Spielerinnen der Portland Thorns und Houston Dash stehen im Mittelkreis
AP/Steve Dipaola
Fußball

Missbrauch: US-Teams setzen starkes Zeichen

Nach einem Boykott und dem Ausfall einer Runde in der US-Frauen-Fußballliga NWSL sind die Spielerinnen am Mittwoch (Ortszeit) auf das Spielfeld zurückgekehrt. Begleitet von Spielunterbrechungen und Solidaritätsaktionen haben die Fußballerinnen Forderungen im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gestellt. „Heute Abend haben wir uns unseren Platz auf dem Feld zurückgeholt, weil wir uns die Freude nicht nehmen lassen“, hieß es in einer Mitteilung der Spielerinnenvereinigung NWSLPA.

Die Vereinigung fordert, dass unter anderen alle Besitzer, Manager und Trainer freiwillig zur Aufklärung beitragen und darüber bei der Gewerkschaft NWSLPA Rechenschaft ablegen sollen. Ebenso soll die von der Liga angekündigte Untersuchung auf alle zwölf Mannschaften ausgeweitet werden. Das ging aus einer Mittwochabend auf der Website der NWSLPA veröffentlichten Stellungnahme hervor.

Jeweils in der sechsten Spielminute hatten sich die Fußballerinnen bei den Partien von Washington Spirit gegen FC Gotham und North Carolina Courage gegen Racing Louisville gegenseitig untergehakt und etwa eine Minute lang auf dem Platz verharrt. Die Zuschauer applaudierten. Wie die NWSLPA betonte, werde man aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Aktion in der sechsten Minute solle darauf aufmerksam machen, dass es sechs Jahre gebraucht habe, bis die Vorwürfe der Spielerinnen ernst genommen und erhört worden seien.

Fans halten Schilder mit „Protect the Players“
AP/Steve Dipaola
Nach sechs Minuten wurden zwei Spiele der US-Frauenliga unter dem Beifall der Zuschauer unterbrochen

Vorwürfe erschüttern Frauenliga

Die ganze Liga ist seit Tagen in Aufruhr. Auslöser waren Vorwürfe gegen den Trainer der Courage, Paul Riley, der nach einem Bericht des Portals The Athletic infolge des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs zweier Spielerinnen entlassen wurde. In der Folge wurde bekannt, dass die NWSL Hinweise darauf ignoriert und unter den Teppich gekehrt hatte. Ligachefin Lisa Baird trat zurück.

Schon im August war Christy Holly als Trainer bei Racing Louisville gefeuert worden, nachdem Spielerinnen über ein „toxisches Umfeld“ geklagt hatten. Ein neues Leitungsgremium in der NWSL und eine unabhängige Untersuchung sollen die Vorwürfe aufklären und die Liga stabilisieren.

Skandale auch in Venezuela und Australien

Aber nicht nur der US-Fußball wird von Missbrauchsvorwürfen erschüttert. In Venezuela haben 24 Spielerinnen diverser Nationalteams einen Ex-Trainer der sexuellen Belästigung und des Missbrauchs beschuldigt. Und in Australien wurden nach Vorwürfen Untersuchungen angekündigt. Dort hatte Lisa De Vanna bei ihrem vor Kurzem vollzogenen Rücktritt mitgeteilt, dass sie während ihrer Karriere Opfer von sexuellem Übergriff, Belästigung und Mobbing gewesen sei.

Die 36-Jährige hatte 150-mal für das Nationalteam gespielt. „Es muss Konsequenzen geben“, sagte sie in einem Interview. Die ebenfalls vor Kurzem zurückgetretene Rhali Dobson wiederum gab an, von älteren Spielerinnen missbraucht worden zu sein. Australiens Verband hat nun Untersuchungen der Fälle in Gang gesetzt.

„Beschlossen, Schweigen zu brechen“

Die Vorwürfe in Venezuela richten sich gegen Kenneth Zseremeta. Der 55-Jährige hatte verschiedene Auswahlteams gecoacht, ehe er 2017 entlassen wurde. Atletico-Madrid-Starspielerin Deyna Castellanos veröffentlichte den Brief in sozialen Netzwerken. Die Spielerinnen erklärten, sie hätten „beschlossen, ihr Schweigen zu brechen, um Situationen des Missbrauchs und der Belästigung – physisch, psychisch und sexuell – zukünftig zu vermeiden.“

Zseremeta trainiert inzwischen in seiner Heimat Panama Frauen-Mannschaften, er äußerte sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Der Präsident des Venezolanischen Fußballverbandes (FVF), Jorge Gimenez, sagte in einer Mitteilung: „Wir setzen uns für die Integrität des Sports ein und sind bereit, die Rechte unserer Spielerinnen durchzusetzen. Es ist an der Zeit, für Respekt und Fairness zu kämpfen.“

Die venezolanische Staatsanwaltschaft ordnete die Einleitung von Ermittlungen an. „Der Staatsanwalt 79 ist mit voller Zuständigkeit beauftragt, den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch zu untersuchen, den Kenneth Zseremeta zusammen mit Williams Pino zum Nachteil von Spielerinnen der Frauen-Nationalmannschaft begangen hat“, schrieb Venezuelas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.