Raheem Sterling
Reuters/Catherine Ivill
Fußball-EM

Dänemark als Englands nächste Hürde

Im zweiten EM-Halbfinale zwischen England und Dänemark treffen zwei Teams mit völlig unterschiedlicher Ausgangslage aufeinander. Ein Scheitern der bisher ungeschlagenen Engländer im heimischen Wembley-Stadion würde eine ganze Nation aus ihren Träumen reißen. Die hoch emotionalisierten Dänen haben am Mittwoch (21.00 Uhr, live in ORF1) dagegen nichts mehr zu verlieren. Es winkt wie 1992 ein Überraschungscoup.

„Für mich und einige der anderen erfahrenen Spieler ist das die letzte Gelegenheit, bei einem großen Turnier in Wembley zu spielen. Was für eine Möglichkeit. Was für ein Moment das sein wird“, schwärmte Englands Kapitän Harry Kane am Dienstag in einem BBC-Interview. Es geht um eine Ereignis, auf das Generationen warten müssen: Seit dem WM-Titel 1966 haben die „Three Lions“ kein Endspiel mehr bei einem großen Turnier erreicht.

In dieser Hinsicht hat Dänemark als Europameister von 1992 dem Favoriten etwas voraus. Lassen ausgerechnet die Nordländer Englands Stimmung kippen? „Die Motivation für uns ist, dass wir die Zuschauer zum Schweigen bringen“, sagte Trainer Kasper Hjulmand. Sein Team hat bekanntlich eine hochdramatische Reise durch dieses Turnier erlebt. Die Szenen, wie Christian Eriksen auf dem Platz wiederbelebt werden musste, gingen um die Welt. Der erste Finaleinzug seit fast drei Jahrzehnten käme einem Fußballmärchen gleich.

Spannung vor zweitem Halbfinale

Am Mittwoch findet in London mit dem Spiel England gegen Dänemark das zweite Fußball-EM-Halbfinale statt. Im Wembley-Stadion wollen die Engländer erstmals seit 1966 ins Finale einziehen. Die Dänen hingegen haben nichts zu verlieren und wollen alles geben.

Zwölfter Mann im englischen Lager

Simon Kjaer und Co. werden zwölf Mann überwinden müssen. Bis zu 67.500 Menschen werden im Londoner Wembley-Stadion fast ausschließlich England nach vorne peitschen, das Gros der reisefreudigen Dänen wird von britischen Beschränkungen in CoV-Zeiten ausgesperrt. Nur dänische Staatsbürger, die in England leben, können auf den Rängen dabei sein.

Fußball-EM, Halbfinale

21.00 Uhr, live in ORF1:

England – Dänemark

London, Wembley Stadion, SR Van Boekel (NED)

Mögliche Aufstellungen:

England: Pickford – Walker, Stones, Maguire, Shaw – Phillips, Rice – Sancho, Mount, Sterling – Kane

Dänemark: Schmeichel – Christensen, Kjaer, Vestergaard – Stryger Larsen, Höjbjerg, Delaney, Maehle – Braithwaite, Dolberg, Damsgaard

„Es gibt eine psychologische Komponente im Spiel. Sie haben viele Fans, aber wir dürfen nicht vergessen, dass auch viel Druck und hohe Erwartungen auf ihnen lasten. Es wird also nicht so leicht für sie. Wir wissen, dass wir diese Situation ausnutzen müssen“, sieht der 49-jährige Hjulmand aber auch einen positiven Aspekt für sein Team. Immerhin royale Unterstützung hat sich angesagt. Kronprinz Frederik und seine Frau Kronprinzessin Mary werden samt Sohn Christian im Wembley logieren, wie die Nachrichtenagentur Ritzau berichtete.

Dänemark gewann im letzten Duell

Natürlich baut der Außenseiter auf das Kollektiv. Kapitän Kjaer, Champions-League-Sieger Andreas Christensen und „Sechser“ Thomas Delaney geben dem Team die notwendige Stabilität, in der Offensive kompensieren die jungen Mikkel Damsgaard, Kasper Dolberg und Co. den Eriksen-Ausfall bravourös.

Und der Trainer setzt im Vorfeld die ersten Nadelstiche. „Sie müssen sehr, sehr gut sein, um uns zu schlagen“, sagte Hjulmand in Richtung der Engländer. Die hatte Dänemark im bisher letzten Aufeinandertreffen, am 14. Oktober 2020 in der Nations League, im Wembley mit 1:0 bezwungen. Eriksen traf damals per Elfmeter.

Davon träumt man als Kind

„Wir sind überzeugt, dass wir eine Chance haben in diesem Spiel. Letztes Jahr in Wembley hat uns den Glauben daran gegeben, na klar“, blickte Hjulmand optimistisch voraus. Statt Nervosität würde im dänischen Lager die Vorfreude überwiegen. „Das ist etwas, wovon man als Kind träumt“, betonte der Ex-Mainz-Coach.

Bei allem Hype um die dänische Truppe gilt es aber zu bedenken: Ein Topnation hat sie im Turnierverlauf bisher nicht bezwungen. Zwar gab der Einzug in die K.-o.-Phase nach zwei Niederlagen zum Auftakt mit einem dann überzeugenden 4:1 gegen Russland einen gewaltigen Schub, doch Wales war im Achtelfinale eher keine Hürde. Im Viertelfinale ging den Tschechen die Luft aus.

England als ausgewogeneres Team

Ähnlich verhält es sich aber auch mit den Engländern, die nach dem Pflichtaufstieg aus der Gruppe ein eher maues deutsches Team und defensiv völlig überforderte Ukrainer aus dem Turnier warfen. Englischen Daumendrückern ist das einerlei. Was zählt, ist der Einzug ins Halbfinale, und der wurde mit vier Siegen, einem Remis und einem Torverhältnis von 8:0 erreicht.

Declan Rice und Kalvin Phillips
AP/Rui Vieira
Declan Rice (l.) und Kalvin Phillips (r.) halfen mit, dass England bei dieser EM noch frei von Gegentoren ist

Das größte Plus der Mannschaft ist die Defensive, die mit Harry Maguire noch einmal stabiler wurde und noch immer kein Gegentor kassiert hat. Mitverantwortlich dafür sind die immens ballsicheren „Sechser“ Declan Rice und Kalvin Phillips, die zwar das Risiko mit dem Ball, aber dagegen keinerlei Drecksarbeit scheuen. Und auch die breit aufgestellte Offensive um den nun dreifachen Torschützen Kane hat Schwung aufgenommen.

„Die Möglichkeit, unseren Fans und unserer Nation Glück und großartige Nächte zu bescheren, ist eine ganz besondere“, bekundete der 50-jährige Southgate gegenüber der BBC. „Bei diesen Spielen wird man sich daran erinnern, wo man war. Die schönsten Nachrichten danach sind die, in denen die Menschen wertschätzen, was die Spieler geleistet haben – dass sie sich mit ihnen verbunden fühlen. Darauf sollten sie sehr stolz sein“, sagte Southgate.