Tadej Pogacar (SLO)
AP/Daniel Cole
Tour de France

Pogacar weckt Erstaunen und Zweifel

Für die Leistungen von Tadej Pogacar bei der laufenden Tour de France haben seine desillusionierten Konkurrenten oft nur ein Wort. „Unglaublich“, hört man von allen Seiten aus dem Peloton. Am Ruhetag am Montag in Tignes haben sie sich vermutlich den Kopf darüber zerbrochen, wie der Mann im Gelben Trikot noch zu gefährden ist. Schließlich ist es kaum zu fassen, was der erst 22-jährige Slowene bisher bei der 108. Tour abgeliefert hat.

„Es war, als würden wir nicht existieren“, kommentierte der spanische Hoffnungsträger Enric Mas die Dominanz von Pogacar. Dabei hat der Radsport nach dem von Dopingskandalen überschatteten Auftakt in das Jahrtausend viel dafür getan, um wieder glaubhaft zu sein. Nun kommt aber dieses Phänomen daher und lässt die anderen Profis aus dem Favoritenkreis aussehen, als würden sie nicht ansatzweise an sein Niveau herankommen. „Sie haben mich attackiert, und ich respektiere das. Am Ende braucht man gute Beine“, sagte Vorjahressieger Pogacar stoisch nach den beiden Alpen-Etappen.

Im Radsport wirft so etwas reflexartig Fragen und Spekulationen auf. Die Antworten aus Pogacars UAE Team Emirates sind die üblichen: großes Talent, noch größerer Wille, hartes Training. Doch sein überragendes Zeitfahren und das erstaunliche 30-km-Solo über zwei Berge auf der ersten Alpen-Etappe lassen Zweiflern keine Ruhe.

Vergleich der Zeiten hinkt

Sie führen dann an, dass Pogacar den Col de la Colombiere in 21:55 Minuten schneller bewältigt hat als 2007 der später wegen Dopingverdachts aus dem Rennen genommene Däne Michael Rasmussen und als 2009 die Schleck-Brüder und Alberto Contador. Der Vergleich hinkt jedoch, schließlich müssen Faktoren wie Wetter, Wind, Materialentwicklung und Taktik einberechnet werden. So fuhr 2018 eine 14-köpfige Gruppe mit Chris Froome, Egan Bernal, Tom Dumoulin und Alejandro Valverde an diesem Berg nur eine Sekunde langsamer.

Im Kampf gegen die Uhr hatte sich Pogacar klar vor dem Schweizer Zeitfahrspezialisten Stefan Küng durchgesetzt. Allerdings war Küng auf nasser Straße unterwegs, bei dem Slowenen war es trocken. Seinen Auftritt bei der Tour beschrieb er als „perfekt“, zudem habe er – was auch deutlich sichtbar ist – an seiner Position auf dem Rad gearbeitet.

Team und Umfeld mit zweifelhaftem Ruf

Zweifel angebracht sind allerdings bei Pogacars Team. UAE ist der Nachfolger des Lampre-Rennstalls, der einige durchaus schillernde Dopingfälle aufzuweisen hatte. Der Teammanager ist Maruo Gianetti, dessen einstiger Fahrer Riccardo Ricco für gleich mehrere Dopingskandale sorgte. Tour-Direktor Christian Prudhomme bezeichnete Gianetti einst als „Manager von schlechtem Ruf“, und der Schweizer galt eine Zeitlang als unerwünschte Person bei der Tour.

Die Anweisungen aus dem Teamwagen bekommt Pogacar von Adrej Hauptman. Der Slowene war als Fahrer im Jahr 2000 mit einem überhöhten Hämatokritwert, der auf Doping schließen lassen könnte, von der Tour ausgeschlossen worden. Das Umfeld Pogacars, so viel ist unstrittig, hat nicht die besten Lebensläufe.

Pogacars Training plant der spanische Arzt Inigo San Millan. Der Plan des Mediziners ist auf die Vermehrung von Mitochondrien, also von Zellbestandteilen zur Energiegewinnung, ausgelegt. Das soll dem Tour-Sieger von 2020 neben seinem unbestrittenen Talent einen Vorteil bringen. Redet er über Pogacar, wird San Millan schwärmerisch: „Ein Mann mit absolut unglaublichen physiologischen Parametern.“ Da war es wieder, dieses „unglaublich“.