der EM 2021 zwar weiter nicht in die Gänge, hat aber am Freitag am zweiten Spieltag der Gruppe D seine Chance auf den Aufstieg ins Achtelfinale gewahrt. Ivan Perisic sicherte den Kroaten im Hampden Park von Glasgow ein 1:1 (0:1) gegen Tschechien, das nach dem Sieg über die Schotten mit dem nächsten Punkt nun gute Karten für den Einzug in die K.-o.-Runde hat.

Patrik Schick, der bereits beim 2:0-Sieg gegen Schottland beide Treffer erzielte hatte, brachte die Tschechen in der 37. Minute vom Elfmeterpunkt mit seinem dritten Tor im Turnier in Führung, nachdem er im Strafraum vom Ellbogen Dejan Lovrens getroffen worden war. Perisic rettete Kroatien, das vor allem offensiv erneut viel schuldig blieb, unmittelbar nach Wiederbeginn vor rund 9.000 Zuschauern im Hampden Park doch noch einen Punkt und hielt den Vizeweltmeister im Rennen um die Achtelfinal-Plätze.

Kroatien, das bei Großereignissen weiterhin noch nie zwei Spiele in der Gruppenphase verloren hat, benötigt nun aber im letzten Spiel gegen Schottland am Dienstag in Glasgow (21.00 Uhr, live in ORF1) aber unbedingt einen Sieg, um in die Runde der besten 16 einziehen zu können. Ein neuerliches Remis würde auch für einen Platz unter den vier besten Gruppendritten nicht reichen. Tschechien kann hingegen bereits vorsichtig mit dem Achtelfinale planen.

Patrik Schick jubelt
AP/Paul Ellis
Trotz sichtlich lädierter Nase und Blutspuren auf dem Trikot ließ sich Schick (l.) sein drittes EM-Tor nicht nehmen

Geringfügige Umstellungen

Für den Vizeweltmeister gab es zumindest vor dem Spiel gute Nachrichten. Denn Dejan Lovren kehrte von seiner Knieblessur genesen in die Verteidigung zurück. Die Umstellungen von Teamchef Zlatko Dalic waren wiederum schlechte Nachrichten für Duje Caleta-Car. Der ehemalige Salzburger musste diesmal auf der Bank Platz nehmen. Dazu brachte Dalic Josip Brekalo als zusätzliche Offensivkraft hinter Stürmer Ante Rebic. Tschechiens Teamchef Jaroslav Silhavy hielt es nach dem Sieg über die Schotten nur fast mit der Maxime „Never change a winning team“. Denn der 59-Jährige erwartete sich offenbar einen kroatischen Sturmlauf und stärkte seine Defensive mit Tomas Holes auf Kosten von Mittelfeldspieler Alex Kral.

Wie in einem schlechten Film fühlten sich in den ersten Minuten auch die kroatischen Fans im Hampden Park. Denn nicht ihre Mannschaft, sondern die vermeintlich defensiv eingestellten Tschechen setzten sich in Szene und durften auch die erste Torchance für sich verbuchen: Ein Kopfball von Tomas Soucek ging aber knapp drüber (4.). Bei Kroatien war eine gewisse Nervosität spürbar. Vor allem im Spielaufbau wirkten Luka Modric und Co. ungewohnt unkonzentriert. Ein mäßiger, weil weit drüber geschossener Freistoß von Lovren (10.) war die einzige Ausbeute in der Anfangsphase.

Schick trifft trotz blutiger Nase

Die Tschechen strotzten hingegen vor Selbstvertrauen. In der 18. Minute wurde es im kroatischen Strafraum daher auch richtig heiß, doch Schick traf nach einer schönen Ballstaffette quer durch den Sechzehner als Letzter den Ball nicht richtig. Bei Kroatien schien nur ein Tor den Knopf lösen zu können – und wie aus dem Nichts wäre dieses auch fast gefallen. Nach einer Eckballvariante kam Ivan Perisic am Elfmeterpunkt völlig frei zum Schuss, doch der fiel zu schwach und zentral aus. Goalie Tomas Vaclik hatte keine Probleme (23.).

Ein großes Problem hatten die Kroaten rund zehn Minuten vor der Pause mit Schiedsrichter Carlos del Cerro Grande. Denn der Spanier entschied auf Elfmeter für Tschechien, nachdem der Arm von Lovren und Schicks Gesicht bei einem Kopfballduell kollidiert waren. Del Cerro Grande wertete den Vorfall, bei dem Schick eine blutende Nase davontrug, auf Aufforderung des Videoreferees und nach Sichtung des Materials als absichtlichen Ellbogencheck. Die Kroaten protestierten heftig, doch es nutzte nichts. Schick drängte sich trotz sichtlicher Spuren im Gesicht als Elferschütze vor und verwertete vier Minuten nach dem Foul sicher zum 1:0 (37.).

