Joshua Kimmich und Kevin Volland (GER) jubeln
AP/Lukas Barth
Fußball-EM

Deutschland wankt, fällt aber nicht

Deutschland und Portugal haben am Mittwoch in der wohl stärksten EM-Gruppe F im letzten Abdruck den Sprung ins Achtelfinale geschafft. Während Rekordtorschütze Cristiano Ronaldo dem Titelverteidiger gegen Weltmeister Frankreich mit zwei Elfmetertreffern ein Remis und den Aufstieg sicherte, rettete Leon Goretzka die DFB-Elf gegen Ungarn mit dem späten Tor zum 2:2-Ausgleich. Nur sechs Minuten war das Team von Bundestrainer Joachim Löw vom Vorrunden-Aus und der 61-Jährige vom abrupten Ende seiner Amtszeit entfernt.

Entsprechend erleichtert war Löw nach dem nervenaufreibenden Spiel in München. Bis zur 66. Minute lagen die Deutschen nach einem Treffer des Ungarn Adam Szalai 0:1 zurück. Da Portugal in Parallelspiel in Budapest gegen Frankreich zunächst führte und später auch der 2:2-Ausgleich gelang, stand die DFB-Elf damit vor dem EM-Aus. Dann traf Kai Havertz zum Ausgleich, sorgte aber nur für kurze Erleichterung, da Andras Schäfer die Ungarn praktisch im Gegenzug erneut in Führung köpfelte. Erst Goretzka erlöste Deutschland kurz vor Schluss.

„Was die Mannschaft gezeigt hat, war extrem gute Mentalität und viel Moral.“ Es sei eines „der schwierigsten Spiele überhaupt“ gewesen, so Löw. „Wir haben keine Räume gefunden. Wenn man dann zweimal in Rückstand gerät, wird es immens schwierig. Was die Mannschaft gezeigt hat, war extrem gute Mentalität und viel Moral. Wir sind dran geblieben. Wir haben Fehler gemacht, aber die Mentalität der Mannschaft war klasse.“

Highlights von Deutschland – Ungarn

Bis zur 84. Spielminute mussten die Deutschen zittern, ehe Leon Goretzka den erlösenden Ausgleich für die Gastgeber erzielte und damit den Aufstieg in die K.-o.-Phase fixierte.

„Nicht die Nerven verlieren“

Dass der Ausgleich in München durch Goretzka so spät fiel, hat Löw nach eigenen Angaben nicht an sein möglicherweise letztes Spiel als Teamchef denken lassen. „Da habe ich wirklich nicht drüber nachgedacht. Da gab es für mich anderes im Spiel. Da habe ich keine Zeit nachzudenken, was sein wird“, sagte er und fand viele lobende Worte für sein Team. „Die Moral, die Einstellung und die Kampfkraft der Mannschaft haben mir gefallen. Deswegen hatten wir draußen immer das Gefühl, dass wir in der Lage sind, ein Tor zu machen, auch wenn es spät ist.“

Trotz des 0:1-Rückstands zur Pause habe er sich keine Sorgen gemacht, so Löw. „Ich habe in der Halbzeit gesagt: Nicht die Nerven verlieren, nicht völlig auflösen, nicht unstrukturiert werden. Ich hatte das Gefühl, die Mannschaft will das biegen und mit aller Gewalt diese schwere Vorrunde überstehen. Taktische Kniffe musste man nicht mehr auspacken ab der 75. Minute. Wir mussten uns mit aller Gewalt und aller Kraft dagegenstemmen und Bälle in den Strafraum hauen.“

Vorfreude auf Duell mit „Three Lions“

Wegstecken mussten die Deutschen auch einiges. „Du hast das erlösende 1:1 gemacht, und dann fällt das 2:1, das darf natürlich niemals passieren, wenn du bei so einem Turnier etwas erreichen willst“, betonte Goldtorschütze Goretzka. „Zweifel haben wir nicht, brauchen wir nicht. Wir sind voller Selbstvertrauen. Das Spiel war ganz, ganz schwierig. Es sind viele Widerstände, gegen die man ankämpfen muss.“

Deutschland übersteht knapp Gruppenphase

Deutschland ist der Aufstieg in die K.-o.-Phase der Europameisterschaft nur knapp geglückt. Im Achtelfinale muss sich die DFB-Elf gegen England beweisen. Um das Spiel zu gewinnen, ist eine deutliche Leistungssteigerung notwendig.

