Herbert Prohaska im ORF EURO-Studio
ORF/Roman Zach-Kiesling
Fußball-EM

Prohaska traut ÖFB-Team Überraschung zu

Wer an ein Fußballspiel zwischen Österreich und Italien denkt, hat bald Herbert Prohaska im Kopf. Der heimische Jahrhundertfußballer spielte und lebte drei Jahre in der südlichen Nachbarnation, die Liebe zu Land und Leute blieb bestehen. Seine zweite Heimat geht beim EM-Achtelfinale am Samstag (21.00 Uhr, live in ORF1) im Wembley-Stadion in London als Favorit ins Duell, der ORF-TV-Experte traut der ÖFB-Elf aber durchaus eine Überraschung zu.

„Wir sind Außenseiter, aber unsere Mannschaft hat genügend Qualität. Wenn wir gegen die Italiener so spielen wie gegen die Ukraine in der ersten Hälfte, dann werden wir unsere Chancen kriegen“, sagte der 65-Jährige im Gespräch mit ORF.at auf dem Weg von Bukarest nach Wien. Als TV-Experte ist Prohaska bei allen ÖFB-Spielen an Ort und Stelle, im „neuen“ Wembley war er noch nicht, im alten spielte er „Juxmatches“ mit Franz Hasil und dem zu früh verstorbenen „Wembley Toni“ Fritsch.

Alles andere als eine Juxpartie wird das erste Achtelfinale eines ÖFB-Teams bei einer Endrunde seit 1954. Die Vorfreude steigt auch beim früheren Legionär von Inter Mailand und AS Roma. „Sportlich gesehen hätte man vielleicht lieber einen anderen Gegner gehabt, aber Italien ist reizvoll. Auch für mich, weil ich dort drei Jahre gelebt habe. Aber ich halte in diesem Match nur zu Österreich“, stellte Prohaska schnell klar.

Helge Payer, Herbert Prohaska und Rainer Pariasek
GEPA/Matthias Hauer
Seit vielen Jahren ist der 83-fache Internationale Herbert Prohaska TV-Experte an der Seite von Rainer Pariasek

„Keine fixe Geschichte“

Der bisherige EM-Auftritt der „Squadra Azzura“ unter Trainer Roberto Mancini hat ihm freilich imponiert. „Bislang haben sich die Italiener sehr souverän präsentiert“, so Prohaska. „Aber gegen die großen Kracher haben sie auch noch nicht gespielt. Daher ist das keine fixe Geschichte, dass sie gegen uns gewinnen“, sagte der Wiener, der das auch seinem früheren Zimmerpartner und heutigem Teambetreuer Gabriele Oriali ausrichten wird. „Den rufe ich an und sage ihm, dass sie sich warm anziehen sollen“, erklärte Prohaska mit einem Lächeln.

Tatsächlich hat Italien seine letzten elf Partien gewonnen (32:0 Tore) und ist seit 30 Spielen ungeschlagen, doch aus den Top 20 waren nur drei Teams dabei, und die Spiele gegen die Niederlande (1:1) und Portugal (0:0) liegen mitunter schon etwas zurück. Gegen die Schweiz unterstrichen die Italiener zuletzt beim 3:0 ihre Qualität, aber die Eidgenossen konnten einem Gegner auch schon mehr Paroli bieten.

Unitalienischer Fußball imponiert

Italien hat aber nicht nur mit den Ergebnissen beeindruckt, sondern vor allem mit der Art und Weise die Herzen nach der verpassten WM-Teilnahme 2018 zurückerobert. Trainer Roberto Mancini verpasste der Mannschaft ein neues Ansehen. „Er hat sie übernommen, nachdem sie die WM-Quali verpasst haben. Ich war damals im Play-off gegen Schweden im San Siro dabei, da waren sie grottenschlecht. Seither gibt er vielen jungen Spielern die Chance, auch von kleineren Clubs wie Sassuolo“, sagte Prohaska mit dem Verweis, dass früher die Nationalmannschaft zumeist aus Spielern der Großclubs bestand.

