Spieler von Brasilien und Argentinien diskutieren mit Offiziellen
AP/Andre Penner
WM-Qualifikation

FIFA nach Abbruch in Brasilien in Bedrängnis

Der Coronavirus-Eklat in der südamerikanischen WM-Qualifikation hat nicht nur die Superstars Lionel Messi und Neymar, sondern ganz Brasilien und Argentinien in größte Aufregung versetzt. Beamte der brasilianischen Gesundheitsbehörde (ANVISA) holten am Sonntag drei argentinische Spieler von englischen Clubs vom Platz und sorgten für einen Spielabbruch. Der Fußballweltverband (FIFA) steht nun vor einem gewaltigen Problem.

Wenige Stunden vor dem Spiel hatte die ANVISA eine Quarantäne für die vier Argentinier Emiliano Martinez und Emiliano Buendia (beide Aston Villa) sowie Giovanni Lo Celso und Cristian Romero (beide Tottenham Hotspur) angeordnet. Bei der Einreise aus Caracas nach einem WM-Qualispiel gegen Venezuela gaben die England-Profis laut ANVISA nicht an, dass sie in den vergangenen 14 Tagen in einem der Länder Vereinigtes Königreich, Nordirland, Südafrika oder Indien gewesen sind. Ausländische Reisende, die in diesem Zeitraum dort waren, dürfen wegen der CoV-Beschränkungen nicht nach Brasilien einreisen.

Doch drei der vier Betroffenen standen beim Anpfiff in Sao Paulo auf dem Platz. Exakt 4:50 Minuten waren gespielt, als ANVISA-Mitarbeiter Martinez, Lo Celso und Romero vom Feld holten. Neymar schaute ungläubig, Messi schien die Welt nicht mehr zu verstehen.

Gesundheitsbehörde bricht Schlagerspiel ab

Brasiliens Gesundheitsbehörde hat am Sonntag das WM-Qualifikationsspiel Brasilien gegen Argentinien wegen Verstößen gegen CoV-Bestimmungen unterbrochen und letztlich gestoppt. Wenige Minuten nach dem Anpfiff der Partie in Sao Paulo gingen vier Mitarbeiter der Behörde auf den Platz und holten drei argentinische Spieler vom Feld.

Gegenseitige Beschuldigungen

Die argentinische Sportzeitung „Ole“ sprach am „unvergesslichen 5. September 2021“ von „Skandal“ und „brasilianischer Schande“. Nachdem die Partie gestoppt worden war, kehrte Messi auf den Rasen zurück. Schon nicht mehr im Trikot, sondern in einer Fotografenweste sprach der Neuzugang von Paris Saint-Germain mit brasilianischen Spielern und Teamchef Tite. „Wir gehen“, sagte Messi, wie später in einem Video des brasilianischen Fernsehens zu sehen ist. Brasiliens Teamkoordinator Juninho Paulista sagte: „Sie haben es auf die falsche Art und Weise gemacht. Aber sie haben Bescheid gesagt, dass die Spieler benachrichtigt wurden.“ Messi entgegnete: „Nein, sie haben uns nicht Bescheid gesagt. Wir sind seit Tagen hier. Sie hätten am ersten Tag kommen sollen und nicht so.“

Der brasilianische Verband CBF äußerte sich „absolut überrascht“ über den Zeitpunkt der Maßnahme. Aus seiner Sicht hätte die ANVISA viel angemessener handeln können – und das schon in den Tagen vor dem Spiel. Der argentinische Verband AFA teilte mit, die Delegation der „Albiceleste“ habe sich seit dem 3. September in Brasilien aufgehalten.

Die argentinische Regierung reagierte schnell auf den Eklat – und empört. „Wenn Brasilien das Herkunftsland der argentinischen Spieler über das von der FIFA festgelegte Protokoll hinaus als Risikozone betrachtet hätte, dann hätte es zum Zeitpunkt der Einreise in sein Hoheitsgebiet handeln können“, schrieb Florencia Carignano, Direktorin der argentinischen Migrationsbehörde, auf Twitter. „Drei Tage zu warten und dann auf das Feld zu gehen und ein Spiel zu unterbrechen, scheint eher eine Inszenierung als eine Gesundheitsmaßnahme zu sein.“

Infantino: „Das ist verrückt“

Die FIFA bedauerte den Vorfall und übergab die Angelegenheit der Disziplinarkommission. Informationen über einen Nachholtermin für das Spiel oder einen etwaigen Punkteverlust für eine der Mannschaften gab es zunächst nicht. FIFA-Präsident Gianni Infantino konnte noch keine Konsequenzen absehen.

Gianni Infantino
AP/Koen van Weel
Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino reagierte fassungslos auf den Spielabbruch

„Gestern Abend, jeder hat gesehen, was passiert ist im Spiel zwischen den beiden glorreichsten südamerikanischen Teams. Einige Offizielle, die Polizei, Sicherheitskräfte haben den Rasen nach ein paar Spielminuten betreten und Spieler vom Platz geführt“, sagte der Schweizer während einer aufgezeichneten Rede am Montag bei der Generalversammlung der Europäischen Clubvereinigung (ECA) in Genf. „Das ist verrückt. Aber wir müssen mit diesen Herausforderungen umgehen, die on top kommen auf die Corona-Krise.“

Das brasilianische Fernsehen fing mehrere Unterhaltungen zwischen Spielern und Trainern und Kommentare aus dem Chaos auf dem Spielfeld ein. „Sie haben 24 Stunden vor dem Spiel, 72 Stunden vor dem Spiel, sie müssen es zum Zeitpunkt des Spiels machen“, zürnte „Selecao“-Coach Tite in Richtung der Beamten. Einer Mitteilung der ANVISA zufolge hatte die Behörde zuvor versucht, an die argentinische Mannschaft heranzukommen, war aber abgeblockt worden.

Trainingseinheit statt Copa-America-Revanche

Die Gästemannschaft begab sich nach dem jähen Ende des Spiels in die Umkleidekabine, während die Brasilianer blieben und später ersatzweise eine Trainingseinheit einlegten. Der Bus mit der „Albiceleste“ fuhr erst nach Stunden Richtung Flughafen. Am Freitag soll es für Messi und Co. gegen Bolivien weitergehen.

Der „Superclasico“ sollte eigentlich die Revanche für das Finale der Copa America im Maracana-Stadion in Rio de Janeiro im Juli werden, als Argentinien mit 1:0 gegen Brasilien und Messi seinen ersten großen internationalen Titel mit der Nationalmannschaft gewann.