Fußball-EM

Spanien nach Torspektakel im Viertelfinale

Spanien hat sich am Montag bei der Europameisterschaft gegen Kroatien mit 5:3 nach Verlängerung durchgesetzt und steht damit im Viertelfinale. Im Parken-Stadion von Kopenhagen wurden 22.800 Zuschauer Zeugen einer spektakulären Partie, in der Spanien zunächst durch ein Eigentor zurücklag, dann klar in Führung ging, Kroatien sich in die Verlängerung kämpfte und Spanien schließlich doch gewann.

Der Trefferreigen wurde mit einem Schockmoment eröffnet, als Unai Simon einen Rückpass ins eigene Tor (20.) passieren ließ und mit dem neunten Eigentor der EM den Spielverlauf auf den Kopf stellte. Doch die Spanier spielten in der Folge ihre Offensivqualitäten aus und gingen durch Tore von Pablo Sarabia (38.), Cesar Aspilicueta (57.) und Ferran Torres (77.) 3:1 in Führung.

Kroatien schaffte jedoch noch das unerwartete Comeback und erzwang durch Treffer von Mislav Orsic (85.) und Mario Parsalic (90.+2) noch die Verlängerung. Dort nutzten dann Alvaro Morata (100.) und Mikel Oyarzabal (103.) ihre Chancen eiskalt zum Sieg Spaniens im EM-Spiel mit den zweitmeisten Toren seit einem 5:4 von Jugoslawien gegen Frankreich 1960. Die Elf von Coach Luis Enrique trifft damit am Freitag (18.00 Uhr, live in ORF1) im Viertelfinale auf den Sieger der Abendpartie zwischen Frankreich und der Schweiz.

Unangenehmes Duell für beide Teams

Das Achtelfinale zwischen Vizeweltmeister Kroatien und Spanien war das Duell zweier Spätstarter. Nach enttäuschenden Vorstellungen zum Auftakt des transeuropäischen Turniers kamen beide Teams erst in den abschließenden Gruppenspielen auf Touren, der Formanstieg sollte nun bestätigt werden. Beide Teams hätten sich garantiert andere Gegner gewünscht.

Kroatien musste zudem nach einem positiven Coronavirus-Test auch noch ohne Ivan Perisic auskommen. Der Mann von Inter Mailand hatte in der Gruppenphase immerhin zweimal getroffen. Für den gesperrten Routinier Dejan Lovren kam der Ex-Salzburger Duje Caleta-Car wie schon im ersten Spiel, dem 0:1 gegen England, in der Innenverteidigung zum Einsatz.

Anfangsphase gehört Spanien

Die Anfangsphase gehörte dann auch eindeutig den Spaniern, die mit 80 Prozent Ballbesitz das Leder nur selten dem Gegner überließen. In der 13. Minute hatten die Spanier durch Pablo Sarabia ihren ersten guten Abschluss.

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Torschuss von Koke (ESP)
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Spanien war von Anfang an die gefährlichere Mannschaft. Hier Koke bei einer Torchance.
Spaniens Goalie Unai Simon zeigt sich enttäuscht
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In der 20. Minute musste Unai Simon nach einem Rückpass den Ball aus dem eigenen Tor holen
Tor von Pablo Sarabia (ESP)
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Pablo Sarabia erzielte in der 38. Minute den verdienten Ausgleich für Spanien
Tor von Cesar Azpilicueta (ESP)
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Chelsea-Legionär Cesar Azpilicueta köpfelte in der 57. Minute das 2:1 für Spanien
Tor von Ferran Torres (ESP)
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Ferran Torres erhöhte in der 77. Minute auf 3:1. Doch die vermeintliche Vorentscheidung war keine.
Tor von Mislav Orsic (CRO)
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Mislav Orsic machte Kroatien mit dem Tor zum 2:3 (85.) wieder Hoffnung
Tor von Mario Pasalic (CRO)
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Mario Pasalic vollendete mit dem 3:3 in der Nachspielzeit (90.+2) die erfolgreiche Aufholjagd Kroatiens
Tor von Alvaro Morata (ESP)
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Vorbildliche Schusshaltung von Morata vor dem Tor zum 4:3 für Spanien (100.)
Jubel von Mikel Oyarzabal (ESP)
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Mikel Oyarzabal setzte in der 103. Minute mit dem 5:3 den Schlusspunkt hinter den „Thriller von Kopenhagen“

Doch der 29-Jährige von Paris Saint-Germain traf nur das Außennetz. Spanien machte weiter großen Druck. Noch größer war die Chance für Koke in der 16. Minute, doch Kroatiens Tormann Dominik Livakovic wehrte mit dem Fuß ab.

