Fußball-EM

Last-Minute-Tor bringt Ukraine Aufstieg

Die Ukraine hat sich am Dienstagabend das letzte Viertelfinal-Ticket bei der Fußball-EM gesichert. Die Osteuropäer, die in der Gruppe C hinter den Niederlanden und Österreich nur auf Rang drei gelandet waren, bezwangen Gruppe-E-Sieger Schweden in Glasgow mit 2:1 nach Verlängerung. Für die Entscheidung sorgte ein Last-Minute-Tor in der Overtime.

Alexander Sintschenko (27.) brachte die Ukraine in Führung, Emil Forsberg (43.) glich mit seinem vierten Turniertor für die favorisierten Skandinavier noch vor der Pause aus. In der Verlängerung wurde dann Marcus Danielson wegen eines brutalen Fouls ausgeschlossen, und in Überzahl gelang dem eingewechselten Artem Dowbyk (121.) in der Nachspielzeit schließlich der Siegestreffer.

Die Ukrainer, die zum Abschluss der Vorrunde mit 0:1 gegen Österreich verloren hatten, schafften damit im Gegensatz zu den Niederländern und dem ÖFB-Team den Einzug ins Viertelfinale, in dem sie am Samstag (21.00 Uhr, live in ORF1) in Rom auf England treffen.

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Emil Forsberg (SWE) gegen Serhiy Sydorchuk und Taras Stepanenko (beide UKR)
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Emil Forsberg und die Schweden übernahmen meistens die Initiative in der Offensive
Tor von Oleksandr Zinchenko (UKR)
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In Führung gingen aber in der 27. Minute die Ukrainer durch Alexander Sintschenko
Jubel von Emil Forsberg (SWE) nach dem Ausgleich
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Noch vor dem Seitenwechsel gelang Forsberg mit einem abgefälschten Schuss der Ausgleich
 Emil Forsberg (SWE) reagiert enttäuscht nach einem Stangenschuss
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Schwedens Torjäger traf danach noch je einmal die Stange und die Latte
Torchance von Alexander Isak (SWE)
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Goalie Georgi Buschtschan bewahrte die Ukrainer mit einer Glanzparade vor dem 1:2
Dejan Kulusevski (SWE) liegt nach einer verpassten Torchance auf dem Rasen
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Beiden Mannschaften gingen in der Verlängerung die Kräfte aus
Daniele Orsato gibt nach einem schweren Foul von Marcus Danielson (SWE) an Artem Besyedin (UKR) die rote Karte
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Bei einem brutalen Foul von Marcus Danielson, der dafür die Rote Karte sah, zog sich Artem Besedin eine Knieverletzung zu
Tor von Artem Dovbyk (UKR)
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Artem Dowbyk verhinderte mit dem späten Siegestor ein Elfmeterschießen und fixierte den Viertelfinal-Einzug der Ukraine

Schweden übernehmen das Kommando

Nach seiner starken Leistung als „Joker“ beim 3:2 gegen Polen im letzten Gruppenspiel rückte Stürmer Dejan Kulusevski in die schwedische Startelf. Der 21-Jährige von Juventus Turin, der wegen einer Coronavirus-Infektion erst verspätet in die EM einsteigen konnte, durfte statt Robin Quaison ran.

Bei den Ukrainern setzte Starcoach Andrej Schewtschenko Spielmacher Ruslan Malinowski überraschend nur auf die Bank. Den Sturm bildeten wie gewohnt Andrej Jarmolenko und Roman Jaremtschuk, die jeweils zwei der bis dahin vier EM-Tore erzielt hatten.

Die Schweden übernahmen angeführt von Leipzig-Torjäger Forsberg von Beginn an das Kommando, Zählbares schaute aber zunächst nicht heraus. Erst nach zehn Minuten kamen die Ukrainer erstmals vor das gegnerische Tor, aber gleich mit einer guten Chance. Jarmolenkos Schuss missglückte allerdings komplett (11.). Auf der Gegenseite vergaben die Schweden gleich zwei Möglichkeiten. Nach einer schönen Flanke von Kulusevski kam Forsberg nicht richtig zum Kopfball (18.), und ein Schuss von Alexander Isak strich an der rechten Stange vorbei (19.).

