Rapid und West Ham Spieler nach dem Match
APA/Hans Punz
Europa League

Rapid klammert sich an Strohhalm Genk

Das 300. Europacup-Spiel in der Geschichte wird nur aufgrund der runden Zahl einen besonderen Platz in der Vereinschronik des SK Rapid Wien einnehmen. Denn die 0:2-Heimniederlage gegen West Ham United am Donnerstag in Gruppenphase der UEFA Europa League war ein Spiel zum Vergessen. Vor lockdownbedingter „Geisterkulisse“ lief bei Rapid wenig zusammen. Interimscoach Steffen Hofmann und seinem Team müssen sich daher an den Strohhalm Genk klammern, wollen sie im Frühjahr noch im Europacup vertreten sein.

Für Rapid ist das Thema K.-o.-Runde in der Europa League zwar erledigt, die Hütteldorfer bleiben aber dank des 1:1 zwischen Dinamo Zagreb und KRC Genk im Rennen um ein Ticket für das Play-off der Conference League. Am 9. Dezember geht es im direkten Duell mit Genk um den dritten Platz in Gruppe H und den damit verbundenen Umstieg in den dritten europäischen Bewerb. In Belgien ist aber ein Sieg der aktuell viertplatzierten Wiener die einzige Option, um die zwei Punkte Rückstand auf Genk in einen Zähler Vorsprung und den dritten Platz umzuwandeln.

Um sich den „Booster für Mannschaft und Verein“, wie es Hofmann formulierte, für das Frühjahr zu holen, müssen sich die Rapidler in zwei Wochen aber gehörig steigern und nach dem 2:1 daheim gegen Zagreb den zweiten Sieg in der Gruppenphase schaffen. Denn gegen West Ham war man in fast allen Belangen unterlegen. „Wir wissen, dass wir gegen eine Topmannschaft gespielt haben. Natürlich haben wir im Vorfeld versucht, ein Hochgefühl in der Mannschaft zu halten, und haben auch daran geglaubt, dass wir was reißen können. Leider ist uns das nicht gelungen“, analysierte Hofmann seine erste Europacup-Partie als Hauptverantwortlicher.

Niederlagen für Sturm und Rapid

Während sich Sturm Graz aus der Europa League verabschiedet hat, hofft Rapid noch auf einen Verbleib im internationalen Geschäft. Bei einem Sieg am letzten Spieltag in Genk würden die Hütteldorfer ins Sechzehntelfinale der Conference League umsteigen.

Dabei hatte der gebürtige Deutsche der Mannschaft nicht nur den richtigen Glauben einzuimpfen, sondern versuchte auch einen etwas überraschenden taktischen Kniff, um die Gäste – die bei Weitem nicht in Bestbesetzung antraten – in Verlegenheit zu bringen. Mit Maximilian Ullmann, Ercan Kara und Marco Grüll ließ Hofmann seine drei aktuellen ÖFB-Teamspieler zu Beginn noch auf der Bank und versuchte damit seine Trümpfe so lange wie möglich in der Hinterhand zu halten. „Das war ein Stück weit auch der Plan, dass wir dann Frische gegen eine Mannschaft bringen, die schon ein paar Meter auf dem Buckel hat“, so der 41-jährige Rapid-Interimstrainer.

Gegentore zum ungünstigsten Zeitpunkt

Doch die Gäste aus London machten in keiner Phase den Eindruck, als könnte ihnen die Luft ausgehen. West Ham gab von der ersten Minute an den Ton an und hatte durch den Tschechen Vladimir Coufal bereits nach sieben Minuten die erste große Chance auf das 1:0. „Die erste Viertelstunde war schwierig, da waren wir teilweise nervös und hatten nicht die notwendige Ruhe“, so Hofmann. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, kam Rapid besser ins Spiel und fand, etwa durch Kelvin Arase in der 28. Minute, Chancen vor.

