Belgien, seines Zeichens Nummer eins der Welt, hat vor dem EM-Viertelfinale gegen Italien in den vergangenen drei Jahren seit dem Aus im WM-Halbfinale gegen Frankreich gerade einmal zwei Partien verloren. Die „Squadra Azzurra“, immerhin vierfacher Weltmeister, hält aktuell bei der Rekordmarke von 31 Partien ohne Niederlage. Eine Bilanz wird in München jedenfalls einen Kratzer bekommen. Der Gewinner wird im Halbfinale am 6. Juli im Londoner Wembley-Stadion auf Spanien treffen.
Italien marschierte bei der EM ebenso wie die Belgier mit drei Siegen durch die Gruppenphase. Beim 2:1 n. V. gegen Österreich im Achtelfinale tat sich die Mannschaft von Roberto Mancini erstmals schwer. Belgien warf in der ersten K.-o.-Runde Titelverteidiger Portugal aus dem Bewerb, allerdings nicht dank eines Offensivfeuerwerks, sondern dank hervorragender Effizienz. In Italien blickt man jedenfalls einer Schnittpartie entgegen. „Italien steht am Scheideweg“, meinte 2006-Weltmeister Fabio Cannavaro in der „Gazzetta dello Sport“.

Schnelle Stürmer, „alte“ Verteidiger
Eigentlich untypisch, bekommen es die Italiener mit einer Mannschaft zu tun, die deutlich mehr Erfahrung bei Großturnieren vorzuweisen hat. Eden Hazard, Torhüter Thibaut Courtois, Axel Witsel, Kevin De Bruyne oder Romelu Lukaku standen schon bei der WM in Brasilien vor sieben Jahren auf dem Feld. Belgiens Hintermannschaft ist jedoch auch nicht mehr die jüngste. Federico Chiesa, Ciro Immobile und Leonardo Spinazzola könnten Mancinis Trümpfe werden, vermutete die „Gazzetta“.
Fußball-EM, Viertelfinale
Freitag, 21.00 Uhr (live in ORF1):
Belgien – Italien
München, SR Vincic (SLO)
Mögliche Aufstellungen:
Belgien: Courtois – Alderweireld, Vermaelen, Vertonghen – Meunier, Tielemans, Witsel, Thorgan Hazard – De Bruyne, Eden Hazard – Lukaku
Italien: Donnarumma – Di Lorenzo, Bonucci, Chiellini, Spinazzola – Barella, Jorginho, Verratti – Chiesa, Immobile, Insigne
Belgien setzt Romelu Lukaku dagegen. Der Mittelstürmer der „Roten Teufel“ hat Inter Mailand in der Serie A mit seinen 24 Treffern zum Titel geführt. Der Respekt des Gegners ist groß. Gleichzeitig kenne man Lukaku natürlich bestens, betonte Rechtsverteidiger Giovanni Di Lorenzo. „Er muss unter Kontrolle gehalten werden. Aber Belgien hat viele starke Spieler“, meinte der Napoli-Profi. Verstärkung gibt es in Form von Giorgio Chiellini. Der erfahrene Kapitän ist nach seinen Muskelproblemen wieder im Training und soll zur Verfügung stehen, um Lukaku zu entschärfen.
Fragezeichen hinter De Bruyne
Bei Belgien drehte sich beinahe alles um die Fitness von Eden Hazard und De Bruyne. Vor allem der nach einem Foul des Portugiesen Joao Palhinha im Achtelfinale am Knöchel verletzte De Bruyne gilt als Schlüsselspieler. Das zeigte der 30-Jährige vor allem in der Gruppenphase beim Spiel gegen Dänemark. Nach seiner Einwechselung drehten die Belgier die Partie von 0:1 in 2:1 um. Sowohl De Bruyne als auch der etatmäßige Kapitän Hazard fehlten am Donnerstag beim Mannschaftstraining im heimischen Tubize, wie belgische Medien berichteten.
Die Kreise des Stars von Manchester City soll wie im Finale der Champions League – als De Bruyne mit einer Gesichtsverletzung vom Feld musste – wieder Chelseas Jorginho stören. Der gebürtige Brasilianer gibt im italienischen Spiel den Takt vor. „Er hat eine überdurchschnittliche fußballerische Intelligenz. Es ist sehr schwer, ihn zu stoppen“, sagte Jorginho über De Bruyne. Furcht habe man vor den Belgiern aber keine. „Wir müssen mit Respekt vor dem Weltranglistenersten in die Partie gehen, aber alle Mannschaften haben Schwachpunkte.“
Respekt vor Italiens Angriffsfußball
Belgien hat seit September 2018 in 33 Partien bei 27 Siegen nur fünfmal nicht gewonnen: Gegen die Schweiz (2:5, November 2018) und England (1:2, Oktober 2020) setzte es in der Nations League Niederlagen. Dazu kommen drei Remis in Freundschaftsspielen. An Selbstvertrauen mangelt es demnach ebenfalls nicht. Ein anderer Italien-Experte sprach mit Blick auf die Altersstruktur im Team von der Sehnsucht nach einem Titel. „Wir müssen diese Chance ergreifen“, meinte Offensivmann Dries Mertens von Napoli.

Italien, so Mertens, habe bei der EM vielleicht viele verblüfft. „Die Leute haben nicht erwartet, dass sie Angriffsfußball spielen. Aber sie haben großes Vertrauen darin gezeigt.“ Er sei ein großer Bewunderer, so der Stürmer, der bei Napoli den Torrekord von Diego Maradona gebrochen hat. Auch die italienischen Medien warfen die Geschwindigkeit im Spiel als großes Plus der „Squadra“ in die Waagschale.

Belgiens Trainer Roberto Martinez stellte sich daher auch auf einen angriffslustigen Gegner ein. „Italien wird ab der ersten Minute attackieren, sie spielen sehr dynamisch. Sie sind 31 Spiele ungeschlagen. Das passiert nicht, wenn du nicht eine sehr gute Mannschaft bist“, sagte Belgiens Teamchef. Seine Elf habe jedoch gegen Portugal gezeigt, dass man es mit den Besten aufnehmen könne. „Es ist eine Aufgabe, auf die wir uns sehr freuen.“