Sintschenko legt vor, Forsberg gleicht aus

Aus einem der vereinzelten Entlastungsangriffe resultierte dann die ukrainische Führung. Jarmolenko legte per Außenrist ideal für Sintschenko auf, und dieser traf aus halblinker Position. Keeper Robin Olsen hatte zwar noch die Finger am Ball, der Halbvolley-Schuss des Manchester-City-Legionärs war aber zu wuchtig (27.).

Sintschenko legt für Ukraine vor (27. Minute)

Mit einem herrlichen Außenristpass setzt Jarmolenko Sintschenko in Szene, und der schießt wuchtig zum 1:0 ein.

Die Schweden setzten ihre Angriffsbemühungen unbeirrt fort, konnten das Abwehrbollwerk der Osteuropäer aber vorerst noch nicht knacken. Kurz vor dem Pausenpfiff durften sie dann aber doch den Ausgleich bejubeln. Forsberg nahm sich ein Herz, schoss von außerhalb des Strafraums, und der Ball wurde von Verteidiger Ilja Sabarny unhaltbar für Goalie Georgi Buschtschan abgefälscht (43.).

Forsberg gleicht für Schweden aus (43. Minute)

Ein abgefälschter Schuss von Emil Forsberg führt zum 1:1. Für den schwedischen Stürmer ist es bereits der vierte Treffer im Turnier.

Stange rettet auf beiden Seiten

In unveränderter Formation gingen beide Mannschaften in die zweite Halbzeit, und auch am Geschehen auf dem Feld änderte sich wenig. Die Schweden blieben im Angriffsmodus, und die Ukrainer lauerten vor allem auf Konterchancen. In der 55. und 56. Minute hätten dann beide Mannschaften in Führung gehen können. Zunächst landete ein Schuss von Sergej Sidortschuk nach Jarmolenko-Vorlage an der rechten Stange, quasi im Gegenstoß rettete der rechte Pfosten bei einem hervorragend herausgearbeiteten Versuch von Forsberg.

Nach gut einer Stunde wechselte Schewtschenko dann doch Malinowski für Nikolaj Schaparenko ein. Die nächste gute Gelegenheit hatten aber die Schweden: Buschtschan konnte einen gut angetragenen Schuss von Kulusevski mit einer Glanzparade abwehren (66.). Olsen hatte hingegen keinerlei Mühe mit einem verunglückten Jarmolenko-Abschluss (67.). Viel besser machte es Forsberg, sein herrlicher Weitschuss krachte aber von der Latte zurück ins Feld (69.).

Lattenkracher von Forsberg (69. Minute)

Ein Tor, ein Stangenschuss und ein Lattentreffer lautet die Bilanz von Emil Forsberg nach knapp 70 Spielminuten.

Mit dem sich nähernden Ende der regulären Spielzeit gingen beide Teams dann immer weniger Risiko ein, mit Ausnahme von Gelben Karten für Jarmolenko (wegen Meckerns) und Forsberg (wegen Ellenbogeneinsatzes) passierte zunächst nichts Nennenswertes mehr. In der 89. Minute hatte Kulusevski dann nach einem Forsberg-Steilpass den Matchball am Fuß, wurde aber im letzten Moment von einem ukrainischen Verteidiger doch noch am Torschuss gehindert.

Brutales Foul und späte Entscheidung

Mit Beginn der Verlängerung wurde Jaremtschuk durch Artem Besedin ersetzt, der schwedische Teamchef Janne Anderson brachte wenig später mit Quaison für Kulusevski, Marcus Berg für Isak und Viktor Claesson für Sebastian Larsson drei neue Offensivkräfte.

Unrühmliches „Highlight“ der Overtime war dann ein äußerst brutales Foul von Danielson. Der Verteidiger traf mit dem gestreckten Bein mit voller Wucht das Knie von Besedin, das nach hinten durchgedrückt wurde. Beide mussten vom Platz, der Schwede mit einer Roten Karte von Referee Daniele Orsato und der erst kurz zuvor eingewechselte Ukrainer mit einer schweren Verletzung (99.).

Danielson sieht Rote Karte (99. Minute)

Marcus Danielson trifft den Ball und danach mit voller Wucht das Knie von Artem Besedin. Nach Studium der Videobilder zückt Schiedsrichter Daniele Orsato die Rote Karte.

