IOC-Präsident Thomas Bach
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Olympia

Spiele zwischen Hoffen und Bangen

Nach 16 Monaten voller Sorgen ist für den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, und die Macher von Tokio die Eröffnung der im Schatten der Coronavirus-Pandemie stehenden Sommerspiele in Japan nicht mehr weit. Zum Auftakt der 138. Session erhoffte sich daher der 67-jährige Bach von Olympia „eine kraftvolle Botschaft in die Welt“. Zugleich berichtete er von „schlaflosen Nächten“ wegen der Pandemie. „Wir hatten jeden Tag Zweifel.“

Olympia war wegen der CoV-Krise um ein Jahr verschoben worden und findet nun ohne Publikum statt. Zu Beginn der Session hielten die IOC-Mitglieder eine Schweigeminute für die Opfer der Pandemie ab. Sich nach langen Monaten wieder persönlich wiederzusehen, sei „ein sehr spezielles und emotionales Gefühl“, sagte Bach, der in Begleitung des japanischen Ministerpräsidenten Yoshihide Suga war. Nun sei die olympische Bühne für die Athleten bereitet, „um zu strahlen und die Welt zu inspirieren“. Olympia werde „den Menschen Vertrauen in die Zukunft geben“, meinte der IOC-Chef.

Zugleich bekannte Bach, er hätte nicht gedacht, wie schwierig es sein würde, die Spiele in Tokio, die am Freitag offiziell beginnen, auszurichten. „Ich kann zugeben, dass wir nicht wussten, wie komplex das sein würde. Die einzige Gewissheit, die wir hatten, war, anstatt die Versicherung einzukassieren, viel mehr zu investieren, um diese Olympischen Spiele zu ermöglichen“, sagte Bach, der am Donnerstag den japanischen Kaiser Naruhito trifft.

BIld zeigt dein IOC-Präsidenten Thomas Bach auf einem Monitor.
AP/David Goldman
Journalisten waren bei der 138. IOC-Session nicht erlaubt und konnten diese nur auf Bildschirmen verfolgen

Bedeutung der Spiele „weder belastet noch verringert“

Für Japans Premier Suga gibt es jetzt trotz des Coronavirus-Notstands in Tokio und der anhaltenden Umfragemehrheiten gegen die Spiele kein Zurück mehr. Die Bedeutung der Spiele werde durch die schwierigen Umstände „weder belastet noch verringert“, beteuerte der Regierungschef bei seinem Grußwort an die IOC-Mitglieder. Seine Gesundheitsberater halten die Austragung des Megaspektakels mit Zehntausenden Ausländern für keine gute Idee, doch Suga hofft auf den Erfolg der Spiele. Daher sprach er am Dienstag von einem „Ausgang nach einem langen Tunnel“. Man werde die Gesundheit und Sicherheit der japanischen Bevölkerung ebenso schützen wie die der Olympiagäste aus dem Ausland.

Der japanische Premierminister Yoshihide Suga.
AP/The Yomiuri Shimbun/Masanori Genko
Japans Premier Suga hofft auf den Erfolg der Spiele

Auch Tokios Gouverneurin Yuriko Koike versprach, Olympia und die danach folgenden Paralympics zu einem Erfolg machen zu wollen. Der Preis dafür sind Sportbewerbe ohne Publikum. IOC-Chef Bach glaubt jedoch auch mit leeren Stadien an die Macht der Bilder. Milliarden Menschen würden die Spiele verfolgen und „bewundern, was die Japaner geleistet haben“, sagte der Deutsche. Immer wieder hatte Bach in den vergangenen Monaten die Solidarität der olympischen Welt beschworen. Auf seinen Vorschlag änderte die Session nun sogar das olympische Motto von „schneller, höher, stärker“ in „schneller, höher, stärker – gemeinsam“.

In Tokio gilt der Coronavirus-Notstand

Wegen der besorgniserregenden Coronavirus-Lage in Japan und vielen anderen Ländern stehen die Olympiamacher von Tokio seit Langem in der Kritik. Für den gesamten Zeitraum der Sommerspiele gilt in der Metropole der CoV-Notstand. Dennoch sind die Sorgen der Öffentlichkeit mit der Zunahme von CoV-Fällen in Tokio größer geworden, dass die Ausrichtung einer Veranstaltung mit Zehntausenden ausländischen Athleten, Beamten und Journalisten die Infektionsraten weiter beschleunigen und Varianten einführen könnte, die noch gefährlicher sind.

Die Organisatoren hatten versprochen, die Spiele mit einer olympischen „Blase“ „sicher“ zu halten, die die Bewegungen der Teilnehmer einschränkt und häufige Tests vorschreibt. Experten sehen jedoch Lücken. „Es ist offensichtlich, dass das Blasensystem irgendwie kaputt ist“, sagte Kenji Shibuya, der ehemalige Direktor des Instituts für Bevölkerungsgesundheit am King’s College London. „Meine größte Sorge ist natürlich, dass es im (Sportler-, Anm.) Dorf zu Infektionsclustern kommt.“

67 Infektionen unter akkreditierten Personen

Seit dem 1. Juli, quasi mit Beginn der Einreise von Athleten und Funktionären, gab es in Japan 67 Fälle von CoV-Infektionen unter den für die Spiele akkreditierten Personen, teilten die Organisatoren am Dienstag mit. Japan hat bisher in der Pandemie mehr als 838.000 Fälle von CoV und rund 15.000 Todesfälle verzeichnet. Die Gastgeberstadt Tokio erlebt derzeit einen neuen Anstieg, wobei der siebentägige gleitende Durchschnitt der Fälle am Montag bei etwas über 1.100 liegt. Zudem ist die Impfrate in Japan vergleichsweise niedrig. Erst 22 Prozent der japanischen Bevölkerung sind vollständig geimpft.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, erklärte unterdessen am Dienstag in einer Twitter-Nachricht zu Olympia in Tokio, dass CoV besiegt werden könne, wenn alle ihren Beitrag leisteten. „Mögen diese Olympischen Spiele 2020 in Tokio eine Quelle der Hoffnung und der Einheit sein, um Impfstoffgerechtigkeit zu erreichen und die Pandemie zu beenden.“ Die WHO hatte die Tokio-Organisatoren und das IOC zu Gesundheitsmaßnahmen beraten, die während der Spiele vom 23. Juli bis 8. August zu ergreifen sind.

Entscheidungen wird es unterdessen auf der IOC-Vollversammlung auch geben. Die australische Metropole Brisbane kann zum Abschluss der Session fest mit dem Zuschlag für die Sommerspiele 2032 rechnen, auch wenn IOC-Sprecher Mark Adams versicherte, die Sache sei noch nicht gelaufen. Brisbane geht jedoch als bevorzugter und damit einziger Bewerber in die Entscheidung. Unabhängige Berichterstatter werden die Wahl am Mittwoch nicht an Ort und Stelle verfolgen können. Im IOC-Hotel sind mit Verweis auf die Coronavirus-Regeln keine Journalisten zugelassen.