Schwerer Tormannschnitzer bringt 1:0

Doch in der 20. Minute stand dann der Schrecken im Gesicht der Spanier. Einen weiten, aber leichten Rückpass vom 18-jährigen Pedri konnte Unai Simon im Tor nicht kontrollieren, und der Ball sprang von seinem Fuß über die Linie. Es war bereits das neunte Eigentor dieser EM, und damit gibt es gleich viel wie bei allen anderen Europameisterschaften zuvor zusammen. Der Europäische Fußballverband (UEFA) erklärte schließlich Pedri zum Schützen des Eigentores.

Simon-Patzer zum 1:0 (20. Minute)

Spanien-Tormann Unai Simon mit einem kapitalen Fehler. Bei einem Rückpass kann er den Ball nicht kontrollieren und lenkt ihn ins eigene Tor ab.

Kroatien war entsprechend motiviert und bestürmte in den nächsten Minuten das spanische Tor. Nikola Vlasic (24.) und der gebürtige Linzer Mateo Kovacic (26.) fanden Topchancen vor. Aber die Mannschaft von Luis Enrique fing sich wieder, fand ihre spielerische Linie und setzte Kroatien nach rund 30 Minuten verstärkt unter Druck.

Spanien dreht das Spiel

Nach einigen stürmisch vorgetragnenen Angriffen versuchte Jose Gaya in der 38. Minute sein Glück mit einem strammen Schuss im Strafraum, den Dominik Livakovic nur nach vorne wegschlagen konnte. Sarabia stand genau richtig und verwerte den Abpraller zum 1:1. Die letzten Minuten bis zum Pausenpfiff gehörten dann eindeutig dem Europameister von 2012.

Sarabia gleicht aus (38. Minute)

Nach mehreren erfolglosen Versuchen der Spanier führt der letzte von Pablo Sarabia doch noch zum Ausgleich – 1:1.

Nach der Pause ging der Einbahnstraßenfußball Richtung Kroatiens Tor weiter. Das 2:1 schien nur eine Frage der Zeit zu sein. In der 57. Minute verwertete dann Cesar Azpilicueta eine Maßflanke von Ferran Torres von rechts mit dem Kopf nicht nur zur 2:1-Führung, sondern auch zu seinem ersten Tor für Spanien in seinem 27. Länderspiel.

Azpilicueta macht 2:1 für Spanien (57. Minute)

Die Spanier drehen die Partie. Cecar Azpilicueta köpfelt aus kurzer Distanz zum 2:1 ein.

Vermeintliche Vorentscheidung

Spanien ließ in der Folge weiter in bekannter Manier den Ball zirkulieren, getreu dem alten Motto: Wenn wir den Ball haben, kann ihn der Gegner nicht haben. Doch Kroatien fand immer wieder Chancen vor. So hatte Josko Gvardiol in der 67. Minute das 2:2 auf dem Fuß, doch diesmal konnte sich Simon auszeichnen. Der Bilbao-Torhüter tauchte reaktionsschnell ab und verhinderte den Ausgleich. Damit hatte Spaniens Goalie seinen Schnitzer vom 0:1 wiedergutgemacht.

Torres mit dem 3:1 (77. Minute)

Die kroatische Hintermannschaft schläft bei einem Freistoß der Spanier. Ferran Torres nutzt die Unachtsamkeit aus und trifft zum 3:1.

Kurz darauf rissen die Spanier wieder die Hände in die Höhe. Doch der Jubel in der 72. Minute über das vermeintliche 3:1 durch Alvaro Morata erstummte rasch, zu klar war der Stürmer von Atletico Madrid dabei im Abseits gestanden. Aber in der 76. Minute war wirklich spanische Freude angesagt. Ferran Torres nahm einen langen Ball seines eingewechselten Namensvetters Pau Torres ideal mit und vollendete elegant zum 3:1.

Kroatien kommt noch einmal heran

Kroatien steckte aber nicht auf, und nach einem Getümmel im Strafraum jagte Mislav Orsic den Ball über die Linie zum 2:3-Anschlusstreffer (85.). Die Torsituation war im ersten Moment unklar, aber Schiedsrichter Cüneyt Cakir aus der Türkei zeigte sofort auf seine Uhr. Er hatte gleich das Signal erhalten, dass der Ball beim Schuss von Orsic die Linie vollumfänglich passiert hatte.

Orsic gelingt der Anschlusstreffer (85. Minute)

Nach einem Gestochere im Strafraum der Spanier drückt „Joker“ Mislav Orsic den Ball zum 3:2 über die Linie.

Eine heiße Schlussphase nahm ihren Lauf, und die Kroaten belohnten sich noch einmal in der Nachspielzeit. Mario Pasalic köpfelte eine Flanke von Orsic am verdutzten Simon vorbei zum 3:3-Ausgleich ins Netz (90.+2).

