Real Sociedad Spieler posieren für das Mannschaftsfoto vor einem Match.
Reuters/Albert Gea
Europa League

Baskisches Credo ist für Sociedad sekundär

Real Sociedad, Athletic Bilbao, Alaves und Osasuna: Gleich vier Clubs aus dem Baskenland sowie dem zum baskischen Kulturkreis zählenden Navarra tummeln sich in Spaniens erster Fußballliga. In der 2,2 Millionen Einwohner zählenden Region würden die Vereine grundlegend am liebsten mit eigenen Kräften agieren. Während in Bilbao dieses Credo nach wie vor gilt, hat Sturms Europa-League-Gegner Real Sociedad das vor 32 Jahren über den Haufen geworfen. Aktuell nimmt Sociedad in Spanien den Platz an der Sonne ein.

Dem Transfer des Iren John Aldridge im Sommer 1989 folgte ein Jahr später jener des Engländers Dalian Atkinson. Damit spielte erstmals ein schwarzer Profi für den Verein. Auch in Österreich wurde Real Sociedad im Laufe der Zeit fündig. Das Engagement von Marcus Pürk (1995/96) dauerte aber nur eine Saison, Dietmar Kühbauer (1997 bis 2000) blieb drei Jahre im Baskenland (Euskadi) und kehrte Jahre später als „Don Didi“ in die Heimat zurück. Länger hielt sich das selbst auferlegte Gebot, auf Spieler aus anderen spanischen Regionen zu verzichten. Es wurde erst 2002 gebrochen.

In Bilbao rief das Unverständnis und Spott hervor. Das Verhältnis der beiden Aushängeschilder des Baskenlands ist prinzipiell ein in Konkurrenz stehendes – aber auf den Fantribünen weitgehend gewaltloses. Die eigenen Talentschmieden werden gehegt und gepflegt. Aus Real Sociedads Nachwuchs stammen etwa Xabi Alonso und Antoine Griezmann. Der Geburtsort ist mittlerweile nicht mehr zentral, sondern ihr Aufwachsen im baskischen Fußball.

Dietmar Kühbauer im Real Sociedad Trikot.
GEPA/Miguelez Sport
Auch zwei Österreicher spielten schon für Real Sociedad, darunter auch der heutige Rapid-Trainer Dietmar Kühbauer

Für Aufsehen und Aufregung sorgte der Transfer von Inigo Martinez von San Sebastian nach Bilbao im Jänner 2018 per Ausstiegsklausel. Jahrelang galt zuvor ein „Gentlemen’s Agreement“, wonach Spieler nicht abgeworben werden. Bilbao wilderte dank besserer wirtschaftlicher Voraussetzungen das eine oder andere Mal im Nachwuchs des Nachbars.

Spielfeld für Separatisten

Im Baskenland ist Fußball auch Spielfeld für Separatisten. Die Region, die nur 1,4 Prozent des spanischen Territoriums, 4,8 Prozent der Bevölkerung, aber 20 Prozent der Erstligaclubs stellt, baut auf lokale Verwurzelung. Da wie dort steht die „cuadrilla“ – die Einheit – im Vordergrund. Die regionale Zugehörigkeit ist dabei der wichtigste Faktor. In der Vorsaison waren von 28 in der Liga eingesetzten Real-Spielern 17 aus dem Baskenland (plus zwei aus Navarra). 18 stammten aus der eigenen Akademie. Auch der Trainer der Weiß-Blauen, Imanol Alguacil, kam als Spieler aus dem hauseigenen Nachwuchs und diente sich aus diesem zum Chefcoach der Profis hoch.

Zum Vergleich: In Graz, wo mit der Bestellung des Steirers Christian Ilzer zum Trainer im Sommer 2020 der steirische Weg ausgelobt wurde, spielten in der Vorsaison acht gebürtige Steirer. Sieben stammten aus der eigenen Akademie. Stammspieler waren im Grunde nur Jakob Jantscher und Kevin Friesenbichler, die gemeinsam 82 Prozent der „steirischen“ Spielminuten für sich verbuchten.

Sociedad gastiert als Tabellenführer in Graz

Real Sociedad gastiert (21.00 Uhr) als spanischer Tabellenführer und Cupsieger am Donnerstag in Graz. Das im April 2021 ausgespielte Cupfinale war ein Nachtrag, nachdem das Finale 2020 auf Bestrebungen beider Finalisten ein Jahr lang vertagt wurde.

Man wollte den treuen Fans kein Geisterspiel-Finale zumuten. Letztlich griffen die Verbandschefs aber durch. Ohne Anhänger im Stadion siegte das Team aus San Sebastian 1:0 und verbuchte damit seinen möglicherweise größten, gewiss aber prestigeträchtigsten Erfolg im 21. Jahrhundert. Das lag vor allem am Gegner, der Athletic Bilbao hieß.