Fußball-EM

England kämpft sich ins Finale

England hat am Mittwoch das ersehnte Ziel des Heimfinales bei der Europameisterschaft erreicht und die emotionale Reise der Dänen bei diesen Titelkämpfen beendet. Harry Kane schoss die „Three Lions“ im Wembley-Stadion von London vor 65.000 Zuschauern in der Verlängerung mit einem Elfernachschuss (104. Minute) zu einem 2:1-Sieg und damit ins Endspiel am Sonntag (21.00 Uhr, live in ORF1) gegen Italien an selber Stelle.

Mikkel Damsgaard hatte Dänemark in der 30. Minute mit dem ersten direkt verwandelten Freistoß dieser EM in Führung gebracht. England konnte jedoch kurz darauf durch ein Eigentor von Kapitän Simon Kjaer, der vor Raheem Sterling retten wollte, ausgleichen (39.). In der Verlängerung sorgte Kane dann nach einem umstrittenen Foul an Sterling erst im zweiten Versuch für die Entscheidung.

Die Partie bot den begeisterten Fans im Stadion über 120 Minuten intensiven und guten Fußball, wobei die Zahl der zwingenden Torchancen eher gering war. Beide Teams ackerten und rackerten, fanden aber nur selten den Weg durch die gegnerischen Abwehrreihen. Während England frenetisch gefeiert in sein erstes EM-Finale einzog, musste Dänemark den Traum von der Wiederholung des EM-Titels von 1992 begraben.

Fans treiben „Three Lions“ an

Bei den Dänen gab es keine Überraschungen in der Anfangsformation. Mit von der Partie war wieder der Ex-Austria-Verteidiger Jens Stryger Larsen. Nur auf der Ersatzbank saß hingegen zu Beginn Leipzig-Stürmer Yussuf Poulsen.

Bei England kehrte Bukayo Saka zurück in die Startelf von Teamchef Gareth Southgate. Ansonsten nahm der 50-Jährige keine Änderungen im Vergleich zum 4:0-Sieg gegen die Ukraine vor. England wollte genau dort weitermachen, wo esim Viertelfinale gegen die Ukraine in Rom aufgehört hatte.

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Dänische Fans
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8.000 dänische Fans fanden am Mittwoch den Weg ins Wembley-Stadion
Englische Fans
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Dennoch war der Tempel des englischen Fußballs fest in der Hand der heimischen Fans
Blick ins Wembley Stadion
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Angefeuert von ständigen „Football’s coming home“-Gesängen legte England flott los
Mikkel Damsgaard trifft
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Mikkel Damsgaard setzte einen Freistoß perfekt zum 1:0 (30.) über die englische Mauer
Simon Kjaer schlägt den Ball ins eigene Tor
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Nur neun Minuten später glich England durch ein Eigentor (39.) von Simon Kjaer (l.) aus, der den Ball klären wollte
Kasper Schmeichel
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Kasper Schmeichel verhinderte mit einer Parade das mögliche 2:1 für England nach einem Kopfball von Harry Maguire (55.).
Harry Kane und Christian Norgaard
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74. Minute: Harry Kane geht nach einem Zweikampf im Strafraum mit Christian Nörgaard zu Boden. Für Schiedsrichter Danny Makkelie war es ein Stürmerfoul und kein Strafstoß.
Blick ins Wembley-Stadion
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Die Stimmung im Wembley-Stadion war 120 Minuten lang nahe am Siedepunkt
Raheem Sterling
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Die entscheidende Szene: Sterling geht nach einem leichten Kontakt zu Boden. Makkelie gibt Elfmeter (102.).
Harry Kane jubelt
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Harry Kane wird im zweiten Versuch zum großen Semifinal-Helden für England. Sein Elfernachschuss bringt das 2:1 (104.).
Declan Rice und Mason Mount
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England steht in seinem ersten EM-Finale, und das im Wembley-Stadion, wo am Sonntag Italien wartet

Die ersten Minuten gehörten den „Three Lions“, die feldüberlegen waren und von der Mehrheit der 65.000 Zuschauer nach vorn gepeitscht wurden. Doch auch rund 8.000 dänische Anhänger befanden sich unter den Fans im Stadion. Sie sahen nach 20 Minuten einen Schnitzer von Englands Goalie Jordan Pickford, der bei einem verunglückten Auswurf den Ball zu einem Dänen warf. Dessen Schuss ging aber vorbei.

