Jorginho (ITA)
Reuters/Carl Recine
Fußball-EM

Die Traumelf der Europameisterschaft

Eine der besten Europameisterschaften der Geschichte ist Geschichte und hat am Sonntag mit einem verdienten Titel für Italien geendet. 51 Spiele gingen in vier Wochen quer durch Europa über die Bühne. Manche Akteure kamen zu keiner einzigen Einsatzminute. Andere waren lediglich Ergänzungsspieler, viele blieben hinter den Erwartungen zurück – und nur einige wenige drückten dem Turnier ihren Stempel auf.

Sie begeisterten mit Talent, Technik und Toren und glänzten auf der großen Fußballbühne. Italien stellt mit fünf Spielern das Gros der EM-Traumelf von ORF.at. Von Endspielgegner England schafften es drei Akteure in die Auswahl. Ein weites Vordringen im Turnierverlauf erhöhte natürlich die Chancen auf eine Nominierung. Die Traumelf besteht allerdings nicht nur aus Finalisten. Ein Spanier, ein Portugiese und ein Niederländer stehen auch im 4-3-3-System. Die Ersatzleute für die Topspieler sind dafür bunt zusammengewürfelt.

Tormann: Gianluigi Donnarumma

Donnarumma setzt nahtlos die große Tradition italienischer Torhüter wie Dino Zoff und Gianluigi Buffon fort. Der 22-Jährige war ein extrem sicherer Rückhalt und wurde vor allem als Elferkiller zum Vater des Triumphs. Im Semifinale gegen Spanien hielt Donnarumma einen, im Endspiel gegen England dann sogar zwei Penaltys. Als Lohn wurde er als erster Tormann der Geschichte zum besten Spieler des Turniers gewählt. Teamchef Roberto Mancini adelte Donnarumma „zum besten Goalie der Welt“, was er nach seiner Leistung bei der EM auch ist.

Ersatz: Jordan Pickford (England)

Tormann Gianluigi Donnarumma (ITA)
AP/PA/Mike Egerton
Gianluigi Donnarumma avancierte im Elferschießen gegen Spanien und England zu Italiens neuem Nationalhelden

Verteidiger rechts: Kyle Walker

Mit 31 Jahren war Walker der älteste Spieler im englischen Kader, aber genau diese Routine spielte der ManCity-Verteidiger nach allen Regeln der Defensivkunst aus. Mit seiner Robustheit und beeindruckenden Schnelligkeit übte Walker Dauerdruck auf die gegnerischen Stürmer aus und ließ sie nicht zur Entfaltung kommen. Walker war offensiv zurückhaltend, wenn er sich aber in den Angriff einschaltete, hatte das Hand und Fuß. Walker stellte auch seine Vielseitigkeit unter Beweis, als er im Achtelfinale und im Endspiel tadellos in einer Dreierkette spielte.

Ersatz: Giovanni di Lorenzi (Italien)

Innenverteidiger: Harry Maguire

Wäre Maguire im Jahr 1066 im Heer von Harold Godwinson an der englischen Küste gestanden, dann hätte Wilhelm wohl nicht einmal eine Sandburg erobert und wäre unverrichteter Dinge wieder in die Normandie gesegelt. Der 28-Jährige war der Eckpfeiler einer starken englischen Abwehr und strahlte eine immense physische Präsenz aus. Maguire beeindruckte auch durch seine Übersicht, Ruhe am Ball und in der Spieleröffnung. Bei Standardsituationen war der ManUnited-Kapitän durch seine Kopfballstärke eine stete Gefahr.

Ersatz: Simon Kjaer (Dänemark)

Harry Maguire (ENG) und Bryan Cristante (ITA)
AP/Frank Augstein
Harry Maguire machte im Zweikampf mit seinen Gegenspielern wenige Kompromisse

Innenverteidiger: Leonardo Bonucci

An dieser Stelle könnte auch Bonuccis „siamesischer Abwehrzwilling“ Giorgio Chiellini, mit dem er über 300 Spiele in der Innenverteidigung absolviert hat, stehen. Das Ausgleichstor im Finale, die Demontage von Torjäger Harry Kane und die anschließende Wahl zum Spieler des Spiels gab den Ausschlag zugunsten des 34-Jährigen. Mit dem Titel krönte der Juve-Verteidiger seine 109 Spiele dauernde Teamkarriere. Bei der EM präsentierte er sich wie in seinem Länderspieldebüt 2010: stark im Zweikampf, perfektes Stellungsspiel und sicher am Ball.

Ersatz: Giorgio Chiellini (Italien)

Verteidiger links: Leonardo Spinazzola

Spinazzola verkörperte den neuen Prototyp des Außenverteidigers. Der 28-Jährige lieferte sehenswerte Dribblings. Seine Tempoläufe über die linke Seite waren ein Merkmal für die teilweise atemberaubenden Vorstellungen der „Squadra Azzura“. Der Roma-Spieler war vielleicht sogar der beste Akteur des Turniers, ehe er im Viertelfinale gegen Belgien einen Riss der Achillessehne erlitt. Gegen Spanien und England war Spinazzola zum Zuschauen verurteilt, flog aber mit nach London und leistete moralischen Beistand, der mit dem Titel belohnt wurde.

