Der österreichische Skispringer Stefan Kraft.
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Skispringen

Kraft und Co. blasen als Jäger zum Angriff

Ab dem Wochenende hat der Skisprungzirkus wieder Saison. Die ÖSV-Adler blasen dabei nicht nur zum Auftakt im russischen Nischnij Tagil in der Rolle der Jäger zum Angriff. Bereits im ersten Bewerb am Samstag (16.00 Uhr, live in ORF1) wollen sich Stefan Kraft und Co. einen Motivationsschub für die Olympiasaison holen und nach einem durchwachsenen Jahr wieder in der Erfolgsspur landen. Der Favorit auf den vordersten Platz im Weltcup kommt mit Titelverteidiger Halvor Egner Granerud erneut aus dem hohen Norden.

Vergangene Saison kaschierte eine erfolgreiche Weltmeisterschaft mit Gold für Kraft auf der Großschanze sowie Silber mit der Mannschaft eine eher verkorkste Saison ohne Einzel-Sieg im Weltcup und ohne Springer in den Top Ten in der Endabrechnung der Gesamtwertung. Daniel Huber schien als bester ÖSV-Springer nur auf dem zwölften Rang auf. Auch im Nationencup war das österreichische Team, dass auch immer wieder mit Coronavirus-Infektionen im Team zu kämpfen hatte, daher auch nur auf dem vierten Platz zu finden.

Das soll sich laut Cheftrainer Andreas Widhölzl bereits beim ersten Springen, das eine Woche vor jenem der Frauen an gleicher Stelle stattfindet, ändern. „Wir wollen vorne mitmischen.“ Gleichzeitig bekundete der Tiroler Ambitionen auf mehr: „Der Nationencup ist für mich ein persönliches Ziel, ich will ganz am Schluss in Planica stehen, das Gelbe Trikot überstreifen und als Siegernation heimfahren.“ Im Vorjahr betrug der Abstand im Nationencup auf Sieger Norwegen 1.907 Punkte. Der Rückstand soll laut Widhölzl aber nicht mit Gewalt verringert werden: „Geduldig bleiben, es passiert viel im Winter.“

ÖSV Trainer Andreas Widhoelzl.
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Cheftrainer Widhölzl geht zuversichtlich in die Olympiasaison

Die Saison 2021/22 ist jedenfalls reich an Highlights – allen voran die Olympischen Spiele im Februar in Peking mit ihren bisher noch unbekannten Schanzen. Aber auch davor geht es rund: Zehn Bewerbe nach Beginn steigt die Vierschanzentournee rund um den Jahreswechsel. Der Springerzirkus macht zudem heuer länger in Österreich Station, in Bischofshofen folgen nach dem Tournee-Finale ein Einzel- und ein Team-Bewerb. Nach Olympia findet im europäischen Norden die lukrative Raw-Air-Serie statt, ehe im März die Flugshow so richtig beginnt. Nach der Skiflug-WM in Vikersund geht es in Oberstdorf und Planica ebenfalls von großen Bakken.

Krafts Investition soll sich auszahlen

Österreichs Vorzeigespringer der vergangenen Jahre, Stefan Kraft, geht jedenfalls hochmotiviert in seine neunte volle Saison. „Ich möchte sicher wieder einer der besten Skispringer sein, auch wenn ich glaube, dass ich dazu noch etwas Zeit brauche“, sagte der Salzburger. Der Weltmeister von Oberstdorf war froh, „endlich wieder mit Gewichten“ die Grundlage für eine kräftezehrende Saison legen zu können. Zwei Kilogramm mehr als im Vorjahr bringt Kraft auf die Waage, der Ski wird dafür zwei Zentimeter länger. „Ich habe sehr viel investiert, dass es mir wieder gut geht und ich über einen langen Zeitraum wieder gut Ski springen kann.“

Der österreichische Skispringer Stefan Kraft.
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Kraft will heuer wieder ein gewichtiges Wort um den Sieg im Gesamtweltcup mitreden

Und doch lief Krafts Vorbereitung einmal mehr unrund. Wieder zwickte der Rücken, vor drei Wochen knöchelte er zudem um. Ein Band war überdehnt, eventuell sogar eingerissen. „Ein bisschen patschert immer wieder, ein paar sinnlose Wehwehchen immer wieder“, lautete Krafts Analyse der Vorbereitung. Dem Sprung in die neue Saison schaut der ohnehin als Spätstarter bekannte Salzburger vor allem dank seiner Routine gelassen entgegen. „Ich bin dort ganz sicher nicht der Topfavorit. Wenn ich 15. werde, ich das auch okay. Ich weiß, dass ich meistens ein bisschen brauche“, so Kraft.

