Vor 13 Jahren hatte Österreich bei der Heim-EM zum Abschluss der Gruppenphase mit 0:1 gegen Deutschland verloren und war als Dritter ausgeschieden, vor fünf Jahren nach einem 1:2 gegen Island in Paris als Letzter. Im „Paris des Ostens“, wie Bukarest aufgrund der teilweise an Frankreich angelehnten Architektur auch genannt wird, will das ÖFB-Team wie zum Auftakt dieser Endrunde erneut Geschichte schreiben.
Am Sonntag vor einer Woche hatte Österreich mit einem 3:1 gegen Nordmazedonien in Rumänien den ersten Sieg bei einer EM-Endrunde eingefahren. Nach der 0:2-Niederlage in den Niederlanden soll gegen die Ukraine nun erstmals der Aufstieg gelingen. „Wir wollen diesen Schritt gehen, unser Ziel erreichen und mit diesem Ziel auch irgendwo ein Stück weit Geschichte schreiben“, sagte ÖFB-Star David Alaba.
Arnautovic gegen Ukraine in Startelf
ÖFB-Teamchef Franco Foda hat bei der Abschlusspressekonferenz vor dem dritten EM-Gruppenspiel gegen die Ukraine am Montag (18.00 Uhr, live in ORF1) mit seiner Tradition gebrochen und vorab eine Information über seine Aufstellung preisgegeben: Marko Arnautovic wird nach seiner Sperre in Bukarest in der Startelf stehen.
Nur Sieg bringt gleich Gewissheit
Nur mit einem Sieg kann Österreich den zweiten Platz fixieren und das Achtelfinalticket sicher lösen. Dann würde die ÖFB-Equipe am Samstag in London auf Italien als Sieger der Gruppe A treffen. Bei einem Remis und einer Niederlage bliebe man in jedem Fall Dritter, müsste aber zittern, denn nur die vier besten Gruppenvorletzten kommen weiter – mehr dazu in Aktuelle Rangliste der Gruppendritten.
Bei einem Unentschieden stünden die Chancen auf ein Weiterkommen allerdings sehr gut. Bei den Weltmeisterschaften 1986, 1990 und 1994 sowie bei der EM 2016, an denen jeweils 24 Teams teilnahmen, reichten (auch von der Zweipunkteregel umgerechnet) vier Zähler immer. Den Dritten der Gruppe A würde Österreich per Remis bereits hinter sich lassen, denn die Schweiz weist ein negatives Torverhältnis auf.
Sollte Österreich gegen die Ukraine verlieren, müsste Fortuna der Auswahl hold sein. Wenn es nach dem ÖFB-Team geht, soll es aber gar nicht so weit kommen. „Ich sehe es bei jedem Einzelnen, wie wichtig dieses Spiel für uns alle ist“, sagte Alaba, der als einer von insgesamt acht Spielern bereits bei der verkorksten EM 2016 mitgewirkt hatte.
Hoffnungsträger Arnautovic in Startelf
Ein anderer ist Arnautovic. Der Stürmer kehrt nach seiner Sperre aufgrund beleidigender Worte und Gesten gegenüber dem nordmazedonischen Spieler Ezgijan Alioski wieder zurück. „Marko wird von Anfang an spielen“, sagte Teamchef Franco Foda und gab damit anders als sonst eine Information über seine Startelf preis. „Der Gegner kann sich zwar jetzt darauf vorbereiten, nichtsdestotrotz sind wir froh, dass er spielen kann“, sagte der Deutsche am Sonntag.

Arnautovic wird bei seinem 90. Länderspiel erstmals seit November 2020 (1:1 gegen Norwegen, Anm.) wieder in der ÖFB-Startelf stehen, und 2021 erst zum fünften Mal. Der China-Legionär war zuletzt am 11. Mai bei seinem Club Schanghai Port Teil der Anfangsformation, danach warf ihn eine Muskelverletzung zurück. Beim EM-Test gegen die Slowakei (0:0) sowie gegen Nordmazedonien (Tor zum 3:1) wurde er jeweils für eine halbe Stunde eingewechselt und belebte das Spiel.