Zum Seitenwechsel wurde für Jarmolenko Dowbyk eingetauscht (106.), die nun in Überzahl agierenden Ukrainer drängten auf die Entscheidung. Berg wurde vom Knie eines Gegenspielers am Kopf getroffen, konnte nach medizinischer Behandlung aber weiterspielen. Die dezimierten Schweden wehrten sich mit aller Kraft gegen die Niederlage. Als alle im Hampden Park bereits mit einem Elferschießen rechneten, fixierte Dowbyk doch noch den Aufstieg. Der „Joker“ köpfelte nach einer weiten Flanke von Sintschenko ein.

Stimmen zum Spiel:

Andrej Schewtschenko (Ukraine-Teamchef): „Beide Mannschaften haben sehr gut gespielt, es war ein interessantes Match. Kein Team wollte verlieren, deshalb ist es zu diesem Drama gekommen. Wir haben gewusst, wie wir ab der ersten Minute spielen müssen und dass wir während des Spiels stärker werden können. Der Plan, den wir entwickelt haben, ist gut aufgegangen. Mit dieser Leistung, diesem Engagement und heroischen Kampf hat sich unsere Mannschaft die Liebe einer ganzen Nation verdient.“

Jan Andersson (Schweden-Teamchef): „Es hat sich angefühlt, als würden wir letztlich treffen, aber es hat leider nicht geklappt. Die Rote Karte hat das Spiel entschieden, wir mussten hart kämpfen. Es ist eine schmerzhafte Niederlage. Es hat keinen Sinn, in dem Moment in der Kabine etwas zu sagen. Es war totenstill. 2004 hat es Schweden zuletzt geschafft, die Gruppenphase zu überstehen. Ich denke, dass es die Burschen sehr gut gemacht haben, sie haben ein gutes Turnier gespielt, auch wenn es sich aktuell sehr bitter anfühlt.“

Emil Forsberg (Schweden-Torschütze): „Es ist hart. Ich glaube, dass wir das bessere Team waren. Wir haben ein unnötiges Gegentor kassiert und dann an die Stange und Latte geschossen. Wir hätten uns ein besseres Ergebnis verdient, das haben wir aber nicht geschafft. Natürlich ist es schwierig, in der Verlängerung in Unterzahl zu spielen, wir haben aber als Team gekämpft und uns geschworen, nicht aufzugeben. Mit der letzten Aktion, eine Flanke und ein Kopfball, haben sie getroffen, das ist unglaublich schwer zu verkraften. Ich bin so traurig, wir hatten höhere Ziele als das Achtelfinale.“

Alexander Sintschenko (Ukraine-Torschütze/"Man of the match"): „Es ist ein historischer Erfolg für die Ukraine. Mein Ratschlag an alle – lasst uns feiern, wir leben alle nur einmal und werden solche Momente möglicherweise nicht noch einmal erleben.“

Fußball-EM, Achtelfinale

Dienstag:

Schweden – Ukraine 1:2 n.V. (1:1, 1:1)

Glasgow, Hampden Park, 9.221 Zuschauer, SR Orsato (ITA)

Torfolge:
0:1 Sintschenko (27.)
1:1 Forsberg (43.)
1:2 Dowbyk (121.)

Schweden: Olsen – Lustig (83./Krafth), Lindelöf, Danielson, Augustinsson (83./Bengtsson) – S. Larsson (97./Claesson), Olsson (101. Helander), Ekdal, Forsberg – Kulusevski (97./Quaison), Isak (97./Berg)

Ukraine: Buschtschan – Karawajew, Sabarnyj, Krywzow, Matwijenko – Sidortschuk (118./Besus), Stepanenko (95./Makarenko), Sintschenko – Jarmolenko (106./Dowbyk), Jaremtschuk (91./Besedin/101./Zyhankow), Schaparenko (61./Malinowski)

Rote Karte: Danielson (99./Foul)

Gelbe Karten: Kulusevski, Forsberg bzw. Jarmolenko

Die Besten: Forsberg, Larsson, Ekdal bzw. Buschtschan, Jarmolenko, Sintschenko