Ersatz: Luke Shaw (England)

Leonardo Spinazzola (ITA)
AP/Ben Stansall
Leonardo Spinazzola spielte auf der rechten Seite mit seinen Gegner gerne Katz und Maus

Rechtes Mittelfeld: Denzel Dumfries

In einer unter dem Strich verkorksten EM für die Niederländer spielte sich Dumfries ins Rampenlicht. Der 25-Jährige agierte rechts in einer Fünferkette, bestach aber durch seine Schnelligkeit, Torgefahr und exzellente Flanken. Gegen die Ukraine und Österreich war er an den ersten fünf Treffern von „Oranje“ direkt beteiligt – zwei davon erzielte er selbst. In nur vier Spielen stellte Dumfries seine Klasse unter Beweis. Ob er weiter bei PSV Eindhoven spielt, ist offen. Dem Vernehmen nach soll es Interesse aus Italien und von den Bayern geben.

Ersatz: Steven Zuber (Schweiz)

Zentrales Mittelfeld: Jorginho

Der „Professor“, wie Jorginho auch genannt wird, war ein zentraler Spieler auf dem Weg zum Titelgewinn. Wie ein Metronom gab der gebürtige Brasilianer im Mittelfeld Takt und Rhythmus vor. Im Finale war der 29-Jährige der Schlüssel zur Wende. Im Semifinale gegen Spanien verwandelte er seelenruhig den entscheidenden Elfmeter. Im Endspiel hatte er das Glück des Tüchtigen, dass sein verschossener Penalty keine Folgen hatte. Nach dem Gewinn der Champions League und dem EM-Titel ist er ein Kandidat für den Weltfußballer des Jahres.

Ersatz: Paul Pogba (Frankreich)

Linkes Mittelfeld: Pedri

Mit gerade einmal 18 Jahren absolvierte Pedri seine erste EM auf konstantem und extrem hohem Niveau. Kann der Nachwuchsstar vom FC Barcelona dieses halten, ist er die Zukunft der Spanier und ein legitimer Nachfolger der Legenden Andres Iniesta und Xavi Hernandez. Pedri zeigte sich nicht nur extrem laufstark, sondern war auch per du mit dem Ball. Seine Gelassenheit, technischen Fähigkeiten und Passgenauigkeit waren exzellent. Im Semifinale gegen Italien hatte er eine Passquote von 100 Prozent in der regulären Spielzeit.

Ersatz: Marco Verratti (Italien)

Pedri (ESP)
AP/Frank Augstein
Vom Körperbau vielleicht noch ein wenig schmächtig, machte Pedri Gonzalez bei der EM spielerisch eine Riesenfigur

Rechter Flügel: Federico Chiesa

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, zumindest was Chiesa betrifft. Während Vater Enrico Ende der 90er 17-mal für Italien stürmte, hat Sohn Federico schon 33 Länderspiele in den Beinen. Der echte Durchbruch gelang dem 23-Jährigen aber während der EM. Chiesa war ein absoluter Aktivposten beim neuen Europameister. Als unermüdlicher Kämpfer strahlte der Juventus-Spieler auch immer Torgefahr aus. Gegen Österreich traf er zum 1:0 in der Verlängerung, gegen Spanien sehenswert mit einem Schlenzer zur 1:0-Führung.

Ersatz: Joakim Maehle (Dänemark)

Mittelstürmer: Cristiano Ronaldo

Mit fünf Toren und einem Assist – wohlgemerkt in nur vier Spielen – sicherte sich Ronaldo erstmals in seiner außergewöhnlichen Karriere die Torschützenkrone bei einem großen Turnier. Ansonsten purzelten wieder die Bestmarken. Mit 14 Treffern ist der Portugiese alleiniger EM-Rekordtorschütze. Mit nun 109 Treffern stellte er den Weltrekord an Länderspieltoren ein. Auch 25 EM-Partien bei fünf Endrunden weist kein anderer Spieler auf. Ronaldo ist auch noch mit 36 Jahren das Maß der Dinge, viel mehr braucht nicht gesagt zu werden.

Ersatz: Patrik Schick (Tschechien)

Cristiano Ronaldo (POR)
APA/AFP/Alex Pantling
Der Traum von der Titelverteidigung platzte für Cristiano Ronaldo schon im Achtelfinale, dafür durfte er fünf Tore bejubeln

Linker Flügel: Raheem Sterling

Das Finale verlief für Sterling zwar nicht nach Wunsch, bis zum Endspiel brüllte der 26-Jährige im Team der „Three Lions“ aber am lautesten. Siegestore in der Gruppenphase gegen Kroatien und Tschechien, der Führungstreffer im Achtelfinale gegen Deutschland und der herausgeholte Elfmeter gegen Dänemark sprechen Bände. Nach einer durchwachsenen Saison bei ManCity arbeitete Sterling unermüdlich für den Erfolg und sorgte mit seiner Schnelligkeit und seinen Tempodribblings für Konfusion in den gegnerischen Reihen.

Ersatz: Lorenzo Insigne (Italien)

Trainer: Roberto Mancini

Die Leistung von Mancini ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Nach der verpassten Qualifikation für die WM 2018 formte der 56-Jährige aus einer verunsicherten Truppe den neuen Europameister. Mancini verpasste der „Squadra Azzurra“ ein neues Gesicht und setzte dabei auch auf Spieler von Atalanta, FC Turin oder Sassuolo. Nicht der Name des Clubs zählte, sondern einzig und alleine Leistung und Charakter. Aus diesem Pool an Spielern formte Mancini ein Team, das die Fußballfans begeisterte. Nächstes Ziel: der fünfte WM-Titel.

Kotrainer: Vladimir Petkovic (Schweiz)