Damsgaard lässt Dänen jubeln

Nach rund 25 Minuten kam auch Dänemark besser ins Spiel. Der endgültige Beweis dafür war das 1:0 in der 30. Minute durch Mikkel Damsgaard, der im 50. Spiel dieser EM den ersten direkten Freistoßtreffer erzielte. Außerdem besiegelte der 21-jährige Sampdoria-Legionär mit seinem scharfen Innenristschuss von der Strafraumgrenze unter die Latte auch den kurz zuvor erreichten Rekord von Tormann Pickford.

Damsgaard per Freistoß zum 1:0 (30. Minute)

Mikkel Damsgaard erzielt das erste direkte Freistoßtor dieser EM.

Mit 721 Minuten hatte der Everton-Goalie den englischen Rekord von Weltmeistertorhüter Gordon Banks gebrochen, der 1966 720 Minuten ohne Gegentreffer geblieben war. Allerdings war nach 723 Minuten Pickfords Serie auch schon wieder beendet.

Auch das 1:1 erzielt ein Däne

Doch es dauerte nicht lange, bis sich England unter Mithilfe der Dänen in der Partie wieder meldete. Zunächst scheiterte Raheem Sterling mit einem Schuss an Kasper Schmeichel (38.), dann öffnete Harry Kane das Spiel auf der Seite mit einem Pass zu Saka, der einen Stanglpass auf Sterling zirkelte. Doch bei seinem Klärungsversuch beförderte Kapitän Kjaer im Rutschen den Ball zum Ausgleich ins Netz (39.). Es war das bereits elfte Eigentor der EM.

Kjaer-Eigentor zum 1:1 (39. Minute)

Raheem Sterling darf kurz nach einer vergebenen Chance doch jubeln. Dänemark-Kapitän Simon Kjaer bugsiert den Ball beim Klärungsversuch vor Sterling zum 1:1 ins eigene Tor.

„Wir sehen zwei Mannschaften, die sehr diszipliniert in der Defensive stehen, aber auch nicht auf die Offensive vergessen“, analysierte ORF-Experte Herbert Prohaska die erste Hälfte. Genauso begannen dann auch die zweiten 45 Minuten mit Chancen auf beiden Seiten. Die größte war ein Kopfball von Harry Maguire, den Schmeichel gerade noch ins Tor-Out hechten konnte (55.).

Intensiv und flott

Die Partie blieb intensiv und flott, stand dem ersten Semifinale von Dienstag mit dem dramatischen Sieg Italiens im Elferschießen über Spanien um nicht viel nach. Nach rund 70 Minuten wechselten beide Trainer durch. Southgate brachte den spielfreudigen Publikumsliebling Jack Grealish für Saka. Dänemarks Kasper Hjulmand schickte überhaupt gleich drei neue Spieler aufs Feld, darunter Yussuf Poulsen für den Torschützen Damsgaard.

Schmeichel entschärft Maguire-Kopfball (55. Minute)

Dänemark-Tormann Kasper Schmeichel bewahrt seine Mannschaft vor einem weiteren Gegentreffer und pariert einen guten Kopfball von Harry Maguire.

In der 75. Minute herrschte dann Aufregung, als die englischen Fans Elferfoul an Kane reklamierten, der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie aber in die entgegengesetzte Richtung deutete. Auch der Video Assistant Referee (VAR) entschied: Der Tottenham-Stürmer war Christian Nörgaard in die Beine gelaufen.

Engländer geben Gas

Die Schlussphase gehörte dann wieder den Engländern, die sich in der Spielhälfte der Dänen festgesetzt hatten. Dänemark kam nur noch bei weiten Abschlägen von Schmeichel auf die andere Seite der Mittellinie. In der Verteidigung standen Kjaer und Co. jedoch eng und ließ den Engländern wenig Raum im Strafraum.

So passierte auch trotz einer fast siebenminütigen Nachspielzeit nichts mehr Entscheidendes, und die bereits seit 90 Minuten hoch aufgeregten Fans bekamen eine Zugabe von 30 Minuten serviert. England machte bereits vor der Verlängerung den frischeren Eindruck und setzte Dänemark auch in der Overtime permanent unter Druck. Goalie Pickford war hingegen arbeitslos.