Nun freut er sich schon auf den Achtelfinal-Schlager am Dienstag in Wembley gegen England. „Wir fahren nach England. Das ist eine tolle Nachricht, in London, in Wembley gegen England zu spielen. Jetzt ist diese Vorrunde abgehakt. Jetzt geht es darum, alles oder nichts. Das ist auch eine gute Situation. Wir haben schwankende Leistungen gezeigt in dieser Gruppenphase. Wir wissen, wenn wir das abrufen, was wir können, das war gegen Portugal (4:2-Sieg, Anm.) lange Zeit der Fall, dann sind wir stark. Wenn wir Dinge nicht so umsetzen, kriegen wir Schwierigkeiten.“

Ungarn stolz auf Leistung

Ungarns italienischer Nationaltrainer Marco Rossi verabschiedete sich unterdessen voller Stolz von der EM, nur sechs Minuten trennte die Magyaren vom Aufstieg. „Ich kann jedem sagen, dass er mal gegen diese drei Mannschaften antreten muss. Dass wir da Punkte holen, wir haben zwei Punkte geholt – das hätte mir vorher keiner geglaubt“, sagte der 56-Jährige.

Ungarische Spieler nach dem Match
AP/Matthias Hangst
Als klarer Underdog in die Gruppe F gestartet, fehlten den Ungarn nur sechs Minuten auf die große Sensation.

Zuvor hatte Ungarn in der Gruppe F in Heimspielen in Budapest auch gegen Frankreich Remis gespielt (1:1) und gegen Portugal verloren (0:3). „Die Jungs haben etwas erreicht, an das sie sich in vielen Jahren noch erinnern können, und auf das sie stolz sein können“, sagte der frühere Profi. „Und unsere Fans werden es genauso sehen.“

Achterbahnfahrt auch in Budapest

Eine Hochschaubahn der Gefühle erlebten Ronaldo und Co. in der Puskas-Arena in Budapest. Nur dank seines Elfmeter-Doppelpacks in der 30. und 60. Minute kam der Europameister im Gipfeltreffen mit Weltmeister Frankreich zu einem 2:2 (1:1) und zog ins Achtelfinale ein. In der Neuauflage des EM-Endspiels von 2016 hatte Karim Benzema (45.+2/Foulelfmeter, 48.) den Weltmeister in Führung gebracht.

Highlights von Portugal – Frankreich

Portugals Superstar Cristiano Ronaldo brachte die „Selecao“ beim 2:2 gegen Frankreich in der 31. Minute vom Elfmeterpunkt in Führung und sorgte in der 60. Minute neuerlich per Penalty für den Ausgleich.

Frankreich sicherte sich den Gruppensieg vor Deutschland und spielt im Achtelfinale gegen die Schweiz. Portugal belegte in Gruppe F Rang drei und trifft auf Belgien. „Wir sind Erster, das ist der beste Platz. Wir wissen jetzt, was vor uns liegt. Wir werden es genießen. Jetzt beginnt ein neues Turnier“, sagte Frankreich Trainer Didier Deschamps. „Es war ein großes Spiel gegen eine große Nation. Es gab eine hohe Intensität und viele Chancen“, sagte Benzema, der sich über seine beiden Treffer freute. „Ich habe getroffen, wir haben nicht verloren, bin sehr zufrieden.“

Phänomenal war einmal mehr Ronaldo: Mit seinen beiden Toren stellte der 26-Jährige weitere Bestmarken auf: Durch seine Treffer 20 und 21 bei EM und WM löste er den früheren deutschen Nationalstürmer Miroslav Klose (19) als erfolgreichsten Torschützen ab. Zudem feierte Ronaldo sein 109. Nationalmannschaftstor und zog mit dem früheren Bayern-Spieler Ali Daei gleich, der ebenso oft für den Iran getroffen hatte. Überdies baute Ronaldo seinen EM-Rekord auf 14 Tore aus.