Doch kurz vor der Pause sprang Andrej Jarmolenko höher als Europacup-Debütant Martin Moormann und brachte den Favoriten doch noch vor Seitenwechsel verdient in Führung (39.). „In unserer besten Phase haben wir dann das Gegentor bekommen“, ärgerte sich Hofmann über den Gegentreffer. Dass „Hammers“-Oldie Mark Noble noch vor dem Seitenwechsel vom Elfmeterpunkt nachlegte (45.+2), brachte den Rapid-Trainer überhaupt auf die Palme. „Der Elfmeter vor der Pause darf einfach nicht passieren“, sagte der 41-Jährige zum offensichtlichen Rempler von Maximilian Hofmann an Jarmolenko.

Weil sich auch die Hoffnung an ein schnelles Anschlusstor nach der Pause nicht erfüllte und die zurückbehaltenen Trümpfe Grüll und Kara die Partie auch nicht mehr sonderlich beeinflussen konnten, blieb es beim vierten „Bummerl“ für Rapid im fünften Gruppenspiel. Im Gegenteil: Ohne Goalie Paul Gartler und glücklichem Stellungsspiel auf der Linie der Verteidigung hätte das Spiel in einer Abfuhr geendet. „Ich denke, beide Gegentore wären zu verhindern gewesen, da haben wir uns nicht so angestellt wie in vielen anderen Szenen. Dann wird es gegen so eine Mannschaft halt eng. Es war nicht alles schlecht, aber auch bei Weitem nicht alles gut“, sagte Trainer Hofmann.

Zuerst Derby und dann erst Genk

An dem, was gut war, versuchten sich zumindest seine Spieler aufzurichten. „Ich finde, wir haben es phasenweise auch gut gemacht, haben aber dann zu leicht die Tore bekommen. Da sieht man eben die Qualität, sie waren effizient und haben die Tore gemacht“, sagte U23-Kapitän Emanuel Aiwu: „Es ist normal, dass man mal einen Zweikampf verliert, aber dann muss man schauen, dass der Nächste das ausbessert. Das haben wir leider nicht geschafft und so auch die Gegentore bekommen.“ Dazu sei man offensiv zu unentschlossen gewesen, kritisierte Kapitän Hofmann: „Nach vorne haben wir gut kombiniert, aber dann hatten wir die falschen Lösungen.“

Paul Gartler (Rapid)
GEPA/Philipp Brem
Rapid-Goalie Gartler verhinderte eine noch höhere Niederlage von Rapid

In einem waren sich alle Spieler und der Trainer einig: Ohne Lockdown wäre es für West Ham doch etwas schwerer geworden, die drei Punkte mit heim ins Londoner East End zu nehmen. „Mit den Fans im Rücken wäre es ein ganz anderes Spiel gewesen“, sagte Aiwu. Sogar „Hammers“-Routinier und Elfertorschütze Noble schlug in dieselbe Kerbe: „Schade, dass wir ausgerechnet im Lockdown hier spielen mussten“, sagte der 34-Jährige, der seine letzte Saison bestreitet, „es ist ein so schöner Ort, um Fußball zu spielen.“

Ob die Rapid-Fans die Chance bekommen, ihre Mannschaft in dieser Europacup-Saison noch einmal anzufeuern, hängt einerseits an der Pandemie und andererseits am Ausgang des kommenden Spiels in Genk. „Es wird schwierig, aber wir haben es drauf. Wir werden alles versuchen, um in die Conference League zu kommen“, versprach Kapitän Hofmann. Sein Namensvetter und Interimstrainer wollte sich hingegen mit der Partie in zwei Wochen noch nicht beschäftigen. Jetzt gelte es erst einmal in der Liga in Ried und danach erstmals im neuen Stadion ein Derby gegen die Austria (Hofmann: „Das allerwichtigste Spiel“) zu gewinnen: „Dann erst gilt die Konzentration dem internationalen Spiel.“