Ein Spieler der Chicago Blackhawks auf dem Eis.
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NHL

Blackhawks-Skandal zieht weitere Kreise

Der diese Woche aufgedeckte Missbrauchsskandal im Team der Chicago Blackhawks aus dem Jahr 2010 hat nun auch einen der erfolgreichsten Trainer der National Hockey League (NHL) eingeholt. Am Donnerstag trat auch Joel Quenneville, damals Architekt der Meistermannschaft der Blackhawks, von seinem Posten bei den Florida Panthers zurück. Dem 63-Jährigen wurde seine Rolle bei der Vertuschung des sexuellen Missbrauchs von NHL-Profi Kyle Beach durch einen ehemaligen Assistenztrainer zum Verhängnis.

Beach hatte am Mittwoch bekanntgegeben, jener im am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsbericht genannte „John Doe“ zu sein, der vor elf Jahren als junger Spieler Opfer eines sexuellen Übergriffs durch den damaligen Videocoach Brad Aldrich gewesen war. Der Stürmer, 2008 von Chicago in der ersten Runde des Drafts gezogen und später auch in Österreich unter Vertrag, war im Jahr 2010 als 20-Jähriger aus dem Farmteam während des Play-off in den Großkader der NHL-Mannschaft aufgestiegen.

Der Stürmer hatte die Verantwortlichen der Blackhawks rund um den damaligen General Manager Stan Bowman in Kenntnis gesetzt, die Clubführung reagierte jedoch nicht angemessen darauf, sondern versuchte, den Vorfall zu vertuschen. Chicago stand mitten im Kampf um den Stanley Cup, den es in dieser Saison 2009/10 auch erstmals seit 49 Jahren wieder gewann. Auch der damalige Cheftrainer Quenneville soll zu der Gruppe Verantwortlicher gezählt haben, die trotz der Missbrauchsvorwürfe nichts unternahmen.

Quenneville für Liga nicht mehr tragbar

Nachdem Chicago von der NHL mit einer Geldstrafe von zwei Mio. Dollar belegt wurde und Bowman am Mittwoch seinen Rücktritt bei den Blackhawks vollzogen hatte, musste am Freitag auch Quenneville nach einem Gespräch mit NHL-Commissioner Gary Bettman seinen Hut nehmen. Nach dem Gespräch seien sich alle einig gewesen, dass es „nicht länger angemessen ist, dass er als Floridas Cheftrainer arbeitet“, teilte Bettman in einer Stellungnahme mit. Zum Interimstrainer beförderten die in dieser Saison nach sieben Spielen noch unbesiegten Panthers den bisherigen Assistenztrainer Andrew Brunette.

Trainer der Florida Panthers, Joel Quenneville.
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Joel Quenneville, hier noch als Trainer der Florida Panthers, wollte den Missbrauchsvorwurf unter den Teppich kehren

„Ich möchte mein Mitgefühl für die Schmerzen dieses jungen Mannes ausdrücken“, richtete Quenneville in einem Statement nun an Beach aus, „mein ehemaliges Team hat Kyle im Stich gelassen, und ich habe meinen Teil dazu beigetragen. Ich werde nun die Zeit nutzen, um zu reflektieren, wie das alles passieren konnte, und daran arbeiten, was ich künftig machen kann, damit Eishockey für alle sicher ist.“

Quenneville bescherte Chicago vor elf Jahren nicht nur das Ende der langen Titeldurststrecke, sondern führte die Blackhawks auch zu zwei weiteren Titeln. 2019 heuerte der Kanadier in Florida an und verhalf dem Team damit zu einem ständigen Aufstieg. Mit insgesamt Siegen in der NHL ist Quenneville der zweiterfolgreichste Trainer der Ligageschichte. Nur Scotty Bowman – pikanterweise der Vater des nun ebenfalls in Misskredit geratenen Stan Bowman und Berater der Blackhawks – hat mit 1.471 Siegen mehr.

Opfer „innerlich zerstört“

Das damalige Missbrauchsopfer Beach, mit RB Salzburg 2014/15 Meister und später auch für die Graz99ers und den VSV aktiv und aktuell Spieler bei Erfurt in der dritten deutschen Liga, hatte am Mittwoch von den Vorfällen 2010 berichtet. „Es ist ein großer Schritt für mich, mein Genesungsprozess, indem ich die Ereignisse, die passiert sind, verarbeite und mich wirklich mit den zugrunde liegenden Problemen beschäftige, die ich davon habe. Ich habe das zehn, elf Jahre verdrängt, und es hat mich innerlich zerstört“, sagte der 31-Jährige.

Chicago Blackhawks Spieler Kyle Beach.
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Beach, hier 2008 in einem Vorbereitungsspiel, benötigte lange, um das Erlebte zu verarbeiten

Beach zeigte sich dabei auch enttäuscht über die mangelnde Unterstützung der Blackhawks, der NHL und der Spielervertretung in Person von Exekutivdirektor Don Fehr. Der kritisierte Chef der Spielergewerkschaft gestand auch unmittelbar nach dem Interview des Spielers mit dem kanadischen Sender TSN das Versäumnis, Beach zu unterstützen, ein. „Es gibt keinen Zweifel, dass das System versagt hat, und wir sind ein Teil davon“, so Fehr, der das Nicht-Reagieren als „schweren Fehler“ bezeichnete. Fehr versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, dass „so etwas nicht mehr passiert“.

Der Täter in der Causa, Bradley Aldrich, der neben Beach damals auch einen 22-jährigen Praktikanten sexuell bedrängt haben soll, muss sich jedenfalls auf weitere Zeit im Gefängnis einstellen. Der ehemalige Trainer verbüßte bereits wegen eines anderen Sexualvergehens eine Gefängnisstrafe. Nun erwartet ihn wegen seiner Vergehen – unter anderem soll er Beach mit einem Baseballschläger bedroht und damit gefügig gemacht haben – eine Anklage.