Italiens Trainer Roberto Mancini
GEPA/Witters/Tim Groo
Teamchef Roberto Mancini führte Italien mit ungewohntem Offensivfußball zurück an die Spitze

„Sie spielen nicht mehr italienisch, sie pressen, spielen offensiv, hören auch nicht nach 1:0 auf. Das ist neu und attraktiv“, sagte Prohaska, der als Spieler und Teamchef Italien bei Weltmeisterschaften jeweils unterlag. Zudem bedienen sie aber nach wie vor das Klischee und bekommen keine Tore – in elf Spielen bzw. 1.055 Minuten kein einziges.

Damit haben sie sich naturgemäß zu einem Titelfavoriten entwickelt, doch für Italien gehe die Mission erst jetzt richtig los. „Sie müssen gegen uns schon gut spielen, wenn sie uns schlagen wollen. Und ab dem Viertelfinale gibt es sowieso nichts Einfaches mehr, dann müssen sie zeigen, dass sie dafür bereit sein“, so Prohaska, der für gewöhnlich zumindest einmal im Jahr in Italien Urlaub macht, aber seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr in den Süden gefahren ist.

Prohaska blickt gerne zurück

Auf die Zeit, als er in Mailand und Rom spielte und lebte, blickt Prohaska gerne zurück. „Es war eine großartige Zeit, weil viele Weltklassespieler nach Italien gekommen sind. Damals war ja nur ein Legionär pro Team erlaubt, das hat sich natürlich gewandelt“, skizzierte Prohaska, der von seinem Lebensclub Austria Wien 1980 zu Inter gewechselt war und 1982 ein Jahr bei der Roma anhängte.

Archivaufnahme von Herbert Prohaska als Fußballspieler jubelnd bei Inter Mailand im Jahr 1980
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Über 40 Jahre her: Prohaska spielte als einziger Legionär von 1980 bis 1982 für Inter Mailand

Prohaska gewann mit Inter 1982 den Cup und mit der Roma 1983 die Meisterschaft, doch das Alleinstellungsmerkmal, als einziger Legionär bei Inter zu spielen, war wohl die größte Auszeichnung, zumal die Serie A in den 14 Jahren nach Italiens frühem WM-Aus 1966 (0:1 gegen Nordkorea) gar keine Ausländer in ihren Mannschaften zuließ.

Prohaska sammelte auf und abseits des Platzes Sympathien, doch im Kampf um die wenigen Legionärsplätze ging er schließlich zurück. Was es an Anerkennung durch die Clubbosse mangelte, wurde durch jene von früheren Mitspielern und eben Journalisten wettgemacht.

Italienische Journalisten blitzen ab

Bereits wenige Minuten nach Schlusspfiff gegen die Ukraine (1:0), als das Achtelfinale zwischen Österreich und Italien festgestanden war, meldeten sich die ersten italienischen Journalisten bei Prohaska. „Sie rufen dich kurz nach Spielende an, wollen dich für zehn Minuten in der Sendung und aus den zehn Minuten werden dann 35 – ich hebe gar nicht ab“, schilderte Prohaska, der als Spieler die Sprache erlernt hatte.

So gibt es auch immer wieder Anfragen, wenn österreichische Spieler wie Sasa Kalajdzic und Marcel Sabitzer mit Milan oder Marko Arnautovic miit Bologna in Verbindung gebracht werden.

Anfragen gibt es bei seinen Dienstreisen auch immer wieder von Fans, die Fotos mit der Legende machen wollen. Diese werden ausnahmslos alle erfüllt, die Anhänger danken es der volksnahen Legende inklusive großer Portion Wiener Schmäh mit „Herbert Prohaska“-Sprechchören im Flieger und wie im Stadion in Bukarest. Geht es nach dem Italien-Liebhaber, dürfen die ÖFB-Fans gerne wieder feiern.