Jubelnde Spanier
APA/AFP/Stuart Franklin
Fußball-EM

Spanier melden sich eindrucksvoll zurück

Für Kroatien war es das dramatische Ende einer enttäuschenden EM, für Spanien möglicherweise der Auftakt zu ganz Großem und zugleich ein Warnschuss an die Konkurrenz. Mit dem 5:3-Sieg nach Verlängerung einer verrückten Partie schöpften die in den ersten Spielen nur mäßigen Spanier am Montag in Kopenhagen neue Hoffnung. „Das war ein sensationelles Spiel. Wir hatten immer Vertrauen in uns. Wir verbessern uns bei diesem Turnier von Spiel zu Spiel“, sagte Kapitän Sergio Busquets.

„Wir hätten das Spiel früher entscheiden müssen“, sagte er angesichts einer 3:1-Führung bis fünf Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit. „Aber dann haben wir unseren wahren Charakter gezeigt.“ Auch Trainer Luis Enrique zeigte sich „froh, dass uns das Spiel eine zweite Chance gegeben hat“. Sein Team war trotz starken Beginns durch ein Slapstick-Eigentor von Goalie Unai Simon mit 0:1 in Rückstand geraten.

Enrique verzichtete auf harte Kritik, fand vielmehr warme Worte für den zehnfachen Teamspieler in Diensten Athletic Bilbaos. „Er war heute ein Vorbild für alle jungen Spieler, die einmal Profifußballer werden wollen. Die Botschaft ist: Mach dir keine Sorgen wegen deiner Fehler. Konzentriere dich auf dein Ziel. Natürlich war das heute ein schwerer Fehler von ihm. Aber er hat danach noch einige fantastische Paraden gezeigt.“

Highlights von Kroatien – Spanien

Mit einem Torfestival und nach Verlängerung steht Spanien im Viertelfinale. Nach 3:3 in der regulären Spielzeit entschieden die Spanier ein attraktives Achtelfinale am Ende mit 5:3 für sich.

Befreiungsschlag von Morata

Nicht nur Simon bekam besonders Lob. Auch Alvaro Morata, bisher für sein Versagen vor dem Tor hart kritisiert und in den sozialen Netzwerken samt Familie beschimpft und bedroht, stellte die Weichen in der 100. Minute mit dem 4:3 wieder auf Sieg. „Ich freue mich irrsinnig für ihn“, meinte Enrique. „Er hat viel Charakter, hält Situationen aus, in denen keiner von Ihnen gerne wäre. Ich habe eine vorbildliche Einstellung gesehen.“

Morata widmete den Treffer seiner „Frau, den Kindern und allen, die mich unterstützen. Es stimmt, dass ich Dinge erlebt habe, die mir nicht gefallen, aber die Mehrheit der Spanier steht hinter mir“, sagte der von Atletico an Juventus Turin verliehene Stürmer.

Viertelfinale gegen Schweiz

Nun bekommt es Spanien am Freitag in St. Petersburg mit dem Sensationsteam aus der Schweiz zu tun, das Weltmeister Frankreich eliminierte. Enrique ist sich im Klaren darüber, dass sein Team aller Offensivkraft zum Trotz auch gewissen Unsicherheiten unterliegt: „Wir mussten eine neue Mannschaft aufbauen und sind in einem Reifeprozess. Wir können gegen jeden gewinnen, aber auch verlieren.“

Spanien wurde in den Jahren 2008 und 2012 Europameister und 2010 sogar Weltmeister. Zwischen diesem Titelhattrick und dem epischen Montagabend in Kopenhagen hatte die Fußballgroßmacht aber nie wieder zu den besten acht Teams eines bedeutenden Turniers gehört.

Ernüchterung bei Kroatien

Bei Vizeweltmeister Kroatien hingegen herrschte nach der Aufholjagd im Finish der regulären Spielzeit durch die „Joker“ Mislav Orsic (85.) und Mario Pasalic (90.+2) Ernüchterung. „Dass wir beim Stand von 3:3 die Chance zum 4:3 ausgelassen haben, war meiner Meinung nach der entscheidende Moment. Da hätte das Spiel kippen können“, sagte Coach Zlatko Dalic im Rückblick auf den Beginn der Verlängerung.

Die Befürchtung, das Team habe seinen Zenit nach Platz zwei bei der WM 2018 und mehreren Rücktritten überschritten, bewahrheitete sich. Und so könnte das dramatische Spiel auch das letzte von Regisseur Luka Modric gewesen sein. Der 35-Jährige von Real Madrid ließ offen, ob er auch bei der WM 2022 in Katar noch für sein Nationalteam spielen wird. „Wir werden sehen. Wir müssen uns gut ausruhen und an alles denken. Jetzt ist nicht die Zeit, um darüber zu sprechen“, sagte er dem TV-Sender HRT.

„Wir haben alles gegeben“

Mit seiner Truppe war Modric trotz des Aus zufrieden. „Wir haben alles gegeben“, sagte der Maestro. „Wir können mit unserer Herangehensweise, unserem Charakter und unserer Moral zufrieden sein, aber Spanien war in den entscheidenden Situationen besser. Wir sollten ihnen gratulieren.“

Zählt Modric zur alten Garde, so gehört Mittelfeldspieler Nikola Vlasic von ZSKA Moskau zu jenen Kickern, die die „Vatreni“ in Zukunft tragen müssen. Der 23-jährige Bruder der früheren Hochsprung-Weltmeisterin Blanka Vlasic zeigte nach dem EM-Aus immerhin das Herz und die Emotionen, die seinem Team bei diesem Turnier so häufig abgingen. „Als wir die beiden Tore zum Ausgleich erzielten, war mein Herz so groß wie ein Haus“, sagte er. „Aber als die Spanier dann noch einmal trafen, brach dieses Haus buchstäblich zusammen. So etwas habe ich noch nie erlebt.“