Pasalic rettet Kroaten in Verlängerung (90+2. Minute)

Der zweite „Joker“ bei den Kroaten sticht. Mario Pasalic köpfelt in der Nachspielzeit zum 3:3 ein.

Chancen für Kroatien, Tore für Spanien

In der notwendigen Verlängerung zeigte Orsic mit einem Schuss knapp über die Latte (92.), dass die Kroaten jetzt wieder die Initiative ergriffen hatten. In der 96. Minute wurde es neuerlich hektisch im spanischen Strafraum, doch Kramaric brachte den Ball nicht an Simon vorbei im Tor unter.

Oyarzabal legt für Spanien nach (103. Minute)

Der fünfte Treffer der Spanier geht auf das Konto von Mikel Oyarzabal.

Doch Spanien schüttelte nach zehn Minuten der Verlängerung die anfängliche Verkrampftheit ab und wendete das Spielglück erneut zu seinen Gunsten. Morata (100.) und Oyarzabal (103.) versetzten den Kroaten mit ihren Toren letztlich doch die entscheidenden Tiefschläge.

Ante Budimir schob in der 106. Minute für Kroatien noch einmal knapp neben das Tor und Dani Olmo traf für Spanien in der 120. Minute nur die Stange. Es war der Schlusspunkt hinter der trefferreichsten Partie der EM, mit der die EM-Reise für den Vizeweltmeister von 2018 aus Kroatien trotz Aufbäumens bitter zu Ende ging.

Stimmen zum Spiel:

Zlatko Dalic (Teamchef Kroatien): „Wir haben gut gespielt, alles getan, um ein großes Resultat zu schaffen, und wir sind dem nahe gekommen. Unser Ziel war die K.-o.-Runde, das haben wir geschafft. Aber wir sind auf ein richtig starkes Spanien getroffen. Selbst ein fehlender Schlüsselspieler wäre für uns ein großer Verlust – wir hatten heute aber zwei – Lovren und Perisic.“

Luka Modric (Kapitän Kroatien): „Sie waren besser, zumindest 60 Minuten lang. Wir sind zu tief gestanden, haben sie spielen lassen. Als wir mehr attackiert haben, waren wir besser und haben auch mehr Chancen gehabt – daraus resultierte auch der Ausgleich, als wir Charakter und Qualität gezeigt haben. In der Nachspielzeit hatten wir gleich zwei gute Chancen, konnten sie aber nicht verwerten.“

Luis Enrique (Teamchef Spanien): „Ich bin für weitere solche Spiele bereit – aber ich weiß nicht, ob es den Fans oder der Familie genau so geht. Ehrlich, wir haben nur einen großen Fehler gemacht. Das Ende des Spiels war wundervoll. Ich bin froh, dass uns das Spiel eine zweite Chance gegeben hat. Unai Simon war heute ein Vorbild für alle jungen Spieler, die einmal Profifußballer werden wollen. Die Botschaft ist: Mach dir keine Sorgen wegen deiner Fehler. Konzentriere dich auf dein Ziel. Natürlich war das heute ein schwerer Fehler von ihm. Aber er hat danach noch einige fantastische Paraden gezeigt.“

Sergio Busquets (Kapitän Spanien, Spieler des Spiels): „Das war ein sensationelles Spiel. Wir hatten immer Vertrauen in uns. Wir verbessern uns bei diesem Turnier von Spiel zu Spiel.“

Fußball-EM, Achtelfinale

Montag:

Kroatien – Spanien 3:5 n.V. (1:1, 3:3)

Kopenhagen, Parken-Stadion, 22.800 Zuschauer, SR Cakir (TUR)

Torfolge:
1:0 Pedri (20./Eigentor)
1:1 Sarabia (38.)
1:2 Azpilicueta (57.)
1:3 F. Torres (77.)
2:3 Orsic (85.)
3:3 Pasalic (90.+2)
3:4 Morata (100.)
3:5 Oyarzabal (103.)

Kroatien: Livakovic – Juranovic (74./Brekalo), Vida, Caleta-Car, Gvardiol – Modric (114./Ivanusec), Brozovic, Kovacic (79./Budimir) – Vlasic (79./Pasalic), Rebic (67./Orsic) – Petkovic (46./Kramaric)

Spanien: Simon – Azpilicueta, E. Garcia (71./P. Torres), Laporte, Gaya (77./Alba) – Koke (77./Ruiz), Busquets (101./Rodri), Pedri – F. Torres (88./Oyarzabal), Morata, Sarabia (71./Olmo)

Gelbe Karten: Caleta-Car, Brozovic bzw. keine

Die Besten: Modric, Kovacic, Brozovic bzw. Pedri, Azpilicueta, F. Torres