Nach der offensiv mauen ÖFB-Vorstellung in Amsterdam freuen sich die Teamkollegen auf die Rückkehr des 27-fachen ÖFB-Torschützen, der 2012 schon einmal einen Doppelpack gegen die Ukraine (3:2) geschnürt hatte. „Er hat eine enorme Qualität, ist extrem ballsicher. Du kannst sehr gut mit ihm kombinieren“, sagte Christoph Baumgartner. „Der Gegner ist sehr auf diese Spieler fokussiert. Das macht es für uns andere Spieler, die um ihn herum spielen, ein bisschen einfacher.“ Bei Arnautovic komme zudem noch etwas dazu: „Er ist ein absolutes Mentalitätsviech. Wenn er auf dem Platz steht, dann will er gewinnen.“
„Jetzt heißt es nicht nur reden“
Foda will aber auch andere Spieler in der Verantwortung wissen. „Marko hat seine Fähigkeiten. Aber es gilt, dass mehrere Spieler im Spiel die Verantwortung übernehmen“, sagte der 55-Jährige.
Mittelfeldmann Florian Grillitsch, der selbst einen Anspruch auf einen Startplatz erhoben hat, sieht es ähnlich und ortet „Riesenqualitäten“ in der Mannschaft. „Jetzt gilt es aber, dass wir nicht nur reden, sondern jetzt muss man es auf den Platz auch bringen“, sagte der Hoffenheim-Legionär. Für ihn habe man im Offensivspiel schon einen Schritt nach vorne gemacht, „aber mit unserem Potenzial ist viel mehr möglich“.
Unter dem Motto, es wohl auch den Kritikern zu zeigen, freuen sich die Spieler auf die Aufgabe am Montagabend. „Die Vorfreude ist riesig. Die Spannung beginnt auch langsam sich aufzubauen. Jeder Einzelne von uns ist heiß auf das Spiel“, meinte Alaba, der am Donnerstag seinen 29. Geburtstag feiert und diesen eigenen Angaben zufolge lieber bei der Mannschaft begehen würde. Dann würde Österreich sich nämlich auf sein erstes Achtelfinale bei einer Europameisterschaft vorbereiten.
Kein Gijon 2.0
Weil der Ukraine sicher und Österreich wahrscheinlich ein Remis zum Aufstieg reichen würde, wurden im Vorfeld Erinnerungen an die „Schande von Gijon“ wach. Bei der WM 1982 hielten sich Deutschland und Österreich nach der 1:0-Führung des mittlerweile vierfachen Weltmeisters mit Angriffsbemühungen offensichtlich zurück, weil es beiden Teams zum Aufstieg gereicht hatte – zum Nachteil Algeriens.
Diesmal sind die Vorzeichen andere, denn Österreich wäre auch mit vier Punkten noch nicht sicher im Achtelfinale. „Wir wollen dieses Spiel für uns entscheiden. Das ist die Intention, weil nach wie vor nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass ein Unentschieden für uns reicht“, sagte Foda, der aber auch offenließ, wie viel man in der Schlussphase riskieren würde, wenn es remis stünde. „Da muss man sehen, was ein Spiel hergibt, wie die Spielentwicklung ist.“
Auch sein prominentes Gegenüber Andrij Schewtschenko betonte, nicht auf einen Punkt spielen zu wollen. „So zu denken, kann bestraft werden. Wenn wir ins Spiel gehen und denken, ein Remis wäre okay, werden wir kein gutes Resultat erreichen.“ ÖFB-Präsident Leo Windtner („Es ist ein extrem wichtiges Spiel für den österreichischen Fußball, aber natürlich auch für die Spieler selbst“) sagte der APA, man werde in Bukarest „keine historischen Wiederholungen“ anstrengen.
„Gutes Omen“ in Bukarest
Eine Wiederholung der anderen Sorte hat man schon hinter sich gebracht, denn wie vor dem Auftaktspiel gegen Nordmazedonien konnte Österreich das Abschlusstraining nicht in der National Arena abhalten. Grund war einmal mehr Starkregen. „Das ist kein großes Problem, das ist ein gutes Omen“, so ein entspannt wirkender Foda, dessen Team bei dieser EM erstmals in Rot-Weiß-Rot spielen wird.
Mit guter Laune reisten auch wieder die rund 2.000 ÖFB-Fans nach Bukarest, die möglicherweise noch ein drittes Mal nach Rumänien kommen könnten. Als Dritter würde Österreich entweder in Glasgow oder eben wieder in Bukarest spielen. Hauptsache Achtelfinale, lautet aber das Credo, es wäre das erste K.-o.-Spiel für Österreich bei einer Endrunde seit 1954. Und bei einer EM gelang das eben noch nie, wie der Teamchef hervorhob. „Das Wunderbarste ist, dass wir die erste (österreichische) Mannschaft sein können, die ins Achtelfinale kommt.“