Elfmeter nach Ellbogencheck

Schick macht nach einer Flanke unliebsame Bekanntschaft mit dem Ellbogen von Lovren. Nach Videostudium entscheidet der Referee auf Elfmeter.

Der Zorn über den aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Elfmeter weckte immerhin den Kampfgeist die teilweise lethargisch aufgetretenen Kroaten. Postwendend wäre daher auch beinahe der Ausgleich gelungen, doch Rebic schoss nach einem Energieanfall aus guter Position daneben (39.). Kurz vor der Pause ging noch einmal ein Raunen durch die kroatischen Zuschauer, als Andrej Kramaric abzog, doch Vaclik war auf dem Posten (44.). Mit einem aus kroatischer Sicht umstrittenen, aber aufgrund des Tatbestandes und der Spielanteile gerechten 1:0-Führung für Tschechien ging es in die Pause.

Schick verwandelt Elfer (37. Minute)

Der Gefoulte tritt mit blutender Nase zum Penalty an und trifft sicher zum dritten Mal bei dieser Endrunde.

Traumstart rettet Kroatien Punkt

Nach dem Seitenwechsel brachte Kroatien gleich vier frische Beine im Angriff, aber nicht zusätzlich. Denn Bruno Petkovic und Luka Ivanusec ersetzten Rebic und Brekalo. Dazu rückte Perisic auf die bevorzugte linke Seite. Ein Schachzug, der sich sofort auszahlte, denn der Routinier von Inter Mailand sorgte für einen kroatischen Traumstart in die zweite Hälfte, nachdem er zuerst Vladimir Coufal mit einem Haken und Tormann Vaclik mit einem strammen Schuss düpiert hatte (47.).

Der Ausgleich tat dem Spiel nur kurzfristig gut, denn die Kroaten taten sich auch nach dem Motivationsschub im Spielaufbau schwer. Die Tschechen lauerten daher auf Ballverluste, um blitzschnell eine Gegenoffensive zu starten. Bei Kroatien funktionierten am ehseten noch Angriffe über links. Ein solcher brachte auch fast die Führung, doch Nikola Vlasic haute die Kugel nach Kopfballvorlage von Perisic knapp drüber (73.). Im Gegenzug machte es der eingewechselte Adam Hlozek mit einem Volley im Strafraum nicht viel besser (76.).

Während die Tschechen mit dem Punkt gut leben konnten, wurde der Frust bei den Kroaten mit jeder Minute größer, in der der Schlusspfiff näherrückte. Denn auch in den letzten Minuten wollte sich der spielerische Knopf im Angriffsspiel nicht lösen. Kam Kroatien in die Nähe des tschechischen Strafraums, war es meist ein Eigenfehler, der einem Abschluss im Weg stand. Kurz vor dem Schlusspfiff hatte Petkovic dann doch noch die Chance zum „Lucky Punch“, doch der Mann von Dinamo Zagreb wurde im entscheidenden Moment noch gestört, und der Ball ging daneben (89.).

Stimmen zum Spiel:

Zlatko Dalic (Teamchef Kroatien): „Wir brauchen Energie. Wir haben Probleme. Wir hatten einen schlechten Start, waren langsam und nicht kompakt. Wir haben nach der Pause besser ausgeschaut, das hat aber für einen Sieg nicht gereicht. Das Remis war verdient. Es wird schwierig gegen Schottland. Wir haben aber immer noch alles in eigener Hand.“

Jaroslav Silhavy (Teamchef Tschechien): „Ich war überrascht, wie viel Ballbesitz wir in der ersten Hälfte hatten. Der Gegner hat uns nicht sehr hoch angepresst und uns spielen gelassen. Wir hatten ein paar Halbchancen und haben beim Elfer getroffen. Patrik ist ein großartiger Stürmer und Torjäger. Er war sehr entschlossen und wollte unbedingt diesen Elfmeter schießen.“

EM 2021, Gruppe D, zweiter Spieltag

Freitag:

Kroatien – Tschechien 1:1 (0:1)

Glasgow, Hampden Park, 9.000 Zuschauer, SR del Cerro Grande (ESP)

Torfolge:
0:1 Schick (37./Elfmeter)
1:1 Perisic (47.)

Kroatien: Livakovic – Vrsaljko, Lovren, Vida, Gvardiol – Modric, Kovacic (87./Brozovic) – Perisic, Kramaric (62./Vlasic), Brekalo (46./Ivanusec) – Rebic (46./Petkovic)

Tschechien: Vaclik – Coufal, Kalas, Celustka, Boril – Holes (63./Kral), Soucek – Masopoust (63./Hlozek), Darida (87./Barak), Jankto (74./Sevcik) – Schick (74./Krmencik)

Gelbe Karten: Lovren bzw. Masopust, Boril, Hlozek