Kane im zweiten Versuch

In der 102. Minute dann die Entscheidung. Sterling zog dynamisch in den dänischen Strafraum und wurde von Joakim Maehle zu Fall gebracht. Schiedsrichter Makkelie zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt, und der VAR gab ihm nach einer kurzen Überprüfung recht, wobei der Kontakt nur kurz war, aber offenbar ausreichte, um auf Strafstoß zu entscheiden.

Harry Kane trifft
APA/AFP/Catherine Ivill
Harry Kane bleibt ruhig und verwandelt den Elfernachschuss zum 2:1 (104.)

Kane trat an und schob den Ball erst im zweiten Versuch an Schmeichel vorbei über die Linie, nachdem der Leicester-Tormann den ersten, schwachen Schuss noch pariert hatte, aber abprallen lassen musste (104.). Das Wembley-Stadion stand Kopf. Sterling stürmte weiter unbeirrt Richtung Schmeichel, Dänemark konnte England nichts mehr entgegensetzen, doch es blieb beim 2:1.

So endete die Achterbahnfahrt der Dänen bei dieser EM, die mit dem Reanimationsdrama rund um Christian Eriksen im Auftaktspiel gegen Finnland und zwei Niederlagen begonnen hatte, schließlich nach einem Eigentor und einem umstrittenen Elfmeter mit einer bitteren Niederlage im Wembley-Stadion. Dort, wo England am Sonntag in seinem ersten EM-Finale nach dem ersten Titel bei einem Großereignis seit der WM 1966 greift.

Stimmen zum Spiel:

Gareth Southgate (Teamchef England): „Wir wussten, dass das Spiel nicht so leicht wird wie das in Rom (4:0 gegen Ukraine, Anm.). Wir haben den Spielern gesagt, dass sie sich möglicherweise von Rückschlägen erholen werden müssen – und das haben sie getan. Ich bin so stolz auf die Spieler. Es war ein unglaublicher Anlass, hier dabei zu sein. Die Fans waren die ganze Nacht unglaublich.“

Raheem Sterling (Spieler England): „Was das für dieses Land bedeutet, hat man heute gesehen. Die Energie, die Atmosphäre, das war top. Jetzt feiern wir ein bisschen, ab morgen liegt dann der Fokus auf Italien. Wir haben einen guten Teamgeist gezeigt und das Spiel gedreht. Wir wussten, dass es schwierig wird, aber wir mussten geduldig bleiben.“

Harry Kane (Kapitän England): „Unglaublich, was für ein Spiel. Große Anerkennung an Dänemark. Es war echt hart. Wir waren da, als es zählte. Noch ein weiteres Spiel zu Hause – wir können es kaum erwarten. Der Elfmeter war nicht der beste, den ich geschossen habe.“

Kasper Hjulmand (Teamchef Dänemark): „Wir sind sehr enttäuscht, und es fällt mir schwer, darüber zu sprechen. Vielleicht fällt es mir in ein paar Tagen leichter. Wir waren so knapp vor dem Finale. Wir sind enttäuscht, dass es ein Elfmeter war, der kein Elfmeter hätte sein dürfen. Ich glaube, wir müssen das erst verdauen, bevor wir es wirklich beschreiben können. Aber es ist eine bittere Art, so aus einem Turnier auszuscheiden. Denn meine Spieler haben großartig gekämpft.“

Fußball-EM, Halbfinale

Mittwoch:

England – Dänemark 2:1 n.V. (1:1, 1:1)

Wembley-Stadion, 65.000 Zuschauer, SR Makkelie (NED)

Torfolge:
0:1 Damsgaard (30./Freistoß)
1:1 Kjaer (39./Eigentor)
2:1 Kane (104./Elfmeternachschuss)

England: Pickford – Walker, Stones, Maguire, Shaw – Phillips, Rice (95./Henderson) – Saka (69./Grealish/106./Trippier), Mount (95./Foden), Sterling – Kane

Dänemark: Schmeichel – Christensen (79./Andersen), Kjaer, Vestergaard (105./Wind) – Stryger Larsen (67./Wass), Höjbjerg, Delaney (88./Jensen), Maehle – Damsgaard (67./Poulsen), Dolberg (68./Nörgaard), Braithwaite

Gelbe Karten: Maguire bzw. Wass

Die Besten: Sterling, Maguire, Kane bzw. Schmeichel, Damsgaard