Duo hofft auf ersten Sieg

Während Kraft bereits 21 Weltcup-Siege in Einzel-Springen zu Buche stehen hat, warten mit Daniel Huber und Philipp Aschenwald zwei weitere bereits arrivierte ÖSV-Springer noch auf ihren ersten Erfolg. Huber holte im Vorjahr in Nischnij Tagil mit Platz zwei sein bestes Einzel-Ergebnis, ehe er wie drei andere Teamkollegen Coronavirus-Alarm auslöste. Auch seine Saison war fortan unbeständig, als Gesamtzwölfter war der 28-Jährige aber noch der beste Österreicher. „Der erste Weltcup-Sieg und Top Ten im Gesamtweltcup stehen ganz weit oben auf der Liste. Und so in Form zu sein, dass ich bei jedem Großereignis um die Medaillen mitkämpfen kann“, sagte der routinierte Salzburger.

Ähnliches ist vom Potenzial her auch Aschenwald zuzutrauen. Der 26-jährige Tiroler hoffte vergangene Saison noch vergeblich auf eine Initialzündung in Form eines Sieges und scheiterte letztlich auch an der eigenen Erwartungshaltung. „Platzierungstechnisch bin ich immer ein wenig hinten nach gelaufen. Mit ein bisschen mehr Ruhe funktioniert es, glaube ich, besser“, gab sich Aschenwald vor dem Saisonstart jedenfalls zuversichtlich. So wie Kraft blieb der Tiroler in der Vorbereitung aber von kurzfristigen Turbulenzen nicht verschont. Ein Keratokonus, eine krankhafte Verwölbung der Hornhaut, machte bei Aschenwald eine Augen-OP notwendig. Zudem muss Aschenwald künftig mit harten Kontaktlinsen die Wettkämpfe bestreiten.

Im Sog von Kraft, Huber und Aschenwald möchte sich heuer auch Daniel Tschofenig ins Rampenlicht springen. „Ich fliege mit einem großen Grinser nach Russland und freue mich richtig auf das große Abenteuer“, sagte der 19-jährige Kärntner. Das erste ÖSV-Aufgebot nach dem Rücktritt Gregor Schlierenzauers machen in Abwesenheit von Michael Hayböck (Bandscheibenvorfall) der 23-jährige Jan Hörl und mit Manuel Fettner (36) und Markus Schiffner (29) zwei andere Routiniers komplett. Thomas Diethart legte auf dem eingeschlagenen Comebackweg zuletzt wieder eine Pause ein.

Granerud führt Favoritenfeld an

Die internationale Konkurrenz besteht laut Cheftrainer Widhölzl aus den „üblichen Verdächtigen“. Allen voran steht Titelverteidiger Halvor Egner Granerud. Der elffache Saisonsieger hat seine Coronavirus-Infektion vom Frühjahr abgeschüttelt und setzte mit dem Gesamtsieg im Sommer-Grand-Prix ein Statement. „Mein Ziel ist es, die Kugel zu verteidigen“, so Granerud. Flankiert wird er im starken norwegischen Team von Robert Johansson und Marius Lindvik, auch Daniel Andre Tande und Anders Fannemel sind wieder aktiv.

Der norwegische Skispringer Halvor Egner Granerud mit Kristallkugel.
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Granerud drückte der vergangenen Saison im Weltcup seinen Stempel auf und räumte die Kristallkugel ab

Norwegens Cheftrainer Alexander Stöckl versammelt jede Menge Routine um sich. „Das gibt uns die nötige Ruhe, uns auf die Olympischen Spiele hinzuarbeiten.“ Der Tiroler Trainer könnte mit dem 25-jährigen Oscar Westerheim, dem norwegischen Überraschungsmeister, ein weiteres Ass im Ärmel haben. Dazu gehören auch die Polen um den allerdings am Sprunggelenk operierten mehrfachen Olympiasieger Kamil Stoch, der offenbar wiedererstarkte Japaner Ryoyu Kobayashi, sowie Deutschlands Karl Geiger zum engeren Kreis der Favoriten.

Die Aufgebote für die ersten Weltcup-Bewerbe in Nischnij Tagil:

Männer: Philipp Aschenwald, Manuel Fettner, Jan Hörl, Daniel Huber, Stefan Kraft, Markus Schiffner, Daniel Tschofenig

Frauen: Lisa Eder, Sara Marita Kramer, Chiara Kreuzer, Eva Pinkelnig, Daniela Iraschko-Stolz, Jacqueline Seifriedsberger