Hans Dieter Flick
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WM-Qualifikation

Ernüchterung nach Flicks DFB-Debüt

Die Ära Hansi Flick beim deutschen Nationalteam hat am Donnerstag zwar erfolgreich, aber doch mit gehörigen Anlaufschwierigkeiten begonnen. Nach dem hart erkämpften 2:0-Sieg in der WM-Qualifikation gegen Liechtenstein hatte der neue Bundestrainer einiges an Erklärungsbedarf und warb um Verständnis für die Startschwierigkeiten. Auch für Europameister Italien und den Halbfinalisten Spanien brachte das erste Pflichtspiel nach der Endrunde eine Ernüchterung.

Hatte so mancher deutscher Experte im Vorfeld der Partie zwischen dem vierfachen Weltmeister und dem krassen Außenseiter aus Liechtenstein von einem zweistelligen Sieg der Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) geträumt, musste Flick froh sein, dass dank Timo Werner (42.) und Leroy Sane (77.) seine Ära als Teamchef überhaupt mit einem Sieg endete. „Ich verstehe auch, dass in Deutschland die Fans vielleicht ein bisschen enttäuscht sind von dem Ergebnis“, räumte der 56-Jährige daher auch ein.

Flick verwies jedoch darauf, dass er und seine Mannschaft nach 15 Jahren unter Joachim Löw einen Neubeginn starten mussten. „Letztendlich muss man sagen, es war erst ein Anfang, mit dem wir nicht ganz zufrieden sind. Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen“, meinte Flick im schweizerischen Ausweichquartier St. Gallen. Im Gegensatz zu den Deutschen feierten Liechtensteins Spieler mit ihren Fans und Bier die knappe Niederlage wie einen Punktegewinn. „Das Spiel, die Niederlage, ist fast wie ein Sieg für uns“, meinte Trainer Martin Stocklasa, der einst auch bei der SV Ried als Spieler tätig war.

Sandro Wolfinger und Robin Gosens
AP/Gian Ehrenzeller
Bei Robin Gosens (r.) und dem DFB-Team war im ersten Spiel der Ära Flick keine Aufbruchsstimmung zu bemerken

Team leidet unter Vertrauensverlust

Dass gegen den ausschließlich auf Defensive bedachten Kontrahenten nicht mehr als die Tore von Werner und Sane heraussprangen, sah Flick in einer tieferliegenden Schwäche der Deutschen begründet, die sich schon kontinuierlich durch die Endzeit der Ära von Löw zog. „Was man merkt, ist, dass die Mannschaft nicht so das Vertrauen hat, dass sie Tore erzielen kann“, lautete das erste ernüchternde Fazit des Löw-Nachfolgers.

Die Lernkurve muss stetig und schnell steigen. Das machte Flick klar. Schon zwei Tage nach der Rückkehr aus der Schweiz per Busshuttle nach Stuttgart steht am Sonntag (20.45 Uhr) die nächste Prüfung an. Im Spitzenspiel der Gruppe J soll mit einem Sieg gegen Armenien der erste Gruppenplatz eingenommen werden. „Das ist unser Ziel“, sagte Flick. Nur Platz eins würde das Direktticket zur WM 2022 in Katar bringen. Die Armenier liegen nach vier Runden einen Zähler vor Deutschland.

Rekord mit bitterem Beigeschmack

Ohne Sieg blieben am Donnerstag auch Europameister Italien und EM-Halbfinalist Spanien. Während die Spanier in Schweden gar mit 1:2 unterlagen, mussten sich die Europameister aus Italien in Florenz gegen Bulgarien mit einem 1:1 begnügen. Immerhin bedeutete das Remis einen Europarekord für die „Squadra Azzurra“. Es war die 35. Partie in Serie für die Mannschaft von Trainer Roberto Mancini ohne Niederlage. Die Bestmarke von Spanien (2007 bis 2009) wurde damit eingestellt. Brasilien schaffte es, von 1993 bis 1996 in 36 Spielen in Folge ungeschlagen zu bleiben.

Am Sonntag trifft Italien in Basel auf die Schweiz. Die in der WM-Qualifikation erst bei zwei Auftritten haltenden Eidgenossen liegen in Gruppe C nach Verlustpunkten sogar vor dem Europameister, der nach vier Spielen nun bei zehn Zählern hält. „Wir hätten im ersten Spiel nach der Europameisterschaft natürlich zu Hause gerne gewonnen. Aber ich kann über die Leistung nichts Schlechtes sagen“, meinte Mancini. Er vermisste einzig den letzten Nachdruck vor dem gegnerischen Tor.

Bei der einzigen wirklichen Chance nach Seitenwechsel klärten die Bulgaren bei einem Schuss von Ciro Immobile vor der Torlinie. Italien war durch Federico Chiesa (16.) in Führung gegangen, Atanas Iliew (39.) erzielte dann das erste Gegentor, das Italien in der WM-Quali bisher erhalten hat. Mancini blickte nach Schlusspfiff bereits auf das „wichtige Spiel“ in Basel voraus. Bei den Schweizern fehlt Kapitän Granit Xhaka, dessen positiver CoV-Test am Donnerstag bestätigt wurde. Xhaka war als einziger Spieler nicht geimpft oder genesen. Das ist für den Schweizer Verband insofern problematisch, weil er zuletzt ein Schreiben mit einer Impfempfehlung an seine 300.000 lizenzierten Spieler verschickt hatte.

Atanas Iliev
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Iliew (r.) sorgte dafür, dass Italien im ersten Pflichtspiel als Europameister nur einen Punkt holte

Seltene Pleite für Spanien

Spanien kassierte in Solna eine schmerzhafte Niederlage. Eine spanische Auswahl hatte zuletzt vor gut 28 Jahren – im März 1993 – ein WM-Qualifikationsspiel verloren. Die Schweden halten nach drei Runden nun bei neun Zählern, während der Ex-Weltmeister nach vier nun erst sieben angeschrieben hat. Platz eins ist deutlich in Gefahr. „Lucho, wir haben ein Problem“, schrieb das Sportblatt „Marca“ an die Adresse von Teamchef Luis Enrique. Gegen Georgien müssen am Sonntag nun drei Zähler her, dazu ist Schützenhilfe vonnöten. Schweden ist erst am Mittwoch in Griechenland wieder im Einsatz.

Dabei hatte der Abend für die Spanier mit dem frühen 1:0 durch Carlos Soler (4.) perfekt begonnen. Dem bei Real Sociedad spielenden Alexander Isak (5.) gelang aber postwendend der Ausgleich, ehe Viktor Claesson (57.) in der zweiten Halbzeit traf. Was bei Spanien erneut auffiel, war die Harmlosigkeit im Angriff. Gerard Moreno und Alvaro Morata fielen kaum auf. Ein Torjäger wird von Enrique nach wie vor gesucht. Der Nationaltrainer wollte die heikle Lage nicht schönreden: „Wir sind in der Zwickmühle“, räumte er ein.