Bild zeigt den Sturz von Caleb Evans bei der 3 Etappe der Tour de France.
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Tour de France

Sorgenfalten nach Sturzchaos

Die Sturzserie bei der Tour de France hat wieder eine Diskussion über die Sicherheit entfacht. Am Montag erwischte es auf der überraschend vom Belgier Tim Merlier gewonnenen dritten Etappe von Lorient nach Pontivy erstmals auch die Stars der Szene und die Anwärter auf den Gesamtsieg.

Der slowenische Favorit und Vorjahreszweite Primoz Roglic rollte mit zerfetztem Trikot über den Zielstrich, Ex-Gesamtsieger Geraint Thomas kugelte sich die Schulter aus, für Sprintstar Caleb Ewan endete die Tour im Krankenwagen. „Es ist das größte Rennen der Welt. Jeder ist nervös. Es liegt natürlich auch am Druck. Es ist ein gefährlicher Sport“, sagte der Gesamtführende Mathieu van der Poel, der heil durch den Tag gekommen war.

Der große Verlierer des Tages war Roglic, der zehn Kilometer vor dem Ziel im Straßengraben landete und 1:21 Minuten auf Merlier verlor. In der Gesamtwertung liegt Roglic 1:35 Minuten hinter van der Poel auf Platz 20. Direkt nach dem Zieleinlauf begab sich Roglic zum Röntgen und gab danach Entwarnung. Der Slowene vom Jumbo-Visma-Team kann die Tour fortsetzen. Sein Teamkollege Steven Kruijswijk musste am Finger genäht werden.

Der slovenische Radsportler Primoz Roglic nach einem Sturz.
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Der Vorjahreszweite Roglic wird die Tour fortsetzen – Schmerzen werden ihn begleiten

„Zum Glück ist alles in Ordnung, nichts ist gebrochen. Ich habe Schürfwunden am ganzen Körper“, sagte Roglic am Montagabend und schaute nach vorn: „Es war sehr stressig und nicht der beste Tage für uns, aber wir machen weiter. Solange wir im Rennen sind, werden wir kämpfen“, so Roglic. Das Gelbe Trikot ist für den Slowenen erst einmal außer Reichweite, das trägt weiterhin van der Poel. Der Alpecin-Teamkollege von Merlier rangiert acht Sekunden vor dem Franzosen Julian Alaphilippe sowie 31 Sekunden vor Richard Carapaz aus Ecuador.

Schlüsselbeinbruch bei Ewan

Roglic war auf der chaotischen Etappe freilich nicht der einzige Fahrer, der stürzte. Bereits nach 36 Kilometern war Mitfavorit Thomas gestürzt und hatte sich dabei die rechte Schulter ausgekugelt. Nach kurzer Behandlung stieg der Tour-Sieger von 2018 allerdings wieder aufs Rad.

Das vermochte der australische Sprinter Ewan nicht mehr, nachdem er wenige Meter vor dem Ziel bei immenser Geschwindigkeit gestürzt war und dabei auch Bora-Kapitän Peter Sagan mitgerissen hatte. „Es ist die Tour, es ist gefährlich. Es war eng, es ist nicht Platz für alle. Es wird um die Positionen gekämpft. Wir können froh sein, dass es trocken war. Es passiert leider immer wieder. Es muss nicht sein“, sagte Ewans deutscher Anfahrer Roger Kluge.

Bild zeigt Caleb Ewan nach dem Sturz
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Für Topsprinter Ewan war die Tour nach der dritten Etappe zu Ende

Ewan wurde direkt in der Zielzone im Krankenwagen behandelt, wenig später bestätigte sein Team Lotto-Soudal das Aus aufgrund eines Schlüsselbeinbruchs. Der slowenische Tour-Vorjahressieger Tadej Pogacar blieb von Stürzen verschont, wurde aber von einem Crash vier Kilometer vor dem Ziel aufgehalten und verlor 26 Sekunden auf die Spitze.

Kritik an Streckenführung

Stürze gehören in der ersten Woche der Tour zur Tagesordnung, doch die Diskussion über die Sicherheit der Fahrer hat wieder Fahrt aufgenommen. „Ich freue mich nicht darauf, die Familien der Fahrer anzurufen. So können wir nicht weitermachen“, sagte FDJ-Teamchef Marc Madiot und legte nach: „Das ist nicht mehr Radsport. Wir müssen das ändern, so geht es nicht mehr weiter. Wenn wir es nicht machen, werden wir Tote haben.“

Auch der deutsche Ex-Profi Jens Voigt äußerte Kritik – vor allem an der Streckenführung: „Man hätte ganz sicher den einen oder anderen Sturz vermeiden können, wenn man die Strecke anders gewählt hätte: keine Abfahrt auf den letzten fünf Kilometern in den Zielort hinein und breitere Straßen“, sagte der 49-Jährige: „Das hätte intelligenter und harmonischer gelöst werden können.“

Kampf um die besten Plätze

Bereits auf der ersten Etappe hatte es zwei Massenstürze gegeben. Dabei hatte der Deutsche Tony Martin unfreiwillig die Hauptrolle gespielt, als er von einer Zuschauerin zu Fall gebracht worden war. Auch am Montag erwischte es Martin, als Thomas gestürzt war. Der Jumbo-Profi konnte das Rennen ebenso wie Roglic fortsetzen, deren Teamkollege Robert Gesink schied dagegen aus. „Die Straßen sind schmal, jedes Team will vorn fahren. Es ist dann aber nicht immer genug Platz“, sagte der US-Amerikaner Sepp Kuss (Jumbo).

Voigt sagte dazu: „Erste Sprintetappe, alle Sprinter noch im Vollbesitz ihrer Kräfte – die brauchen viel Platz. Da sollte das Finale möglichst langweilig und lange geradeaus gestaltet werden. Da kann man der Tour de France einen Vorwurf machen. Die Tour stiehlt sich irgendwie auch selbst die Show damit.“