Spieler von Deutschland jubeln
AP/Lukas Barth
Fußball-EM

Deutschland rettet sich ins Achtelfinale

Deutschland hat sich ins Achtelfinale der EM 2021 gerettet. Die Mannschaft von Joachim Löw erkämpfte am Mittwoch am letzten Spieltag der Gruppe F in München gegen Ungarn ein 2:2 (0:1) und beendete die Vorrunde damit als Zweiter hinter Weltmeister Frankreich (2:2 gegen Portugal). Für Ungarn ist das EM-Abenteuer vorbei.

Bis zur 84. Spielminute mussten die Deutschen zittern, ehe Leon Goretzka den erlösenden Ausgleich für die Gastgeber erzielte und damit den Aufstieg in die K.-o.-Phase fixierte. Die Ungarn waren durch Adam Szalai (11.) in Führung gegangen. Nach Ausgleich von Kai Havertz (66.) hatte Andras Schäfer (68.) die Ungarn postwendend wieder voran gebracht und zugleich für große Spannung gesorgt.

Im Achtelfinale treffen die Deutschen am Dienstag (18.00 Uhr) im Londoner Wembley-Stadion auf England. Frankreich trifft in der Runde der letzten 16 am Montag (21.00 Uhr) auf die Schweiz, Titelverteidiger Portugal bekommt es schon am Sonntag (21.00 Uhr) mit Belgien zu tun. Alle Spiele sind live in ORF1 zu sehen.

Andras Schafer (HUN)
Reuters/Kai Pfaffenbach
Der Treffer von Goretzka erlöste die DFB-Elf wenige Minuten vor dem Spielende

Spannende Ausgangslage

Durch den überzeugenden 4:2-Erfolg gegen Titelverteidiger Portugal nach Rückstand hatten die Deutschen Oberwasser bekommen und erstmals bei dieser EM Herz und Qualität bewiesen. Beides hatten sie davor gegen Weltmeister Frankreich vermissen lassen. Für Teamchef Löw und sein Team war klar: Gegen Ungarn sollte der Aufstieg fixiert werden, wiewohl die Deutschen vor dem Außenseiter trotz Heimpublikums bei heftigem Regen in München Respekt zeigten.

Geregnet hatte es übrigens auch beim letzten Pflichtduell der beiden, als Deutschland bei der WM 1954 in der Vorrunde gegen Ungarn verlor und später seinen ersten WM-Titel holte („Wunder von Bern“). Der vierte EM-Titel ist derweil noch weit entfernt. Die Ausgangslage in der Gruppe F war sowieso prekär und ließ Raum für Interpretationen.

Bei einem Sieg gegen Ungarn wäre für die DFB-Elf per se noch der erste Gruppenplatz vor Frankreich und Portugal möglich gewesen. Aber selbst der vorzeitige Abschied war mit Anpfiff nicht ausgeschlossen: Hätte Deutschland gegen Ungarn verloren, wäre für die Löw-Auswahl Endstation gewesen – fast wäre es so weit gekommen. So aber geht das Abschiedsturnier für den deutschen Teamchef weiter.

Kalte Dusche durch Szalai

Zweifel daran hatten seine Spieler zunächst keine aufkommen lassen, sie orientierten sich nach vorne. In der vierten Minute wurde Joshua Kimmich im Strafraum bei Ungarn-Keeper Peter Gulacsi vorstellig, der die Situation gerade noch klärte. Deutschland schien am Drücker. Die kalte Dusche folgte: Wie aus dem Nichts wuchtete Szalai den Ball nach Zuspiel von Roland Sallai per Kopf ins deutsche Tor (11.). Manuel Neuer war mit den Fingern noch dran, konnte aber nicht entscheidend eingreifen.

Adam Szalai (HUN)
AP/Matthias Hangst
Szalai brachte die Deutschen mit seinem raschen Führungstreffer in Bedrängnis

Dieser Treffer saß. Wie würden die Deutschen reagieren? Zur Erinnerung: Auch gegen Portugal waren sie 0:1 zurückgelegen. Aggressiv und offensiv antworteten sie erneut, wenngleich sich die Ungarn als ebenbürtiger Gegner erwiesen. Die Chancen der Deutschen häuften sich.

Ein gefährlicher Pass von Kai Havertz (18.) vor das Tor fand trotz aller Bemühungen keinen Abnehmer, strich an Freund und Feind vorbei ins Out. Drei Minuten später platzierte Mats Hummels einen Kopfball an die Latte. Unmittelbar darauf rettete Gulacsi mit einer Topparade bei einem Schuss von Matthias Ginter.

Ungarn bleibt ebenbürtig

So engagiert sich die Deutschen um den Ausgleich bemühten, langsam wurden sie wohl nervös. Noch hatten sie nichts Zählbares zustande gebracht. Und die Ungarn blieben gefährlich. Einen Weitschuss zirkelte Andras Schäfer (38.) über die Latte, einen weiteren gefährlichen Ball von Sallai (39.) vermochte Neuer zu bändigen.

Dass Portugal davor gegen Frankreich in Führung gegangen war, dürfte die Laune der Deutschen nicht gehoben haben. Letzter in Gruppe F zu sein war nicht der Anspruch der Löw-Truppe. Die letzte Ausgleichschance vor der Pause vergab Havertz (45.). Noch 45 Minuten blieben, um das EM-Aus zu verhindern – mit unveränderter Aufstellung nach dem Seitenwechsel. Auch Ungarns Teamchef Marco Rossi fand keinen Anlass für Umstellungen.

Deutsche Freude währt kurz

Schüsse von Serge Gnabry (47.) und Havertz (53.), der wie so oft an Gulacsi keinen Weg vorbei fand, waren das Beste, das Deutschland zu Beginn der zweiten Halbzeit bieten konnte. Von Druck auf die Ungarn war keine Rede. Den Deutschen lief die Zeit langsam davon. Brenzlig wurde es nach einem Handspiel von Leroy Sane und dem folgenden Freistoß (62.) der Ungarn von der linken Strafraumgrenze. Roland Sallai wuchtete den Ball an die Latte. Neuer streckte sich und atmete tief durch.

Danach ging es rund. Havertz nützte den ersten Patzer von Gulacsi nach Assist von Hummels per Kopf zum Ausgleich der Deutschen, die sich nur kurz freuen durften. Zwei Minuten später klingelte es im Tor von Neuer: Schäfer verwertete ein Zuspiel von Szalai ebenfalls mit dem Kopf zur erneuten Führung des Außenseiters. Neuer war chancenlos, die Deutschen wirkten ratlos.

Andras Schafer (HUN)
Reuters/Kai Pfaffenbach
Nur zwei Minuten nach dem Ausgleich schoss Schäfer die Gäste wieder in Führung

Goretzka wirft Rettungsanker

Toni Kroos vergab in der Folge nach schöner Aktion im Strafraum die bis dahin beste Chance auf den rettenden Ausgleich, als er den Ball von links am langen Eck vorbeischlenzte (81.).

Die Schlussoffensive der Gastgeber fruchtete zur Freude der deutschen Fans in der Münchner Allianz Arena letztlich doch: Nach einem Getummel im Strafraum sprang der Ball zu Goretzka, der sich nicht zweimal bitten ließ. Bei seinem abgefälschten Schuss hatte Gulacsi das Nachsehen. Deutschland stand im Achtelfinale.

Stimmen zum Spiel:

Joachim Löw (Teamchef Deutschland): „Wir haben schon auch extrem gute Moral bewiesen. Fehler gemacht, aber gefightet, bis der Ausgleich gefallen ist. Die Moral war sensationell gut. Das war nichts für schwache Nerven. Wir wussten, Ungarn haut alles rein, laufen alles zu. Dann haben wir leider einen Fehler gemacht. Am Ende muss man sagen: Durch diese Gruppe durchzukommen, das war gut, und das war das Ziel. Man sieht, dass sich andere Mannschaft auch schwertun. Die Kleinen hauen alles irgendwie rein, verteidigen. Es war nicht ganz so einfach, weil zehn Leute in der eigenen Hälfte stehen. Sie haben nichts zu verlieren. Am Ende zählt, dass wir weiter sind.“

Leon Goretzka (Torschütze Deutschland): „Du hast das erlösende 1:1 gemacht, und dann fällt das 2:1, das darf natürlich niemals passieren, wenn du bei so einem Turnier etwas erreichen willst. Zweifel haben wir nicht, brauchen wir nicht. Wir sind voller Selbstvertrauen. Das Spiel war ganz, ganz schwierig. Es sind viele Widerstände, gegen die man ankämpfen muss.“

Marco Rossi (Teamchef Ungarn): „Ich kann jedem sagen, dass er einmal gegen diese drei Mannschaften antreten muss. Dass wir da Punkte holen, wir haben zwei Punkte geholt – das hätte mir vorher keiner geglaubt. Die Burschen haben etwas erreicht, an das sie sich in vielen Jahren noch erinnern können, und auf das sie stolz sein können. Und unsere Fans werden es genauso so sehen.“

Peter Gulacsi (Tormann Ungarn): „Wir haben ein gutes Spiel gemacht, Deutschland hat natürlich dominiert. Am Ende ist es Pech für uns und Glück für Deutschland. Es ist bitter, weil wir nicht viele Chancen zugelassen haben. Wir haben drei für unser Level sehr gute Spiele gemacht. Das war vermutlich die schwerste Gruppe, die man bekommen kann. Dennoch waren wir bis zur 80. Minute des letzten Spiels dabei.“

Fußball-EM, Gruppe F, dritter Spieltag

Mittwoch:

Deutschland – Ungarn 2:2 (0:1)

München, Allianz Arena, 14.500 Zuschauer, SR Karasew (RUS)

Torfolge:
0:1 Adam Szalai (11.)
1:1 Havertz (66.)
1:2 Schäfer (68.)
2:2 Goretzka (84.)

Deutschland: Neuer – Ginter (82. Volland), Hummels, Rüdiger – Kimmich, Gündogan (58. Goretzka), Kroos, Gosens (82. Musiala) – Havertz (67. Werner), Sane – Gnabry (68. Müller)

Ungarn: Gulacsi – Nego, Botka, Orban, At. Szalai, Fiola (88. Nikolics) – Kleinheisler (88. Lovrencsics), A. Nagy, Schäfer – Ad. Szalai (82. K. Varga), Sallai (75. Schön)

Gelbe Karten: Gündogan, Sane bzw. Ad. Szalai, Botka

Die Besten: Havertz, Gnabry, Goretzka bzw. Ad. Szallai, Botka, Fiola